Es grünt so grün …

Test: Hagstrom Alvar Limited

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(Bild: Dieter Stork)

Renommierte Hersteller wie Gibson, Ibanez, Epiphone u.a. haben es vorgemacht, nämlich den klassischen ES-Thinline-Body zu schrumpfen. Auch Hagstrom legte 2019 mit der Alvar ein entsprechendes Modell nach. Jetzt schicken die Schweden eine Limited-Edition-Variante mit Stop-Tailpiece, P-90, Humbucker und Stallion Green Metallic Finish ins Rennen. Einen metallic-grünen Hengst?!

Genau betrachtet ist die Alvar die Kompaktvariante der Hagstrom Viking Deluxe Baritone, einmal abgesehen von deren 711 mm messenden Mensur und dem fehlenden Coilsplit. Alternativ ist die Alvar Limited in Derby Brown Metallic erhältlich. So gesehen bleibt damit der Bezug zum Reitsport.

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AHORN, AHORN …

Von Ebenholz kaum zu unterscheiden: Resinator-Griffbrett (Bild: Dieter Stork)

Mit Ausnahme des Hagstrom-typischen, patentierten Resinator-Griffbretts, einem unter hohem Druck verleimtem Holz-Verbundwerkstoff, der eine dichtere und stabilere Struktur als die traditionelle Griffbretthölzer besitzt und optisch Ebenholz sehr nahe kommt, wurde bei der Alvar ausnahmslos Ahorn verarbeitet. Für die gewölbte Decke, den gleichermaßen gewölbten Boden und die verleimten Zargen hat man Ahornsperrholz in Form gebracht.

Auch der präzise zwischen Decke und Boden eingepasste Sustainblock besteht aus Ahorn, ist ca. 100 mm breit und erstreckt sich vom Hals bis zum Korpusende. Neben seinen Feedback-minimierenden und Sustain-fördernden Aufgaben sorgt er für zuverlässigen Halt von Tune-o-matic-Steg und Stop-Tailpiece. Während die Decke von 6-schichtigen, creme/schwarzen Bindings umgeben ist, begnügen sich Boden und F-Löcher mit 1-fachen Einfassungen. Die Klinkenbuchse hat man direkt in die Zarge eingelassen. Große aber eng bemessene Strap-Pins bieten dem Gurt Halt, sofern er nicht dicker als 2,5 mm ist.

(Bild: Dieter Stork)

Mit langem Fuß, der bis in die Mitte der vorderen Pickup-Fräsung reicht, hat man den Hals großflächig verleimt. Dieses Konstruktionsprinzip erhöht nicht nur die Stabilität, sondern fördert auch die Schwingungsübertragung. Die cremefarbene Griffbretteinfassung ist ein-, die der rückwärtig geneigten Kopfplatte dreilagig. 22 passabel abgerichtete und verrundete Medium-Jumbo-Bünde verteilen sich über das Spielfeld, auf welchem Perloid-Block-Inlays und schwarze Sidedots die Orientierung erleichtern. Den zwölften Bund markiert ein Doppel-Inlay. Der selbstschmierende Black-Tusq-Sattel, dessen Kerbentiefe bzw. Saitenlage sich noch optimieren ließe, führt die Saiten fächerförmig über die Abdeckung des H-Expander-Halsstabs hinweg zu den fein übersetzenden Hagstrom-Mechaniken.

(Bild: Dieter Stork)

Der P-Urified-Einspuler und der Custom-58C-Humbucker mit Split-Option, deren offene Spulen seitlich durch Chromrahmen geschützt werden, lagern höhenjustierbar in schwarzen Kunststoffrahmen. Verwaltet werden sie über einen Dreiwegschalter, zwei Volumeund zwei Tone-Regler.

Überraschenderweise hat Hagstrom auf die im Spec Sheet aufgeführte R/C-Schaltung, die Höhenverluste beim Herunterregeln minimieren soll, verzichtet. Laut Produktmanager ersetzt dies ein Volume-Poti mit anderem Widerstandswert. Zieht man das Tone-Poti des Steg-Humbuckers heraus, schaltet es dessen Halsspule stumm. Das Stallion Green Metallic Finish, das sich auch über die Rückseiten von Hals und Kopfplatte erstreckt, wurde perfekt aufgetragen und spiegelglatt poliert.

IN DER STARTBOX

Schon bei der ersten Kontaktaufnahme gibt sich die Alvar Limited deutlich kopflastig, und zwar sowohl am Gurt als auch auf dem Bein. Ein breiter rutschhemmender Gurt wäre somit von Vorteil. Während des Spielens bzw. bei aufgelegtem Unterarm bereitet das keine großen Probleme. Ergonomie und Haptik kommen mir trotz des high-gloss-lackierten Halses sehr entgegen. Dessen Profil ist alles andere als „Slim-D“, sondern entpuppt sich eher als ovales U, das angenehm in der Hand liegt und sich stressfrei bespielen lässt. Dank des verrundeten Halsfußes sind selbst die letzten zwei bis drei Bünde relativ problemlos zu meistern. Pickup-Schalter und Regler hat man optimal platziert, alle sind leicht zugänglich und die großen gerändelten Metallknöpfe komfortabel zu bedienen.

Akustisch gespielt gibt sich die Alvar Limited recht laut, üben ohne Strom ist also ohne weiteres möglich. Ihr ausgewogenes, offenes, drahtig-spritziges Klangbild geizt nicht mit Obertönen, bildet Akkorde präzise und transparent ab, und ihr stabiles Sustain lässt selbige langsam und gleichförmig abklingen. Ansprache und Tonentfaltung kommen direkt und lebendig, verleihen der Gitarre beste Dynamik und fördern damit nuanciertes, ausdrucksstarkes Spiel.

