Veilchendienstag

Test: Garage Amps Mardi Gras Head

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(Bild: Dieter Stork)

Hinter Garage Amps steckt der ausgebildete Ton- und studierte Elektrotechniker Jochen Hämmerling, der seit vergangenem Jahr sein Domizil in einem Teil der Werkstatt von Gamble Guitars in Ratingen hat. Schaltungs-Design, Verstärkerservice und aus High-End-Komponenten handgefertigte Röhren-Amps sind sein Metier. Mit dem 2-kanaligen 18-Watt-Top Mardi Gras feiert Garage Amp in unserem Fachmagazin Premiere.

AUFBAU

Der Mardi Gras präsentiert sich als puristischer Röhrenverstärker, soll heißen kein Reverb, keine Effects-Loop, und zugunsten eines verlustfreien Signalwegs umgeht der Clean-Kanal sogar die Klangreglung. Gleichrichtung mittels EZ81-Röhre, selektierte ECC83-Vorstufenröhren (TungSol und JJ) und zwei gematchte EL84 in der Class-AB-Gegentaktendstufe. Die einzigen Halbleiter entdecke ich auf der Platine des Fußschalteranschlusses.

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Dank Kathodenbias sind nach einem Röhrenwechsel keine Ruhestromeinstellungen erforderlich, die Gegenkopplung (Negative Feedback) ist ein- und ausschaltbar. Ein Blick in das stabile aus 2 mm Alublech gebogene Amp-Chassis, das mit vier M6-Schrauben am Gehäuseboden montiert wurde, lässt gleichermaßen sorgfältige wie solide Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung und hochwertige Bauteile – teilweise Military Grade – erkennen, auch wenn der Ausschnitt für den Netztrafo recht grobschlächtig ausgeführt wurde.

Das Holzgehäuse besteht aus 12 mm Schichtholz und wurde in der vorliegenden Edelausführung mit schwarzem Paisley-Stoff überzogen. Die Rückwand ist mit großen Lüftungsgittern versehen. Während die Verarbeitung des Verstärkerteils ohne Fehl und Tadel ist, stelle ich am Holzgehäuse Mängel fest. Die Leisten, die die Front- und Rückwände halten, sind an vielen Stellen durch die eingetriebenen Holzschrauben gespalten, und der Bezugsstoff wurde an den runden Ausschnitten ebenso unsauber verklebt, wie die dünne Alu-Abschirmfolie auf dem Gehäuseboden.

Ungeachtet dessen besitzt der Mardi Gras dank Paisley-Bezug, silberfarbener Kedern, schickem, gleichzeitig als Lüftungsgitter fungierendem Frontlogo, schwarzer Metallecken und komfortablem Kunstledergriff ein geschmackvolles ansprechendes Design.

Auf der vorderen Bedienfläche finden wir Input, Kanalschalter Clean/Lead, Hi-Boost-Schalter für den Lead Channel, die Regler Master(volume), Clean Gain, Lead Gain, Treble, Middle und Bass sowie den Power-Schalter mit großer violetter Pilot-Lamp als Betriebsanzeige.

Eher spartanisch gibt sich derweil die Rückseite: Sicherungshalter, Netzkabelbuchse, Impedanzwahlschalter (4/8/16 Ohm), zwei parallele Lautsprecherausgänge, der Schalter Negative Feedback On/Off und der Stereoklinkenanschluss des Fußschalters. Selbiger zählt zum Lieferumfang und kommt im robusten Stahlblechgehäuse mit High-End-Schalter und Status-LED. Die LED arbeitet reversed, d. h. sie leuchtet bei aktivem Clean- und erlischt beim Lead-Kanal (wie z. B. einst bei Mesa/Boogie).

(Bild: Dieter Stork)

GANZ SCHÖN LAUT

Glücklicherweise kommt es für uns Tester eher selten vor, dass ein Amp-Hersteller sämtliche erforderlichen Röhren inklusive einer Anleitung „Vorbereitung für den Betrieb“ separat und sicher verpackt zum Test anliefert. Die Röhren lagern in durchnummerierten Kartons und müssen gemäß der Anleitung eingesetzt und gesichert werden. Trotz des mitunter recht rüden Umgangs von Zustelldiensten mit Sendungen sollten Amps und Röhren einen derartigen Transport abkönnen, erst recht handgebaute Boutique-Modelle.

Da der Clean Channel die drei Klangregler vollständig umgeht, bietet der Mardi Gras in diesem Kanal keinerlei Bearbeitungsmöglichkeiten. Daher erreicht das Signal der angeschlossenen Gitarre absolut verlustfrei die Endstufe. Bedeutet das Einschränkungen? Keineswegs, sofern man in der Lage ist, Sounds allein mit variablem Anschlag und den Möglichkeiten der Gitarrenpotis zu gestalten. Genau das macht der Mardi Gras in perfekter Manier und mit exzellenter Dynamik. Klasse.

Etwas anders verhält es sich allerdings mit den Clean-Reserven sprich Headroom. Mid-60s Gibson-Humbucker und einigermaßen kräftig angeschlagene Powerchords bringen die Vorstufenröhren bereits bei Clean Gain 3 in erste Sättigung. Um halbwegs Band-taugliche Pegel zu erzielen und die Endstufenröhren clean zu belassen, muss ich Master auf 8 aufdrehen. Erhöhe ich Gain auf 6, steigt der Ausgangspegel deutlich an und dezentes Crunch dringt an mein Ohr, das ich mit dem Volume-Poti der Gitarre ohne größere Höhen- und Pegelverluste auf Clean reduzieren kann.

