Test: Gibson Dave Mustaine Signature Flying V EXP

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(Bild: Dieter Stork)

Nach 17 Jahren als Dean-Endorser wechselte der Megadeth-Saitenakrobat 2021 zu Gibson. Wie von Dave Mustaine nicht anders zu erwarten, besitzt die neue Signature-Gitarre das ikonische V-Design des 67er-Modells, hat sich allerdings die Kopfplatte der Explorer ausgeliehen.

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Hinweise auf den Namensgeber finden wir auf der gewohnt glockenförmigen Truss-Rod-Abdeckung und der Halsspule des Steg-Humbuckers. Die Rückseite der Kopfplatte und den grauen Formkoffer ziert indes Daves Schattensilhouette.

LANGHALS

Für Gibson schon beinahe revolutionär ist die verlängerte Mensur von 648 mm, hat sich der Hersteller bislang bei seinen E-Gitarren doch fast ausschließlich mit 628 mm begnügt. Der Mahagoni-Body orientiert sich wie gesagt eher am 67er-Design, zu erkennen an den hängenden Schultern. Ergonomische Formgebung beschränkt sich auf rundum komfortabel verrundete Kanten. Ein Buchsenblech im Strat-Style trägt an der Zarge des oberen Flügels die zuverlässig packende Klinkenbuchse, unmittelbar daneben sichert einer der beiden großen Dunlop-Pins den Gurt, der andere am Übergang zum verleimten Mahagonihals. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann die beiliegenden Dunlop Strap-Locks nutzen.

Klassische Flying-V-Schaltung mit Orange Drop Kondensator (Bild: Dieter Stork)

Unter dem rückseitig eingelassenen Kunststoffdeckel verbirgt sich die „Dave Mustaine Signature Elektrik“. Was jedoch daran „Signature“ sein soll, erschließt sich mir nicht, denn hier liegt die exakte Schaltung der original 1958er Flying V vor. Okay, den Bumblebee-Tone-Kondensator ersetzt aktuell ein Orange Drop. In Höhe des 16. Bundes geht der Hals in den 43 mm dicken Korpus über. Das Design gestattet relativ unbeschwerten Zugang zu den hohen Lagen, zumindest bis zum 22. Bund. Das Ebenholzgriffbrett, dessen Radius von 12″ auf 16″ zunimmt, trägt 24 Medium-Jumbo-Bünde. Doppelte Haifischzahn-Permutt-Inlays und schwarze Sidedots markieren die Lagen.

(Bild: Dieter Stork)

Der bis auf die etwas höher liegenden H2- und G3-Saiten optimal abgerichtete weiße GraphTech-Sattel, auf dessen Rückseite ein Kragen den Übergang zur Kopfplatte verstärkt, führt die Saiten zu den vorzüglich arbeitenden Grover Mini Rotomatics. Von der Seriennummer sind nicht einmal mehr Fragmente zu erkennen, da sie vollständig vom Nitrolack ausgefüllt ist. Am anderen Ende finden eine Nashville-Tune-o-matic-Bridge und der traditionelle Stoptail-Saitenhalter Verwendung.

Nashville Tune-o-matic-Steg (Bild: Dieter Stork)

Die Seymour-Duncan-Humbucker lagern höhenjustierbar in Kunststoffrähmchen. Kontrolliert werden sie über ein Master-Tone- und zwei Volume-Potis mit Witchhat-Knöpfen sowie per 3-Weg-Toggle-Switch. Auf Coil-Splits oder andere Schaltungsvarianten hat Dave Mustaine verzichtet. Bliebe noch zu erwähnen, dass der vordere Volume-Regler den Steg-, der hintere den Hals-Pickup kontrolliert.

Seymour Duncan Dave Mustaine Thrash Factor Steg-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Wie aus der Übersicht zu ersehen ist, entpuppt sich der in den Gibson-Specs als „Slim Taper Neck Profile“ bezeichnete Hals als recht kräftig. Das C-Profil füllt jedoch meine Hand angenehm aus, und die auf dem Griffbrett-Binding aufliegenden, vorbildlich bearbeiteten Medium-Jumbos gestatten flüssige Lagenwechsel. Apropos Medium-Jumbo: Überhaupt von einem solchen Bunddrahtprofil zu sprechen, wirft dann doch Fragen auf, denn die Bundkronen sinken von 1,02 mm im ersten auf 0,70 mm Höhe im 24. Bund.

