Klassenleichtester

Test: Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo

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(Bild: Dieter Stork)

Als im November 2007 der erste Test des britischen Herstellers in unserem Magazin erschien, war nicht zu erahnen, dass nach 15 Jahren das Blackstar-Portfolio einen derartigen Umfang erreichen würde.

Blackstar konzipiert und entwickelt seine Produkte in England und lässt sie in China fertigen. Bei der neuen St.-James-Reihe hat man neben klanglichen und Ausstattungsfinessen den Fokus auch auf Mobilität gelegt. Soll heißen: Gewichtsreduktion wo möglich, aber ohne Einschränkungen von Klang, Leistung und Zuverlässigkeit. Und so präsentiert Blackstar die weltweit bislang leichtesten 50-Watt-Röhren-Amps. Drei Verstärkermodelle (Head, 1×12- und 2×12-Combo) mit EL34- und drei mit 6L6-Endröhren zählen zur Serie. Zwei 2×12-Boxen im Hochkantformat komplettieren das Angebot. Die EL34-Gehäuse kommen mit beigefarbenen, die 6L6 in schwarzen Vinylbezügen.

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WEIGHT WATCHING

Zum Test steht die EL34-Version des 1×12-Combos zur Verfügung, dessen Klangspektrum amerikanische Clean- bis britische Crunch-Sounds abdecken soll. Über die klanglichen Unterschiede der Endröhren hinaus liefern die 6L6-Modelle den gleichen Clean-Headroom, unterstützt von Blackstars High-Gain-Overdrive-Schaltkreis auch deutlich mehr Verzerrung.

Um das Gewicht der St.-James-Amps zu reduzieren, wurden modernste Technologien und spezielle Materialien bei der Konstruktion von (Schalt-)Netzteil, Lautsprecher, Ausgangstrafo, Chassis-Metallteilen und Gehäuseholz verwendet (s. auch Test in Ausgabe 07/2022). So kommt z. B. für das Gehäuse Lichtnussbaumsperrholz zum Einsatz, das für sein geringes Gewicht allerdings auch geringe Beständigkeit bekannt ist. Diese wird jedoch erhöht, indem man es zu Sperrholz verarbeitet.

Der St. James 50/EL34 sieht nicht nur wie ein traditioneller zweikanaliger Röhrenverstärker aus, er wird auch genauso bedient. Intuitiv halt. Sämtliche Regler, Schalter, Status-LEDs und der Input stehen auf der Oberseite zur Verfügung, alle weiteren Anschlüsse und zwei Minischalter auf dem rückseitig von unten zugänglichen Panel. Selbiges ist sehr umständlich zu handhaben, da man sich entweder tief herunterbücken oder den Amp aufs Gesicht legen muss um Kabel zu stecken oder die Settings der Schalter zu erkennen. Grund dafür ist, dass das identische Amp-Chassis auch im Head-Gehäuse zum Einsatz kommt.

Das tadellos verarbeitete Sperrholzgehäuse wurde mit beigem Vinyl bezogen, das von weißer Keder optisch aufgelockert wird. Eine straffe Frontbespannung schützt den speziell für Blackstar entwickelten Celestion G12Z-70 Zephyr 12-Zöller, ein Querbrett mit Streckgitter den Rückraum. Das Amp-Chassis, an dem die vier Röhren, ein Trafo und ein per Radiallüfter gekühlter, angeschraubter Stahlblechkäfig mit der Ausgangssektion nach vorne herausragen, hängt senkrecht an der verschraubten Rückwand. Oberhalb der vier Röhren sorgt auf der Oberseite ein eingelassenes Lüftungsblech für Kühlung. Das Frontlogo wird bei eingeschaltetem Amp von hinten beleuchtet und dient daher gleichzeitig als Betriebsanzeige. Auf Eckenschoner hat man verzichtet, Gummifüße garantieren sicheren Stand und der große Griff komfortablen Transport.

Im Innern präsentieren sich ein aufwendiger Platinenaufbau, wertige Bauteile und tadellose Verarbeitung. Die Demontage des Amp-Chassis entpuppt sich als recht zeitintensiv, und vor dem Zusammenbau sollten die gesteckten Kabel der Logobeleuchtung und des Lautsprechers nicht vergessen werden. Da die Röhren nach vorne ausgerichtet und nicht unmittelbar zugänglich sind, gestaltet sich ein Wechsel entsprechend umständlich.