Der P-Urified-P-90-Einspuler steht mit warmen, klaren, sehr lebendigen Cleansounds in der Startbox, tönt nicht ganz so fett wie ein original vintage P-90, dafür aber bei nahezu identischer Ausgangsleistung luftiger, transparenter und artikulierter, wobei der bluesig glockige Grundcharakter stets durchschimmert. Bei angezerrten, Crunch-, Mid-Gain- und High-Gain-Sounds behält der Hals-Pickup seine Differenziertheit und Dynamik nahezu unbeeindruckt bei, quittiert diese allerdings mit erhöhtem aber vertretbarem Brummen.

Klar, Singlecoil halt. Und wem dabei die Bässe doch etwas zu wummerig werden sollten, der kann die spezielle Tone-Reglung in Form stufenloser Bass-Cuts hinzuziehen. Im Gegensatz zu Standard-Tone-Potis, die ja stets die Höhen filtern, werden hier untere Frequenzen abgesenkt. Nicht übermäßig, sondern sehr geschmackvoll und auch praxisorientiert. Dies dünnt den Sound nicht einfach aus, sondern macht ihn knackiger und durchsetzungsfreudiger. Durch Verzichten auf die R/C-Schaltungen bleiben beim Herunterdrehen der Volume-Regler natürlich Höhen auf der Strecke, allerdings nicht in dem Maße, wie man das von konventionellen Potis kennt.

(Bild: Dieter Stork)

Für die Abteilung „kernige Rocksounds“ ist der Custom-58C-Steg-Humbucker zuständig, der am cleanen Amp pegelmäßig und klanglich nach vorne springt. In puncto Ausgangsleistung erinnert er an einen Patent-Number-Humbucker aus den frühen 60ern, kommt tonal allerdings etwas mittiger daher. Seine vollmundigen, straffen Bässe, prägnanten Mitten, klaren Höhen und auch sein breites Obertonspektrum verleihen ihm genügend Strahlkraft und bei Zerrsounds hinlänglich Biss und reichlich fundamentalen Druck, all das gestützt vom Sustain der Alvar. Auch hier greift die Bass-Cut-Reglung gefühlvoll ein, wenn beispielsweise bei intensivem Clean-Strumming die Bässe an der Transparenz kratzen. Man dreht das Poti ein wenig zurück, die Klarheit bleibt erhalten, das Fundament wird knackiger. Feine Sache.

Und wozu dann noch der Coil-Split? Keine unberechtigte Frage, denn tatsächlich zeigen die Stegspule des Humbuckers und der bass-gecuttete Voll-Humbucker klangliche Gemeinsamkeiten. Zunächst ist der gefilterte Custom 58C etwas lauter und einen Hauch voluminöser als dessen Stegspule, die sich wiederum bestens für funky Chords oder Singlenotes anbietet. Da kommt der Coilsplit schon beinahe grazil daher, erst Recht, wenn dann noch der Tone-Regler die ohnehin schon dezenten Bässe cuttet. Sind beide Pickups simultan aktiv, drückt der P-Urified dem Gesamtklangbild eindeutig seinen Stempel auf. Soll heißen, der Custom 58C hält sich vornehm zurück und steuert lediglich marginal Mitten, knackige Höhen und Obertöne bei. Er gewinnt erst dann an Einfluss, wenn man die Tonabnehmer mit Hilfe der Volume-Regler mischt.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit der Alvar Limited schickt Hagstrom einen grünen wie heißen Hengst ins (Galopp-)Rennen, der aus klanglicher Sicht ebenso wendig ist wie der Namensgeber, nämlich der Elfenkrieger Alvar aus der norwegischen Mythologie. Alles verstanden? Macht nichts. Es geht immer noch (nur) um eine E-Gitarre. Die Kompaktvariante der Hagstrom Viking punktet neben sehr guten Resonanzeigenschaften und makelloser Verarbeitung nicht nur mit ansprechendem Design – nicht zu vergessen das Eyecatcher-Finish „Stallion Green Metallic“ – sondern dank unterschiedlicher Pickup-Typen, stufenloser Bass-Cut-Filter und Coilsplit vor allem mit einem breit aufgestellten Klangangebot. Trotz Kopflastigkeit lässt sich die Alvar Limited komfortabel bespielen, sobald man sie unter dem Arm und in der Greifhand hat. Kurz und gut, viel Gitarre für‘s Geld.

PLUS

  • Sounds
  • klangliche Flexibilität
  • Dynamik & Sustain
  • stufenlose Bass-Cut-Reglung
  • Optik
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • Kopflastigkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Fantastisches Instrument, dass in meiner Sammlung fehlt. Habe mir gerade die Alvar in Swedish Frost gegönnt. Ich liebe diese Gitarre! Habe ich schon erwähnt, das ich ein Hagstrom Fanboy bin? :o) Ich würde jedem mal empfehlen die Hagstrom Pat Smear Signaturen Probe zu spielen. Ein wahrer Genuss! Das Teil geht sowas von nach vorn, der Wahnsinn!

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  2. Ja, mein Vorredner ist begeistert und hat die Alvar bereits bespielt bzw.auch schon erworben. Mein 4-Saiter Hagstrom von 1968 ist noch heute der
    Standard Semi-Acoustic-Bass mit einem sehr schmalem Hals, fast wie
    bei einer Gitarre – damals gab es nur die Gibson-Bässe mit baumdicken
    Hals, der ein schnelles Spiel für kleine Hände einschränkte.
    Hagstrom hat es immer geschafft, in der Entwicklung neuer Gitarren-
    Modelle den Ansprüchen der Musiker vollends gerecht zu werden.
    Die Hagstrom Alvar werde ich mir zulegen…

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