Alter Schwede – der Lack ist ab

Test: Charvel Henrik Danhage Limited Edition Signature ProMod So-Cal Style 1

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(Bild: Dieter Stork)

So schaut das also aus, wenn man sein Instrument zehn Jahre lang hinter dem Tour-Bus herschleifen lässt. So lange nämlich spielt der schwedische Evergrey-Gitarrist Henrik Danhage inzwischen schon Charvel-Gitarren. In dem nun vorliegenden Signature-Instrument sieht Henrik seine Vorstellungen allesamt perfekt realisiert.

Evergrey ist eine Progressive-Metal-Band aus dem schwedischen Göteborg, der Henrik Danhage mit seinen Riffs und Soloeskapaden seit bereits 20 Jahren Rückgrat und instrumentale Größe verschafft. Was bedeutet aber Pro-Mod So-Cal? Das ist als Hommage an die Superstrats mit südkalifornischen Wurzeln (Southern California) aus den 1980er-Jahren zu verstehen, als mit High-Gain-Pickups, Speed-Hälsen und verstimmungsfreien Vibrato-Systemen die tonalen Möglichkeiten der Gitarre erweitert wurden.

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BESINNUNG AUF DAS WESENTLICHE

Die Charvel Henrik Danhage Limited Edition Signature Pro-Mod So-Cal Style 1 ist ein auf das Wesentliche zentriertes Instrument: Eschenkorpus im bekannten Contour-Body-Design, Bolt-on relic‘d Maple Neck mit Reverse Licensed Fender Strat Headstock („makes it a bit more wild and sexy and cool“), Floyd Rose, Humbucker in der Stegposition (okay, dazu auch noch ein Singlecoil-Typ am Hals), einzelnes Volume-Poti mit Push/Push-Funktion zum Pickup-Wechsel – fertig!

Einer für alle: Push/Push-PickupSwitching im Volume-Regler (Bild: DIETER_STORK)

Dem kann man nun natürlich noch ein paar ausführlichere Details hinzufügen, wie die Verstärkung des Halses mit Graphit-Streifen etwa, und dass die Satinversiegelung mit Urethane von Hand gerubbelt wurde. Von Interesse ist auf jeden Fall auch der Radius von 12“-16“ des relic’d-Maple-Fingerboards mit gut eingerollten Kanten und die 22 klaglos sauber verarbeiteten Jumbo Frets. Nicht zu vergessen die Black Dot Inlays und das Heel-Mount Truss Rod Adjustment Wheel zur Halseinstellung am Griffbrettende. Zu erwähnen bleibt noch die Ausstattung mit Charvel-branded Die-Cast-Tuners und dass die Saiten mit der erwarteten 648-mm-Mensur vom Klemmsattel hinüber zum Top-Mount Floyd Rose 1000 Series Double-Locking Tremolo Bridge System geführt werden.

Interessant ist dann auf jeden Fall die elektrische Ausstattung mit einem ausgangsstarken Seymour Duncan JB TB-4 Bridge Trembucker (Alnico 5, 17,1 kOhm Widerstand) und dem Hum Canceling DiMarzio Area 67 DP419CR Alnico 2 Neck Pickup.

Zentrum der Macht: Seymour Duncan JB TB-4 Bridge-Pickup (Bild: DIETER_STORK)

Auffällig ist die Positionierung des einsamen Strat-style Volume Knob (Tone steht drauf) ganz unten auf das 3-ply White Pickguard. Integriert ist hier noch eine Push/Push-Funktion für den Pickup-Wechsel (unten = Bridge-Pickup, oben = Neck-Pickup). Die Gitarre wird in einem Heavy White Relic Finish angeboten und auch bei der Chrome-Hardware hat man sich viel Mühe gegeben, sie alt aussehen zu lassen. Funktion und Setup sind top!

