Aluminisiert!

Test: Baguley Guitars Aluminium-Hälse

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(Bild: Dieter Stork)

Aluminium ist kein neues Material im Gitarrenbau: Travis Bean, Veleno und Kramer haben bereits in den 70er-Jahren vorgemacht, wie man aus Saiteninstrumenten die Extraportion Alu-Attack und -Sustain herausholt. Fast 50 Jahre später sind die Pioniere der frühen Tage verschwunden und neue Firmen treten auf den Plan. Seit letztem Jahr auch ein neuer Hersteller aus Deutschland: Baguley Guitars.

Die immer noch recht überschaubare Welt der Aluminium-Gitarren & -Bässe dreht sich heute vor allem um eine übersichtliche Anzahl kleiner Hersteller, die überwiegend in den USA zu finden sind. So auch der populärste Vertreter, die Electrical Guitar Company (die gleiche Firma wie Travis Bean Designs), die mit ihren Voll-Alu- und Alu-Hybrid-Instrumenten den Weg für viele Kleinstunternehmen geebnet hat, von denen die meisten Alu-Schraubhälse mit Fender-Halsfuß-Maßen anbieten.

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Gemeinsam hatten alle Hersteller bisher die 3L/3R- bzw. bei Basshälsen 2L/2RAnordnung der Stimmmechaniken auf den unterschiedlich gestalteten Kopfplatten, was in Kombination mit meist Tele-, Strat- oder Jazzmaster-förmigen Bodies zu wilden Stil-Mixen führt.

Dirk Baguley, der zu Beginn der Corona-Pandemie seine eigene Firma Baguley Guitars in Wilhelmshaven gegründet hat, bietet nun als erster Hersteller auch Aluminium-Hälse mit 6L- bzw. 4L-TunerAnordnung an, die perfekt zu Fender-Style-Bodies passen.

AUS DEM VOLLEN

Die Hälse von Baguley Guitars werden aus massiven Aluminium-Blöcken gefräst und sind dementsprechend unverwüstlich. Einen Halsspannstab brauchen sie nicht, auch dicke Saiten mit kräftigem Zug steckt das Material locker weg. Anders als die meisten anderen Hersteller verwendet Dirk Baguley eine 6082-Legierung für seine Hälse, die sich gut eloxieren lässt und gleichzeitig eine enorme Biegesteifigkeit bietet, wodurch sich ein extrem flaches Halsprofil realisieren lässt, ohne dass die Stabilität der Konstruktion gefährdet wird.

Der sauber gearbeitete Messingsattel (bei den Bässen kommt Graph Tech zum Einsatz) führt die Saiten mit einem optimal geraden Verlauf zu den hochwertigen Mechaniken aus dem Hause Sperzel. Durch die mittlere Aussparung in der Kopfplatte, die nicht nur als Design-Element fungiert, sondern auch Gewicht einspart und somit Kopflastigkeit vorbeugt, fehlt die Montage-Möglichkeit für einen Saitenniederhalter, weshalb die Saiten mit einem weniger steilen Winkel über den Sattel laufen, als man es von Strat, Tele & Co. gewohnt ist. In der Theorie ein Problem, das man jedoch letztendlich in der Praxis bewerten muss.

Gleiches gilt übrigens für die quasi nicht vorhandene Halskrümmung: die Baguley-Hälse sind gerade wie ein Pfeil und haben also wenig „Luft“ unter der Saite. Das kann bei gewöhnlichen Hälsen zu Bundgeräuschen führen, allerdings hat schon Alu-Pionier Travis Bean in den 70er-Jahren gezeigt, dass es auch ganz ohne Krümmung funktionieren kann.

Im Rohstadium: Gewichtsreduzierter Halsfuß mit Fender-Maßen (Bild: Dieter Stork)

In dem sauber bundierten Griffbrett sitzen 21 Bünde aus unverwüstlichem Edelstahl, bei denen auch die Bundenden akkurat verrundet wurden. Ein besonderes Merkmal sind die kaum fühlbar in das Griffbrett gefrästen Block-Inlays, die für einen sehr eigenständigen, edlen Look sorgen – es gibt die Hälse jedoch auch mit schwarzen Blocks bzw. Punkten. Der ausgefräste und somit ebenfalls gewichtsreduzierte Halsfuß besitzt exakte Fender-Maße und nimmt die vier mitgelieferten Maschinenschrauben in präzise gefrästen Gewinden auf.

