Eine der besten Low-Tuning-Gitarren, die der Markt derzeit zu bieten hat

Schwer im Stimmungstief: LTD XJ-1 HT Baritone im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Lange fristete sie ein Schattendasein, aber schon seit einiger Zeit kommt sie langsam, aber sicher zurück: die Jazzmaster-Form. LTD hat mit der XJ-1HT nun auch wieder eine solche Offset-Form im Programm. Mit einer klassischen Jazzmaster hat dieses Modell jedoch so rein gar nichts zu tun.

Juli 2024: Die Olympischen Spiele in Paris stehen bevor. Im Vorfeld sorgten nicht nur die übel riechende und extrem verschmutzte Seine bei den Schwimmerinnen und Schwimmern für Aufsehen, sondern auch die Ankündigung, dass die französische Metal-Band Gojira im Rahmen der Eröffnungsfeier einen neuen Song darbieten wird. Was folgte, war ein Spektakel der Extraklasse.

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Ein Detail dürfte interessierten Gitarristinnen und Gitarristen dabei nicht entgangen sein: Nach einer gefühlten Ewigkeit als Jackson- und Charvel-Endorser war Sänger und Gitarrist Joe Duplantier erstmals mit einer Gitarre von ESP zu sehen – einer verspiegelten XJ-1.

Damit leite ich über zu unserer Testgitarre, ebenfalls einer XJ-1, hier mit H(ard)T(ail)-Bridge und überlanger Baritone-Mensur.

BLEISCHWER

Schon beim Anheben des Kartons bin ich maximal irritiert. Hat mir der LTD-Vertrieb etwa zwei Gitarren geschickt? Die Antwort folgt auf dem Fuß: Nein, diese Gitarre ist einfach bleischwer. So etwas habe ich bei einer serienproduzierten Gitarre selten erlebt. Unerbittliche 4,7 kg zeigt die Waage an. Dafür dürfte in erster Linie der massive Korpus aus sandgestrahlter Esche verantwortlich sein. Die Oberfläche ist stark bearbeitet, sodass die Maserung des Holzes deutlich ertastbar ist. Ich persönlich finde das etwas zu viel des Guten, aber das ist natürlich reine Geschmackssache. Die Silver-Blast-Lackierung erinnert stark an Fenders Silverburst und ist gleichmäßig dünn aufgetragen.

Die extradicken Saiten laufen über eine 27″-Mensur über den mit vier Schrauben befestigten, gerösteten Ahornhals (dreiteilig), der ebenfalls mit einer hauchdünnen, seidenmatten Lackierung versiegelt wurde und in einer abgewinkelten Reverse-Kopfplatte endet. Auf der rechten Seite wurden sechs sauber arbeitende Locking-Mechaniken aus eigener Produktion montiert.

(Bild: Dieter Stork)

Passend zur überlangen Mensur wurde die XJ-1 HT im B-Tuning ausgeliefert, also im Grunde wie eine Siebensaiter ohne hohe E-Saite. In das dunkelbraune Macassar-Ebenholz-Griffbrett sind 24 spiegelblank polierte Edelstahlbünde eingelassen, die allesamt einen tadellosen Eindruck machen. Als kleine Hommage an die originale Jazzmaster wurden große, rechteckige Perloid-Inlays in das Griffbrett eingelassen, die dem Instrument einen Hauch von Vintage-Flair verleihen.

Ganz anders präsentiert sich die Korpusseite der XJ-1 HT: Anstelle von zwei großen Tonabnehmern mit aufwendiger Elektronik kommt hier lediglich ein einzelner Fluence-Modern-Humbucker von Fishman sowie ein Volume-Poti mit Push/Pull-Option zum Einsatz. Damit hat man die Möglichkeit, zwischen Voicing 1 und Voicing 3, also dem Single-Coil-Voicing, zu wählen. Auch die Saitenaufhängung wurde denkbar simpel gehalten. Hier fiel die Wahl auf die klassische Hipshot-Hardtail-Bridge, die inzwischen eine Art Goldstandard für diese Art von Brücken ist. Passend zum Finish der Gitarre ist die Hardware matt schwarz beschichtet, während beim Tonabnehmer eine silberne Kappe gewählt wurde.

