Singlecut auf links gezogen

Test: Deimel Singlestar BoltTone

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(Bild: Dieter Stork)

Frank Deimel ist ein Meister der Überformung bekannter Gitarren-Designs. Hinter dem vertrauten Look verbergen sich bei ihm immer höchst interessante Neuschöpfungen. Seine Detaillösungen sind nie plakativ, aber immer mit scharfem Blick auf die Spielpraxis hin entwickelt. Mit dem vorgelegten Modell Singlestar BoltTone beweist er erneut seine hohe Meisterschaft in Sachen dezenter Effektivität.

Gute Gitarren müssen nicht immer wieder neu erfunden werden. Falls das denn überhaupt noch möglich ist. Frank D. jedenfalls hat den Bogen raus, wenn es um Optimierung und Individualisierung gesetzter Konstruktionen geht. Das Bewährte auf der Grundlage langjähriger Erfahrung und in Kombination mit aktuellen Entwicklungen zu neuer Hochform führen, das ist ein durchaus ehrenwerter Plan.

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Traditionelle Optik…

Mit der Singlestar BoltTone legt Frank Deimel ein Gitarren-Design vor, das vom Pattern der LP Special ausgehend eigene Wege der Ausgestaltung in Richtung Spielkomfort und Klangumsetzung verfolgt. Abgesehen von der vertrauten Silhouette ist bei der Singlestar aber eigentlich so gut wie alles anders als beim Gibson-Modell. Das fängt schon bei der Holzwahl an, setzt sich über Korpuskonturen, die differierende Hals-Korpusverbindung, die Mensur und das Vibratosystem fort und endet noch nicht einmal bei der zugespitzten Elektrik.

Im Detail: Für den Korpus fand Frank schönes altes Erlenholz (Red Alder), eine einteilige Planke von knapp 47 mm Stärke, der er großzügige Konturen im Bereich der Armauflage und am Boden oben verschaffte. In diesen Body ist der Hals aus geflammtem europäischem Ahorn mit bis ins Cutaway hinein freigestellter Flanke tief eingesetzt und mit drei parallel gesetzten Schrauben mit ungemeiner Festigkeit eingebracht. Das darauf platzierte Griffbrett aus Macassar Ebony mit Compound-Radius (9,5″-12″) beherbergt 22 mittelstarke Bünde (Stewmac 0158 Pyramid) und Pearl Dot Inlays.

Gut sichtbare Punkteinlagen aus Perlmutt auf der Sichtkante unterstützen die sichere Tonhöhennavigation. Die in leichtem Winkel (10 Grad) herausgeführte Kopfplatte trägt das Firmenlogo im Black Fiber Layer und ist mit aged Gotoh Kluson Style Tunern ausgestattet. Und nicht zu vergessen: die schöne Möglichkeit des unkomplizierten Zugriffs auf den Halsstab über die Inbus-Mutter im seitlichen Halsfuß.

Freigestellter Halsfuß (Bild: Dieter Stork)

Die Saiten werden über einen Sattel aus Knochen mit einer (Fender-)Mensurlänge von 648 mm hinüber zur Deimel Vibratone Bridge (maßgefertigt von ABM) geführt, wo sie in einem von fünf Federn gehaltenen Stahlblock geankert sind. Zuvor laufen sie paarig über drei verstellbare T-Tune-Saitenreiter aus Messing. Ein hybrides Vibrato-System also, das Elemente von S- und T-Style Bridges kombiniert.

Elektrik: Am Hals finden wir den Deimel SP90 Neck Pickup (mit Stabmagneten wie bei einem Strat-Pickup), in Stegposition den regulären Deimel P90 Bridge Pickup mit Polschrauben, beide in Soapbar-Kappen. Geschaltet wird über einen auf das Horn vorn oben gesetzten Dreiwege-Toggle, verwaltet mit einem generell arbeitenden Volume-Regler, einem ebensolchen Tone-Poti und noch einem zusätzlichen Tap-Blend Regler (Blender-Poti von Lindy Fralin), dazu später mehr.