Wem der auf Hochglanz polierte Look zu shiny ist, bekommt gegen einen fairen Aufpreis von € 100 auch eine sehr edle, schwarz eloxierte Version; für Spieler, die bei normalen Hälsen eher auf Matt- bzw. Natur-Finishes stehen, gibt es außerdem die Option eines gebürsteten Halses, der eine matte Oberfläche hat und sich insgesamt griffiger anfühlt.

Ins Griffbrett eingefräste Block-Inlays (Bild: Dieter Stork)

LANGER ATEM

Für den Test wurden die äußerst schlanken und am Sattel 42 mm breiten Hälse auf Squier-Jazzmaster- und Precision-Bodies montiert, wo sie beweisen, wie maßgeblich besonders der Hals für die Klangbildung verantwortlich ist. Beide Instrumente klingen deutlich anders, als man es von normalen Holz-Gitarren und -Bässen gewohnt ist. Schon akustisch ist der Sound extrem offen und bissig. Sowohl Singlenotes als auch Akkorde modulieren leicht wie bei einem dezenten Chorus, was dem Ton eine ganz eigene Lebendigkeit verleiht, die man so von keinem Holzinstrument kennt.

Auch das Sustain ist auffällig lang und bis in die hohen Lagen singt jede Note mit besonders langem Atem. Auch am Verstärker ist der eigene Charakter der Hälse nicht zu überhören, wobei offener abgestimmte Tonabnehmer den Alu-Vibe tendenziell am besten einfangen. Clean-Sounds kommen mit selten gehörter Auflösung und Klarheit aus den Lautsprechern während Crunch-Einstellungen einen schmatzigen Biss bereithalten, der sich in jedem Mix durchsetzt.

Im High-Gain-Bereich kippen die Töne kontrolliert und geschmeidig in nahezu endloses Feedback und können, je nach Pedal und Amp, zu heftigen Rhythmus-Brettern oder elegant smoothen Solo-Sounds geformt werden – man ist durch das Aluminium also keinesfalls eingeschränkt in seiner Sound-Gestaltung.

Die Saitenlage lässt sich problemlos angenehm niedrig einstellen und überraschenderweise gibt es trotz des extrem geraden Halses kaum Probleme mit Bundgeräuschen in den tiefen Lagen. Auch im Sattel bilden sich trotz des flachen Saitenverlaufs zu den Mechaniken keine Störgeräusche, weshalb man den Hälsen durchaus ein unproblematisches Handling bescheinigen kann. Sogar die zu befürchtende Kopflastigkeit bleibt mit einem brauchbaren Gurt aus, und mit einem Gesamtgewicht von 4,3 kg (Jazzmaster) bzw. 4,5 kg (Precision Bass) bewegen sich die Instrumente trotz der tendenziell schwereren Hälse noch in einem tolerablen Rahmen.

RESÜMEE

Schön, dass es nun auch aus Deutschland Aluminium-Hälse gibt, die qualitativ durchaus auf internationalem Niveau spielen. Der Grundpreis von € 649/679 (inkl. Mechaniken) scheint für einen Hals zwar hoch, ist im Vergleich zur Konkurrenz jedoch sogar als eher günstig zu bewerten. Wer das Aluminium-Abenteuer wagen will und schon lange nach einer Lösung mit einer Fender-kompatibleren Kopfplatte gesucht hat, ist hier genau richtig!

PLUS

● Verarbeitung
● Mechaniken
● eigener Sound
● Handling


ALU & FACEBOOK

Wer noch tiefer in die Aluminium-Gitarren-Thematik abtauchen und sich einen Überblick verschaffen will, dem sei die Facebook-Gruppe ‚Aluminum Axes‘ ans Herz gelegt. Hier befinden sich über 4000 Mitglieder im regen Austausch und beantworten jede nur erdenkliche Frage zum Thema.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Aluminium-Gitarrenhälse nun „endlich“ auch aus Germany? Da frage ich mich doch ernsthaft,weshalb sich die alten Kramer Alu-Hälse aus den U.S.A. bis heute überhaupt nicht auf dem Markt etablieren konnten?

    Liegt es vordergründig daran,daß das Spielgefühl dieser besagten Aluminium-Gitarrenhälse suboptimal ist? Etliche Gitarristen meinen dazu,daß das Griffgefühl dieser Hälse sehr unangenehm kalt ist,daß sie obendrein optisch nicht so schön ausschauen,desweiteren relativ teuer sind,und die völlig geradlinigen Metallhälse ohne jede Halskrümmung mitunter ein nerviges Saitenschnarren auf den Bundstäben verursachen.

    Dies scheinen genügend Argumente zu sein,daß sich pure Alu-Hälse global gesehen,bis dato nicht durchsetzen konnten.