Bestens ausbalanciert hängt die Flying V EXP am Gurt. Aufgrund des Designs empfiehlt es sich, selbigen auch im Sitzen anzulegen. Schwingungstechnisch gibt sich die Dave Mustaine V sehr offensiv, zeigt direkte, präzise Ansprache, flinke Tonentfaltung und standfestes Sustain und setzt nuanciertes, ausdrucksstarkes Spiel adäquat um. Unverstärkt entwickelt sie ein kraftvolles, warmes aber dennoch transparentes, von samtigen Höhen durchzogenes Klangbild.

Seit Dekaden bekannt und beliebt, steht der SH-1n als 59er-PAF-Pendant für warme, runde Sounds mit druckvollen, fetten Bässen, samtigen Mitten und seidenweichen Höhen, die mit steigender Anschlagsintensität auch bissiger und aggressiver werden können. Dabei bleibt jeder Ton akzentuiert und schmatzig, das Klangbild vital und luftig. Ich wechsle in den Distortion-Modus, der Pickup behält seinen Charakter bei und beeindruckt mit punchenden, kompakten Bässen, die auch dank der 24-Bund-Position erst gar keine Undifferenziertheit aufkommen lassen. Einzeltöne singen wunderbar, werden dabei vom Sustain getragen und wechseln gerne in ihre Obertöne.

Der in Kooperation mit Dave Mustaine modifizierte SH-4, aktuell bei Seymour Duncan unter dem Namen „Thrash Factor“ geführt, gibt sich schon am cleanen Amp kraft- und druckvoll und glänzt mit warmem, konkretem Ton, singenden Höhen, reichem Obertongehalt und präziser Saitentrennung. Seine Leistungsstärke hält nicht nur gepflegte Vintage-Sounds bereit, sondern bedient vorzugsweise auch härtere Gangarten, die er mit fetten straffen Bässen, konkreten Mitten und (bei intensivem Anschlag) aggressivem Biss versorgt und trotz Kompression sehr gute Dynamik und Durchsetzungsvermögen zeigt.

Die Kombi beider Humbucker hält glockenklare Akkorde für Arpeggien und Rhythmusspiel bereit und verleiht Leadsounds einen charaktervoll singenden Ton. Sahnig weich rotierend lassen sich die Gibson-gelabelten Potis trotz der Witchhat-Knöpfe mit nur einem Finger komfortabel bedienen und ermöglichen dank völlig gleichmäßiger Regelcharakteristik die präzise Steuerung von Lautstärke/Gain und Klang.

 

RESÜMEE

Klar, dass sich der Ausnahmegitarrist Dave Mustaine auch von Gibson ein Flying-V-Modell auf den Leib schneidern lässt. Die 648mm-Mensur überrascht dann doch, schließlich assoziiert man mit dem US-Hersteller eine 628er. Dieses Konstruktionsdetail verleiht der Gitarre merklich mehr Wumms in den Bässen, verlangt den Fingern 010-auf-046-gewohnter Gibson-Spieler:innen aber auch mehr ab. Die Signature Flying V EXP liefert nicht nur exzellente, dynamische und durchsetzungsstarke Sounds für alle möglichen Hard-, Heavy- und Metal-Genres, sondern hat dank des SH-1nHals-Humbuckers auch vintage-orientierte PAF-Sounds im Köcher, die Gitarre überzeugt klanglich ohne Wenn und Aber. Der Preis geht in Ordnung, ist jedoch den aktuell gestiegenen Fertigungsund Frachtkosten, vor allem aber dem ungünstigen Euro-Wechselkurs geschuldet.

PLUS

● Sounds (clean bis Ultra High Gain)
● Dynamik & Sustain
● Qualität Hölzer & Hardware
● Spielbarkeit
● Verarbeitung

MINUS

● in den hohen Lagen niedrig abgerichtete Bunddrähte
● Sattel ungleichmäßig tief gekerbt

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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