PUMP IT UP

So ein abgenagter Body mag ja nicht jedermanns Sache sein, aber sobald man sich diese Charvel vorgeknöpft hat, denkt man darüber auch schon nicht mehr nach. Denn die Aufmerksamkeit richtet sich sofort auf den Hals, und die Hand fühlt sich höchst geschmeichelt von diesem griffigen, recht flach gestalteten C-Profil mit den weich abgerundeten Kanten. Die einladende Haptik wird durch das samtige Gefühl der Relic-Versiegelung noch weiter optimiert. Obwohl letztere sich leicht schmuddelig gibt, ist die sauber verarbeitete, kantenglatte und glanzpolierte Jumbo-Bundierung natürlich alles andere als „worn out“.

Akustisch tönt die Danhage nicht besonders überraschend, stellt aber das volle Spektrum gitarrentypischer Frequenzen transparent und gut aufgelöst zur Verfügung. In Sachen Schwingbereitschaft und Ansprache gibt es ebenfalls keine Klagen. Die Voraussetzungen für eine elektrische Umsetzung sind also fundiert gegeben.

Zuvor noch: So schön das bei einer Standard-Strat nah am Steg-Pickup positionierte Volume-Poti für Blendmanöver des kleinen Fingers auch ist, vielen Spielern ist es dort schlicht im Weg. Auch Henrik Danhage wollte es nicht im Aktionsradius seiner rechten Hand und entschied sich für die extreme Außenposition. Ebenfalls konnte er gut auf jede Art der Tonbedämpfung verzichten, also alles raus aus dem Schaltkreis, was den puren Ton einschränken könnte. Und wenn man schon einmal dabei ist, kann man auch gleich den Schalter einsparen und zwischen beiden Pickups per Push/Push-Funktion im Volume-Knopf hin und her schalten – the art of simplicity! Wer es braucht, findet ja leicht Instrumente mit diesen „35-Sounds-in-einer-Gitarre“-Ausstattungen, aber manchmal ist weniger auch einfach mehr. Diese These gilt es nun elektrisch zu beweisen:

Der Seymour Duncan JB TB-4 Bridge-Pickup ist ein alter Bekannter, ein bewährter Veteran unter den High-Output-Humbuckern. Immer wieder mal in der Kritik – zu wenig differenziert und oberflächlich großmäulig sei er – und doch eine Bank, wenn es darum geht, die Sau durchs Dorf zu treiben. So lässt auch Henrik keinen Zweifel daran, dass der heiße Trembucker alles möglich macht, was er für seine individuelle Gitarrenkunst braucht, und das eindrucksvolle Ergebnis lässt sich ja nachhören in seinen Evergrey-Darbietungen.

Vorurteilsfrei betrachtet, ist der TB-4 natürlich nicht unbedingt der King of Clean, aber dennoch sind in friedlich-klaren Verstärkereinstellungen auch ganz ordentlich aufgelöste Akkorde zu erzielen – es hilft, den Volume-Regler etwas zurückzunehmen. Mit Bleifuß auf dem Gas lässt er dann aber natürlich erst so richtig seine Muskeln spielen. In der Danhage So-Cal jedenfalls zeigt er, warum er über all die Jahre seinen Status als der Austausch-Pickup für die Stegposition in Strat-style-Gitarren behaupten konnte. Druckvoll, frech, obertonreich und sehr präsent erfüllt er seine Aufgabe als Königsjodler. Mit ihm ist im konturstark umgesetzten Bassbereich gut pumpen, und an der Lead-Front schreit er mit quiekend herausgehauenen Obertönen, diesen das Trommelfell pikierenden Squealies, so gut wie jeden Gegner in die Flucht. Nicht gerade der feine Herr, dafür aber der richtige Kumpel, um dem Höllenhund mal so richtig die Sporen zu geben. Genug der Metaphern, aber viel gehörte Beschreibungen wie Aufreißer oder Brüllaffe greifen einfach auch zu kurz.