    Damalige Kramer Alu-Hälse waren bisweilen auch nicht immer durchgängig aus diesem Weichmetall gefertigt,sondern teilweise noch mit dünnen Holzstreifen auf der Rückseite integriert worden,was das Spielgefühl vermutlich nicht sonderlich beeinflusste.

    Fakt ist,daß die Aluminium-Gitarrenhälse seit Anbeginn ihrer Einführung bis heute unter Gitarristen/-innen kaum gefragt sind,und deshalb wohl auch zukünftig eher zu den „Exoten“ zählen dürften.
    Pures Holz scheint für einen optimalen Gitarrenhals daher (nach wie vor) die erste Wahl zu sein.
    Es gibt eben Dinge,die lassen sich so einfach nicht durch andere Materialien ersetzen!

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    1. Lieber Haseppio, ich spiele regelmässig einen Kramer Bass mit Aluhals aus dem Jahre 1976. Ich spiele dieses Instrument sehr gerne. Der Hals hat die typische Fender-Krümmung, ist schön schlank und lässt sich sehr leicht und schnell bespielen, das Sustain ist fantastisch. Da sich das Alu bei Erwärmung/Abkühlung anders verhält als Holz, wird die Stimmung bei Erwärmung höher, bei Abkühlung tiefer (bei einem Hals aus Holz ist es umgekehrt). Der Bass ist nicht annähernd Kopflastig (bei späteren Kramer Modellen hat sich das geändert). Das eigentliche Handicap ist sein Gewicht: 5,6 Kg!

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  2. Hallo Haseppio,
    in aller Kürze kann ich Dir sagen, dass zwischen dem Spielgefühl eines VollAlu-Halses von Travis Bean und den mit Holzstreifen versehenen Kramer-Hälsen ein deutlicher Unterschied besteht. Will sagen, dass sich Erstere kalt und unangenehm anfühlen, die Kramer-Hälse dagegen aber durchaus vertretbar sind.

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  3. Für viele wird das höhere Gewicht ein Ausschlußkriterium sein. Ich denke, Alu-Hälse würden erst dann für den Mainstream interessant, wenn man einen regelbaren Heizstab einbauen würde. Die Möglichkeit im schlecht geheizten Proberaum komfortabel zu spielen, oder die Freiluftsaison zu verlängern könnte ein Kaufanreiz sein. Auch Player mit chronisch kalten Fingern könnten profitieren.

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  4. Na ja, Hälse aus Aluminium hat es schon mindestens 1958 gegeben und zwar bis ca. 1969 von dem italienischen Hersteller Wandré! Die wurden aus einem hohlen D-Profil gemacht und waren sehr, sehr viel leichter! Die haben sich bis heute nicht verzogen.

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  5. Wer einmal diese Alu Hälse getestet hat wird begeistert sein! OK mag sein das sie sich kalt anfühlen, aber ein “zu Tode lackierte Hals” ist auch nicht viel Wärmer im ersten Moment oder Komfortabler, es sei denn man mattiert sie mit 500/1000 Schleifpapier. Aber das geht ja auch mit dem Alu. Das Temperaturgefühl ist relativ – das Hirn macht da wohl die Grenze.
    Seit Jahren spiele ich Alu-Hälse oder auch Holz und auf der Bühne und empfinde da keinen Unterschied in Bespielbarkeit. Auch der fehlende leichte Bogen ist unter Verstärkung kein Problem, ja trocken ohne alles mag es schräg klingen – aber mit Verstärkung fällt das nicht mehr auf – da ist eher dieses MEGA Sustain ein doppel Plus !
    Ich spiele auch Klampfen mit Alu und Stahl Bodys und das sind Welten gegenüber Holzbodys – der Ton sackt einfach nicht ab – und er klingt wollig warm und so gar nicht nach Metal – weil es einfach die Frequenzen besser überträgt als Holz – das ist nun mal Fakt! Elektro Gitarren aus Holz sind kein Muss! Sondern nur der Einfachheit der Bearbeitung geschuldet. Jegliche Art von Metal ist in der Übertragung der Schwingungen wesentlich besser als Holz. Die verschiedenen Arten des Metals Baustahl/Edelstahl/Aluminium erzeugen auch eine eigene Struktur des Sounds – Verhalten der Bässe – Mitten und Höhen – oder die Kombination mit Stahl Korpus – Holz Hals oder vsv. interesannt weil gutes Holz immer teuerer und seltener wird. Und bevor ich eine Plastik Klampfe spiele – bevorzuge ich doch lieber ein instrument das swingt!

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