Gain auf Vollaussteuerung entlockt dem Garage Amp kraftvolle, fette, homogen zerrende und durchsetzungsstarke Crunchsounds, die sich auch bestens zum ausdrucksstarken Solieren eignen.

Gerne vergleiche ich bei Verstärkern immer die Pegelabstimmung der Kanäle. Beim Mardi Gras drehe ich Master auf 4 und Clean Gain auf 6. Einen annähernd identischen (Clean)Sound und Pegel erhalte ich im Lead Channel, wenn ich Lead Gain auf 1 – sodass gerade der erste Ton zu hören ist –, Bass auf 8, Middle auf 10, Treble auf 2 und Hi-Boost auf Normal stelle. Wenn ich nun Lead Gain langsam aufdrehe, nimmt die Zerrintensität zu – logisch –, jedoch steigt der Ausgangspegel unverhältnismäßig stark an.

Das Sound-Spektrum des Lead-Kanals bietet von cleanen über dezente bis fette Crunch- bis zu singenden Sustain-reichen Leadsounds der Kategorie Classic-, Hard- und Heavy-Rock alles, was des Gitarristen Herz begehrt. Unabhängig vom Lead-Gain-Setting bleiben Sound und Verzerrung stets griffig, durchsetzungsstark, druckvoll, offen, definiert und extrem dynamisch. Auch hier unterstützt der Garage Amp die Tonbildung und die Arbeit mit den Gitarrenpotis aufs Allerbeste.

Während von der 3-Band-Klangreglung Treble und Middle praxisorientierte Effizienz zeigen, agiert das Bass-Poti eher nuanciert, wie gewohnt alles abhängig von der eingestellten Zerrintensität. Der Hi-Boost verleiht stark zerrenden Leadsounds zusätzlichen Kick und unterstützt den Anschlags-Attack.

Allerdings kann ich mich mit der Pegelabstimmung zwischen Clean und Lead Channel überhaupt nicht anfreunden, denn bei High-Gain-Leadsounds ist dieser Kanal schlichtweg viiiieeel zu laut im Vergleich zum Clean Channel. Die schaltbare Gegenkopplung bewirkt im Off-Status (Auslieferungszustand) höhere Endstufenverzerrungen, die die insgesamt sehr gute Dynamik des Mardi Gras in keiner Weise beeinträchtigt.

Im Innern: Feinste Point-to-Point-Handarbeit (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Zunächst kann ich Jochen Hämmerling bzw. Garage Amps für das Mardi Gras Head Lob aussprechen. Der puristische Röhren-Amp liefert dem Klang-Gourmet erstklassige dynamische Clean- bis High-Gain-Sounds. Dass der Clean-Kanal zur Erhaltung der Signalqualität keine Klangreglung besitzt, dürfte denen, die mit variablem Anschlag und den Reglern einer Gitarre umzugehen wissen, keine Probleme bereiten. Auch nicht, dass der Amp technische wie spielerische Defizite des Users gnadenlos aufdeckt.

Nach dem Lob gibt es allerdings auch Kritik, und zwar für die Abstimmung der Ausgangspegel beider Kanäle, von denen der Lead Channel lauter als der Clean-Kanal ist. Während Amp und Chassis vorbildlich aufgebaut und verarbeitet wurden (100% Punkt-zu-Punkt-Handverdrahtung), gibt die Verarbeitung des zweifellos schicken Holzgehäuses angesichts einiger Mängel Anlass zu Kritik. Gut wiederum ist, dass ein solider Fußschalter zur Kanalwahl mit 4,8 m fest installiertem Kabel und ein hochwertiges Lautsprecherkabel zum Lieferumfang zählen.

PLUS

● Sounds (Clean bis High-Gain)
● Ansprechverhalten & Dynamik
● Transparenz & Durchsetzungsvermögen
● Qualität der Bauteile
● Paisley-Optik
● Handhabung
● Gewicht
● Verarbeitung des Amps

MINUS

● Pegelabstimmung Clean/Lead Channels
● Verarbeitung des Holzgehäuses

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das Innere sieht irgendwie nach Tube-Town- (“Bausatz”) aus, besonders die Kanalumschalt-Platine mit dem Relais 🙂

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    1. Hallo Michim,
      leider muss ich deiner Meinung ganz entschieden widersprechen. Es wäre schön, wenn du dir das Schaltungsdesign und die verwendeten Bauteile einmal genauer anschaust. Solltest du eine Platine von Tube-Town ausgemacht haben, liegst du richtig; diese ist in Sachen Qualität und Funktionalität erste Wahl. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Amp-Builder auch auf Bauteile von anderen Herstellern zurückgreifen; siehe zum Beispiel den Metropolous-Einschleifweg bei einigen amerikanischen Boutiquemodellen. Für konstruktive Kritik ist Garage Amps als kundenorientierte Amp-Schmiede immer offen. Bei Fragen kannst du dich gerne an uns wenden: http://www.garageamps.com. Vielen Dank!

      Auf diesen Kommentar antworten
      1. Oh war nicht bös gemeint, ich musste halt nur etwas schmunzeln.
        Dein Amp klingt bestimmt ganz toll.

        Gruß
        Michi

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