(Bild: Dieter Stork)

RAFFINESSEN

Lässt die Bedienfläche mit den soliden Netz- & Standby-Schaltern sowie den großen Retro-Knöpfen von Volume Channel 1, Gain 2, Volume 2, Bass, Middle, Treble, Reverb und Master zunächst nichts Spektakuläres vermuten, verbergen sich dahinter einige Überraschungen. Doch der Reihe nach. Während der Power-Schalter den Combo in Betrieb nimmt, werden bei Standby Off die Lautsprecherausgänge deaktiviert und das Ausgangssignal der Röhrenendstufe auf einen reaktiven Attenuator geroutet, der den Lautsprecher und dessen Arbeitsweise ersetzt. Dies empfiehlt sich z. B. für lautlose Aufnahmen über die Lautsprecher-simulierenden CAB-Rig-Ausgänge. Dabei durchläuft das Gitarrensignal weiterhin den gesamten Verstärker vom Input bis hinter die Endstufe. Der Klang des Amps bleibt dabei erhalten, gleichzeitig verhindert ein integrierter Lastwiderstand die Gefahr von Schäden. Im gewohnten Standby-On-Modus nimmt der Speaker wieder seinen Betrieb auf, und der Attentuator wird abgeschaltet.

Da Blackstar für die 3-Band-Klangreglung zweigängige Potis verwendet, konnten die EQs an die unterschiedlichen Kanäle angepasst werden. Beim 50/EL34 besitzt der Middle-Regler eine aktive Cut/Boost-Arbeitsweise, die die Funktionen von Bass und Treble unberührt lässt. Der kleine 3-stufige Power-Schalter für den 2-Watt/50-Watt-Betrieb bewirkt in Mittelstellung – ebenfalls bei 50 Watt – ein „Sagging“ des Netzteils und damit eine Art dynamische Kompression, die bei zunehmendem Saitenanschlag deutlicher wird. Dabei wird der Headroom abgesenkt und die Ansprache weicher und vintage-mäßiger. Neben dem Kanalwahlschalter (orange LED) gibt es den Channel-2-Boost-Switch (weiße LED), der an der Eingangsstufe einen 10-dB-Clean-Boost aktiviert, der den Röhren-Preamp übersteuert. Beide Schaltfunktionen lassen sich auch mit dem zum Lieferumfang zählenden Zweifachfußschalter tätigen, der über korrespondierende LEDs und ein fest installiertes 3,80 m langes Kabel verfügt.

FS-19 Fußschalter (Bild: Dieter Stork)

Folgende Anschlüsse/Schalter stehen auf der Unterseite zur Verfügung: Netzkabel mit Sicherungsfach, H.T.-Sicherungshalterung, Speaker Outs (1×8, 2×16, 1×16 Ohm, Letzterer vom Bordlautsprecher belegt), CAB Rig Outs (XLR, Line/Phones), CAB Rig Preset Switch 1/2/3, FX Loop Send und Return, FX Loop Level (+4 dBu/- 10 dBv), Fußschalter (Channel/Boost), USB-B Audio. Die Cab Rig Section ermöglicht Kopfhörer- bzw. Line-Out-Betrieb und D.I.- Abnahme. Die drei wählbaren Speaker/Cabinet-Simulationen können über den USB-Anschluss und die Blackstar Architect Software konfiguriert werden. Etliche Kombinationen von Lautsprechergehäusen, Mikrofontyp und Position, Raummikrofon und Master EQ lassen sich bearbeiten und drei davon in die CabRig-Speicher übertragen. Zudem kann der USB-Anschluss für Aufnahmen genutzt werden, wobei der Amp als Audio Interface fungiert.

Bedienfeld (Bild: Dieter Stork)
Anschlussfeld (Bild: Dieter Stork)

US CLEAN & BRITISH CRUNCH

Nach ca. 30 Sekunden Aufwärmzeit ist der St. James 50/EL34 betriebsbereit. Anders als traditionelle Röhren-Amps, die selbst bei nicht belegtem Input in Vollbetrieb laufen, schaltet der Blackstar in einen sicheren, lautlosen Modus, sobald man den Klinkenstecker aus dem Eingang zieht. Gleichzeitig wird der Stromverbrauch reduziert. Beim Sound Design von Channel 1 haben sich die Entwickler an amerikanischen mid-60s-Blackface-Amps orientiert. Daher sind vintage-style Strat-Einspuler nicht in der Lage, bei voll aufgedrehtem Volume-1-Poti und intensivem Saitenanschlag den ECC83-Röhren Verzerrungen zu entlocken. PAF-style Humbucker schaffen dagegen einen Hauch von Anzerren. Bringt man jedoch per Master-Volume vermehrt die Endröhren ins Spiel, ist verstärkte Sättigung zu vernehmen, die ich jedoch eher als dezenten Crunch einstufen würde.

Apropos voll aufgedrehtes Master-Volume: Schon im 2-Watt-Betrieb liefert der Amp einen Lautstärkepegel, der für „normale“ Bandproben ausreichen dürfte. Mit den enormen Clean-Reserven von Kanal 1 bietet sich der St. James 50/EL34 perfekt als Plattform für Pedalboards an. Die passive 3-Band-Klangreglung – dreht man alle Regler zu, ist kein Ton mehr zu hören – zeigt ausreichende Wirkung für praxisgerechte Korrekturen. Channel 1 liefert glasklare, brillante, transparente, lebendig perlende Sounds, die von kompakten, definierten Bässen und differenzierten, geschmackvoll dosierten Mitten begleitet werden und sich durch exzellente Dynamik auszeichnen.