(Bild: Dieter Stork)

Das große, einlagige Schlagbrett trägt die gesamte Elektronik, sodass kein rückwärtiges E-Fach nötig ist. Leider wurde eine Schraube am Pickguard vergessen und die Passgenauigkeit des Kunststoffs könnte besser sein. Lediglich zur Unterbringung der 9-Volt-Batterie wurde auf der Rückseite ein kleines Batteriefach verbaut. Interessant ist, dass für die beiden Schrauben des Fachs kleine Messing-Gewinde ins Holz eingelassen wurden, sodass die Löcher auch nach häufigem Öffnen nicht ausleiern. Ein kleines, aber durchaus schlaues Detail, wie ich finde. Rein handwerklich macht die LTD XJ-1 HT einen guten Eindruck. Lediglich die finale Inspektion vor der Auslieferung, siehe Schlagbrett, hätte ich mir etwas gründlicher gewünscht.

Besaitet ist das Instrument übrigens mit einem Satz D’Addario 13-62, was für dieses Tuning absolut passend ist.

LOW & HEAVY

Bevor wir über den Klang sprechen, muss ich noch einmal auf das brachiale Gewicht zu sprechen kommen. Im Sitzen gespielt, ist unsere Testgitarre erstaunlich gut zu handhaben. Erst, wenn man sie am Gurt trägt, werden die 4,7 kg deutlich spürbar. An meinem dünnen Nylon-Gurt zerrt das Instrument schon gewaltig an der Schulter. Ich kann mir vorstellen, dass dies für manche Gitarristinnen und Gitarristen ein Dealbreaker sein könnte. Interessant ist, dass die überlange Mensur aufgrund der Korpusform und des relativ schlanken Halses gar nicht so sehr ins Gewicht fällt. Im direkten Vergleich fühlt sich meine Fender-Blacktop-Telecaster mit ebenfalls 27″-Mensur länger an, was natürlich auf Kosten der Spielbarkeit geht. Das in den meisten LTD-Modelllinien verbreitete „Thin U“-Profil des Halses empfinde ich als angenehm unauffällig.

Klang, Alternativen und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

Akustisch gespielt haut mich die LTD XJ-1 HT auf Anhieb ziemlich vom Hocker: Was für eine tiefe H-Saite! Der Ton ist unheimlich definiert, in den Bässen glasklar umrissen und hat genau die richtige Portion Attack, die eine 62er-Saite knackig ansprechen lässt. Volle Punktzahl, mehr geht nicht. Aber auch sonst klingt diese Gitarre absolut hervorragend. Über alle Lagen hinweg ist ein lauter, schnell ansprechender und gleichmäßig ausklingender Ton zu hören, den ich nur als ausgewogen bezeichnen kann. Also ab an den Testverstärker damit … und nichts. Ernüchterung macht sich breit. Möglicherweise ist der Tonabnehmer defekt? Ein Blick in das kleine Batteriefach sorgt für Aufklärung: Hier wurde schlichtweg die Batterie vergessen, was bei einem so hochpreisigen Instrument nicht passieren sollte. Das ist ärgerlich, aber zum Glück schnell behoben.

(Bild: Dieter Stork)

Vor allem das Voicing 3 des Fishman-Fluence-Modern-Humbuckers im Clean-Kanal überzeugt absolut positiv. Der Sound mag Vintage-Strat-Experten nicht begeistern, ist für den cleanen Betrieb aber eine tolle Alternative zu dem mittig geprägten und deutlich lauteren Voicing 1. In Voicing 3 werden die Mitten deutlich gezügelt, sodass Platz für angenehm weiche, glasige Höhen entsteht. Dass sich diese Gitarre weniger an Puristen, Blueser und Classic-Rock-Fans richtet, dürfte schon allein durch das Konzept deutlich werden – dieses Spielfeld wird schließlich auch von anderen Gitarren großartig bespielt.