Kick auf den Regler – Pickup-Wechsel: Der DiMarzio Area 67 Singlecoil in der Halsposition ist klangfarblich aus vollkommen anderem Holz geschnitzt und damit die perfekte Alternative zum Boliden am Steg. Wir haben es mit einer brummfreien Konstruktion zu tun und das ist nicht nur im High-Gain-Bereich wirklich hilfreich. Vor allem aber lässt der Area 67 den TB-4 dann doch alt aussehen, was die Höhenausstattung angeht – die Umschaltung macht das unmissverständlich deutlich. Bei klar eingestelltem Amp tönt es über ihn licht, leicht knochig und ausgesprochen crisp. Was er an silbrigem Schimmer mitbringt, steht fast konträr zum Trembucker und das ist natürlich toll. Auch unter Zerrbedingungen macht das quasi-fenderisch schwer was her: Knackig und trocken im Bass, leicht hohlwangig und mit gebleckten Zähnen zubeißend – Jimi und Stevie hätten Spaß damit.

Aber die mussten sich noch mit Nebengeräuschen rumschlagen, die dem Area 67 absolut fremd sind; und trotzdem tönt er rundum authentisch. Nun sind klassische Bezüge im Metal eh allgegenwärtig und traditionell hochgerechnete Singlecoil-Sounds fügen sich nicht nur in schwedische Gefühlslagen des Progressive Gothic Suicidal Black Heavy Romantic Melodic Death Alternative Nu Metal Hardcore problemlos ein – hab ich was vergessen?

Einfach unerlässlich: Floyd-Rose-Tonverbieger (Bild: DIETER_STORK)

Das Floyd-Rose-System ist im Übrigen fast schon aufliegend montiert, lässt also nicht viel mehr als Down-Bendings zu. Ansonsten: sorgenfreies Modulieren, auch extreme Dive-Bombs sind kein Problem. Etwas lästig sind allerdings die Klappergeräusche des Vibratoarms, der auch fest aufgeschraubt zu viel Spiel hat (was sich gottlob nicht im elektrisch verstärkten Signal niederschlägt).

RESÜMEE

Mit der Henrik Danhage Limited Edition Signature Pro-Mod SoCal Style 1, von der lediglich 126 Exemplare für Europa vorgesehen sind, stellt Charvel eine höchst qualifizierte Genre-Gitarre vor. Die gradlinige Metal Machine bietet mit ihrem eher flach gestalteten Speed Neck plus sauberer Jumbo-Bundierung fraglos beste Bedingungen für die gehobene Saitenartistik, vor allem aber lassen sich mit ihrer spartanischen, aber leistungsstarken elektrischen Ausstattung tolle Sounds aufrufen.

Der Screamer Duncan TB-4 am Steg macht Druck und strotzt vor Durchsetzungsfreude, der DiMarzio Area 67 in Stegposition ist mit vitalem, schön crisp-drahtigem Singlecoil-Sound die perfekte Alternative und brummfrei noch dazu. Wie sagte Henrik so treffend: „Diese Gitarre hat alles, was ich brauche!“ Was du brauchst, musst du natürlich selbst herausfinden, aber liegst du mit unserem Protagonisten geschmacklich auf einer Ebene, solltest du die Henrik Danhage Signature unbedingt einmal in die Hand nehmen! … wenn sich denn die Möglichkeit noch bietet. Die Gitarre ist limitiert und die Nachfrage groß. Ein weiterer Run für die zweite Jahreshälfte ist jedoch im Gespräch.

PLUS

  • Schwingverhalten
  • Pickups
  • Sounds
  • Hals & Spielgefühl
  • Bundierung
  • Floyd Rose
  • Verarbeitung

MINUS

  • Vibratoarm macht Geräusche

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. 1700 Euro für eine Mexico Gitarre? Sorry Fender, das Relic sind echt gruselig aus…mit Schablone lackiert?
    Greets Jörg

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