Kommen wir zu Kanal 2. Etwa ab der 9-Uhr-Position des Gain-Reglers dringen, abhängig vom verwendeten Pickup-Typ und der Anschlagsintensität, erste homogene Verzerrungen ans Ohr, die sich bis zur Vollaussteuerung zum fetten Crunch-Rhythmusbrett mit Lead-Ambitionen entwickeln. Die modifizierte Klangreglung gibt sich auch dank der aktiven Mitten noch effizienter als die des Clean-Kanals und gestattet umfangreiche Sound-Korrekturen.

Übrigens besitzen sämtliche Potis völlig gleichmäßige Regelbereiche und erlauben damit präzise Einstellungen. Aktiviert man den 10dB-Clean-Boost, nimmt, unabhängig vom Gain-Setting, die Lautstärke nicht wesentlich zu, dafür aber geschmackvoll und praxisnah dosiert die Verzerrung. Gleichzeitig werden untere Mitten leicht verstärkt und damit der Sound angefettet. Trotz der zunehmenden Kompression bleibt nichts von der großartigen Dynamik und dem Durchsetzungsvermögen auf der Strecke. So macht dann auch Solieren richtig Spaß. Gain und Pegel lassen sich sogar vorzüglich per Gitarren-Volume kontrollieren.

Der Digitalhall, dessen Effektpegel zugemischt wird, besitzt eine Decay Time von etwa 2,8 Sek. und klingt natürlich, luftig und dicht. Der serielle FX Loop ist im Signalweg zwischen Vor- und Endstufe angeordnet und arbeitet dank Pegelanpassung sowohl mit Pedalen als auch Rack-Equipment problemlos. An den XLR-, Line/ Phones- und USB-Ausgängen liefern die Cab-Rig-Presets authentische Lautsprecher-Sounds, die sich mit der Architect App sehr detailliert bearbeiten lassen. Beste Voraussetzungen also für Direktabnahme, Recording und Üben unterm Kopfhörer.

Blick ins Innere (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit der St.-James-Reihe ist es Blackstar wieder einmal gelungen, analoge und digitale Technologien gekonnt miteinander zu verknüpfen. Der 50/EL34-1×12-Combo liefert wunderbare, sehr musikalische Clean-, erdige Crunch- und homogene, sahnige Mid-Gain-Sounds mit sehr guter Dynamik und hohem Durchsetzungsvermögen.

Praktische, durchdachte Features findet man zuhauf: Kanalbezogenes EQing durch zweigängige Potis, kanalbezogene Endstufenabstimmung (Fender/ Marshall), fußschaltbarer 10dB-Boost in Channel 2, variable Endstufenleistung, editierbare Cab-Rig-Simulation mit XLR- und Line/ Phones-Ausgängen, USB Audio, sehr gut klingender Custom-Celestion-Zephyr-Speaker, Betrieb ohne Lautsprecher möglich, Stromsparmodus bei gezogenem Input-Klinkenstecker, intuitive Bedienbarkeit, top Verarbeitung und ein sensationelles Gewicht von gerade mal 12,85 kg – die Liste an Pluspunkten scheint endlos. Zudem findet man eine sehr ausführliche, leicht verständliche, sechssprachige Bedienungsanleitung heute nur noch selten, und dann auch noch in gedruckter Form!

PLUS

● Sounds
● Zerrcharakteristik
● Ansprache & Dynamik
● variable Endstufenleistung
● Ausstattung & Anschlüsse
● Cab-Rig-Simulationen
● Blackstar-Architect-App
● Bedienung
● geringes Gewicht
● Verarbeitung
● sehr gutes, gedrucktes (!) sechssprachiges Manual
● Preis/Leistung

MINUS

● Röhrenwechsel umständlich

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Die St. James-Serie beobachte ich schon eine Weile (genauer: seitdem ich im Music Center Dortmund einen erst entzückt angespielt, und danach mal verzückt angehoben habe). LIKE.
    Jedoch spiele ich schon +30J. Valve-Amps & so stelle ich mir bei der vorliegenden Konstruktion mit den sichtbaren SMD-Bauteilen (miniaturisierte Teile) die Frage, wie bzw. ob überhaupt man/frau den Amp reparieren kann. Besonders, zumal Defekte ja gern erst nach Jahren auftreten, wenn es die Serie ggf. nicht mehr gibt, und keine Ersatzplatinen mehr verfügbar sind…

    Und so stelle ich als G&B-Leser seit 1994 zum ersten Mal eine Frage:
    Liebe G&B-Gurus (Udo…where art thou?!), könnt ihr dazu etwas sagen?
    Natürlich interessieren mich auch Berichte & Meinungen von allen dies Lesenden! Thx!

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