Starke Elektrik mit Deimel P90 Pickups plus Tap-Blend-Regler (Bild: Dieter Stork)

Zu erwähnen bleibt noch das schöne Tortoise-Pickguard und die Deckel am Boden aus Bakelite. Das Silver Space Finish der Gitarre wurde einem Aging-Prozeß mit sehr schönem Lack-Crackling unterzogen; der klar lackierte Hals blieb dankenswerterweise so gut wie unversehrt. Geliefert wird das detailgenau auf den Punkt gebrachte Instrument in einem festen Hiscock Case.

… inhaltlich auf links gezogen

Die gut gesetzten Konturen am Body der Deimel Singlestar sorgen für eine geschmeidige Anlage des Instruments am Spieler, der überdies auch noch von einer guten Griffbrettaufsicht profitiert. Der aufgeschraubte Ahornhals mit „JM 59 Medium Fat“-Profil trägt seinen Namen mit Recht. Man hat richtig was in der Hand, aber dank guter Schulterverrundung, weich abgeglichener Griffbrettkanten und sorgfältig bearbeiteter Bundierung spielt dieser Fat Neck sich dennoch einfach famos. Die recht hohen Stewmac-0158-Pyramid-Bünde sorgen mit ihren namensgemäß leicht zugespitzten Kronen für eine definierte Saitenauflage mit entsprechend exakter Intonation. Besonders bemerkenswert ist der für bestmögliche Bespielbarkeit der hohen Bünde bis an den Cutaway-Boden freigestellte Halsfuß.

Toller Hals mit Bestbundierung im Macassar-Griffbrett (Bild: Dieter Stork)

Das Basistonverhalten der mit rund 3,4 kg gut tragbaren Singlestar ist geprägt von klarer Saitentrennung im Akkord und allgemein stringenter Tonsprache. Die Basssaiten vermitteln bei kraftvoll dynamischem Plektrumeinsatz einen knochigen Ton, der leicht komprimiert erscheint, auf jeden Fall aber auch schon unverstärkt mit zupackendem Twang auftritt. Die Ansprache ist direkt und offen, die Tonentfaltung auch in hohen Lagen von guter Atemkraft geprägt.

Gehen wir in den Amp, so erweisen sich diese speziellen, von Hand gewickelten Deimel-Pickups als die perfekt zu dieser Gitarre passenden Klangwandler. Die klare Artikulation wird damit in ein nochmals helleres Licht getaucht, ohne jedoch zu überziehen oder gar zu blenden.

Der SP90 am Hals übersetzt die tonale Grundausstattung der Gitarre zunächst einmal mit unaufgeregter Transparenz. Alles da, sauber aufgelöst im Akkord und substanziell schwingintensiv bei gehaltenen Noten. Von der Klangfarbe her ist dieser Pickup im Vergleich zu einem Standard P90 etwas anders aufgestellt. Er schmeckt wegen seiner Stabmagnete etwas mehr nach Strat. Gehen wir in den Overdrive-Modus, so sorgt er mit präziser Definition für knochentrockene Powerchords und ein dynamisch per Anschlag zu steuerndes Linienspiel.

Der Wechsel auf den Steg-Pickup wirft dann offensivere Sounds raus. Was im Klarklang noch mit deutlich kompakterer Darstellung bei leicht zusammengepressten Zähnen zupackt, beißt uns in Zerrpositionen mit bissigem Twang offensiv in die Wade. Die Bässe knacken unter den Fingern weg und mit den komprimierten oberen Mitten werfen sich vor Angriffslust nur so strotzende Sounds in die Bresche.