Also schnell in den High-Gain-Betrieb gewechselt und siehe da: Hier bestätigt sich mein anfangs geschilderter Eindruck der tiefen H-Saite abermals. Die Kombination aus der gewaltigen Masse des Holzes und dem aktiven Fishman-Humbucker lässt es so richtig krachen. Powerchords auf den tiefen Saiten haben eine schier unglaubliche Durchschlagskraft und fangen in den Bässen nie an zu schwimmen. Selbst bei einem tiefen A, also der tiefsten Saite, die noch einmal zwei Halbtöne nach unten gestimmt ist, habe ich das Gefühl, dass einem der Ton förmlich am Plektrum klebt. Für dieses Gefühl der Präzision ist unter anderem die berühmtberüchtigte Nase in den oberen Mitten verantwortlich, die das Attack der XJ-1 HT gewaltig in den Vordergrund rückt. Interessant finde ich auch, dass diese Gitarre mit nahezu jeder Art von Distortion-Pedal wunderbar zurechtkommt. Egal, ob moderne High-Gain-Sounds, fieses Boss-HM2-Death-Metal-Gewitter oder dreckige Stoner-Fuzz-Klänge – die Gitarre kommt mit jedem dieser extremen Anwendungsbereiche bestens zurecht und behält immer eine klare Tondefinition. Im Bereich extremer Musik mit sehr viel Verzerrung kann ich mir zumindest kaum eine bessere Grundvoraussetzung vorstellen.

(Bild: Dieter Stork)

ALTERNATIVEN

Schauen wir uns doch einmal an, was der Markt an Offset-Baritone-Gitarren bereithält. Und siehe da: Die Auswahl ist sehr begrenzt. Mit der XJ-1 HT All Black gibt es zwar ein fast identisches Schwestermodell, jedoch leider nur mit regulärer 25,5″-Mensur. Also weiter suchen. Meine erste Idee wäre die Squier Baritone Jazzmaster aus der Vintage-Modified-Serie, doch leider wurde sie aus dem Programm genommen und ist nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden. Wenn einem vor allem das Single-Pickup-Layout und die lange Mensur wichtig sind, könnte man auch die LTD SN-1 Baritone oder die deutlich günstigere M-201 Baritone in Erwägung ziehen. Ansonsten ist unsere Testgitarre derzeit weitgehend alternativlos, vor allem, wenn es um die Kombination aus Jazzmaster-Style-Form und langer Baritone-Mensur geht.

RESÜMEE

Als absoluter Fan schwerer Gitarren war ich zunächst ein wenig irritiert. Knapp 5 kg sind schon eine Ansage und ich verstehe jeden, der sich diesen orthopädischen Albtraum nicht antun möchte. Wer aber auf seine stabile Rückenmuskulatur vertraut, wird mit einem Instrument belohnt, das trotz seiner überaus simplen Konstruktion faustdick hinter den Ohren hat. Selten hatte ich eine Gitarre in der Hand, die ein tiefes H mit solch einer Klarheit abgebildet hat wie die LTD XJ-1 HT. Der druckvolle und doch hochgradig präzise Klang der Gitarre bringt alles mit, was sich Fans tiefer Tunings und fetter Heavy-Sounds wünschen. Abgesehen vom hohen Gewicht und der etwas schludrigen Endkontrolle bekommt man hier eine der besten Low-Tuning-Gitarren, die der Markt derzeit zu bieten hat.

Plus

● lange Mensur
● Spielbarkeit (mit Einschränkungen)
● moderne Metal-Sounds
● Tonabnehmer
● Optik

Minus

● Endkontrolle
● hohes Gewicht
● kein Gigbag/Softcase


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

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