Was macht nun der zusätzliche Regler, das Tap-Blend-Poti? Dahinter verbirgt sich ein sehr interessanter Aspekt der Tongestaltung, lassen sich über ihn doch an beiden Pickups gleichzeitig stufenlos Extrawicklungen zufügen. Den SP90 am Hals können wir von 6,2 auf 7,8 kOhm hochfahren, den P90 am Steg sogar von 7,2 auf 9,2 kOhm. Die Folge ist eine deutliche Anfettung der Ausgangs-Sounds. Das gewinnt dem Hals-Pickup einen dichteren, ungemein standfesten Ton ab, beim Kollegen am Steg sind Klänge zwischen schmalem Tele-Twang und offensiverem Rock-Boost möglich. Mit den stufenlosen Übergängen lässt sich locker und intuitiv arbeiten. Eine wirklich schöne Option, Klänge in allen Schaltstufen hörend an wechselnde Erfordernisse anzupassen.

Die perlfrische Klangtextur des SP90 am Hals ändert sich auch mit stärkerer Wicklungszahl nicht grundlegend, aber der Sound nimmt an Dichte und Volumen zu. Stärker greift dieser Effekt im Overdrive. Je mehr wir den Output erhöhen, desto stärker reagiert logischerweise der Amp mit einer Verdichtung des Zerreffekts. Das nimmt natürlich auch Einfluss auf die Obertonstruktur und es macht schlicht Spaß, mit diesem Output-Regler zu arbeiten.

Der P90 am Steg gibt in Ausgangsstellung einen recht trockenen und eher schmalen Ton heraus, der sich klar wie verzerrt richtig schön twangy gibt. Mit erhöhtem Ausgangssignal ändert sich das dann aber deutlich, der Ton drückt mehr und nimmt zunehmend Rock-Charakter an. Damit ist also dann auch ein teuflisch gutes Brett zu legen und bei Bedarf kann man sehr wohl den Hund von der Kette lassen – wharf! Auffällig ist übrigens auch, wie stark sich Effektgeräte mit diesen Pickups ansteuern lassen. Sounds sind darüber jedenfalls nochmals stark in die eine oder andere Richtung auszurichten.

(Bild: Dieter Stork)

Zum Schluss muss schnell noch dem bestens funktionierenden Vibratosystem Tribut gezollt werden, denn selbst bei kräftigem Gebrauch wahrt es Stimmstabilität – cool!

Resümee

Wieder einmal zeigt Frank Deimel sein feines Gespür für die von Tradition geprägte Gitarristenseele. Er geht seinen eigenen Weg auf sicherem Grund, ohne dabei den Kontakt zur Gegenwart zu vernachlässigen. Wie immer bei Deimel, so ist auch dieses Singlestar-Modell auf spielpraktische Bedürfnisse hin professionell abgestimmt. Vom Klang-Design her liegt diese in vieler Hinsicht auf links gezogene Singlecut – Holzwahl, Korpuskonturen, Schraubhals, Vibrato – in der tragenden Mitte. Bonus über die gediegenen klassischen Sounds hinaus ist aber der Tap-Blend-Regler, über den sich stufenlos zusätzliche Wicklungen bei beiden Pickups zufügen lassen. Damit hat der Spieler erweiterten Zugriff auf deren Output. Der traditionelle Vintage-Ton ist nach wie vor eine Bank, mit zusätzlichem Boost erhält der dann aber noch deutlich mehr Kick für modernere Anwendungen – was für eine schöne Option. Neben den rundum tollen Spieleigenschaften und einem funktionsstarken Vibrato stimmt dann einfach auch noch der Vintage-Look: Custom Guitar Building in Bestform!

(Bild: Dieter Stork)

PLUS

  • originelles Re-Design
  • Schwingverhalten
  • Deimel-P90-Pickups
  • kraftvolle Sounds
  • Klangerweiterung durch Tap-Blend-Regler
  • großartiges Halsprofil
  • beste Spieleigenschaften
  • detailgenaue Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

Produkt: Fender Stratocaster
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sicherlich eine schöne und gut klingende Gitarre, aber doch sehr angelehnt
    an die Giffin Vikta in der P90 Version.

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