Eine der besten Low-Tuning-Gitarren, die der Markt derzeit zu bieten hat
Schwer im Stimmungstief: LTD XJ-1 HT Baritone im Test
von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Dieter Stork)
Akustisch gespielt haut mich die LTD XJ-1 HT auf Anhieb ziemlich vom Hocker: Was für eine tiefe H-Saite! Der Ton ist unheimlich definiert, in den Bässen glasklar umrissen und hat genau die richtige Portion Attack, die eine 62er-Saite knackig ansprechen lässt. Volle Punktzahl, mehr geht nicht. Aber auch sonst klingt diese Gitarre absolut hervorragend. Über alle Lagen hinweg ist ein lauter, schnell ansprechender und gleichmäßig ausklingender Ton zu hören, den ich nur als ausgewogen bezeichnen kann. Also ab an den Testverstärker damit … und nichts. Ernüchterung macht sich breit. Möglicherweise ist der Tonabnehmer defekt? Ein Blick in das kleine Batteriefach sorgt für Aufklärung: Hier wurde schlichtweg die Batterie vergessen, was bei einem so hochpreisigen Instrument nicht passieren sollte. Das ist ärgerlich, aber zum Glück schnell behoben.
(Bild: Dieter Stork)
Vor allem das Voicing 3 des Fishman-Fluence-Modern-Humbuckers im Clean-Kanal überzeugt absolut positiv. Der Sound mag Vintage-Strat-Experten nicht begeistern, ist für den cleanen Betrieb aber eine tolle Alternative zu dem mittig geprägten und deutlich lauteren Voicing 1. In Voicing 3 werden die Mitten deutlich gezügelt, sodass Platz für angenehm weiche, glasige Höhen entsteht. Dass sich diese Gitarre weniger an Puristen, Blueser und Classic-Rock-Fans richtet, dürfte schon allein durch das Konzept deutlich werden – dieses Spielfeld wird schließlich auch von anderen Gitarren großartig bespielt.
Also schnell in den High-Gain-Betrieb gewechselt und siehe da: Hier bestätigt sich mein anfangs geschilderter Eindruck der tiefen H-Saite abermals. Die Kombination aus der gewaltigen Masse des Holzes und dem aktiven Fishman-Humbucker lässt es so richtig krachen. Powerchords auf den tiefen Saiten haben eine schier unglaubliche Durchschlagskraft und fangen in den Bässen nie an zu schwimmen. Selbst bei einem tiefen A, also der tiefsten Saite, die noch einmal zwei Halbtöne nach unten gestimmt ist, habe ich das Gefühl, dass einem der Ton förmlich am Plektrum klebt. Für dieses Gefühl der Präzision ist unter anderem die berühmtberüchtigte Nase in den oberen Mitten verantwortlich, die das Attack der XJ-1 HT gewaltig in den Vordergrund rückt. Interessant finde ich auch, dass diese Gitarre mit nahezu jeder Art von Distortion-Pedal wunderbar zurechtkommt. Egal, ob moderne High-Gain-Sounds, fieses Boss-HM2-Death-Metal-Gewitter oder dreckige Stoner-Fuzz-Klänge – die Gitarre kommt mit jedem dieser extremen Anwendungsbereiche bestens zurecht und behält immer eine klare Tondefinition. Im Bereich extremer Musik mit sehr viel Verzerrung kann ich mir zumindest kaum eine bessere Grundvoraussetzung vorstellen.
(Bild: Dieter Stork)
ALTERNATIVEN
Schauen wir uns doch einmal an, was der Markt an Offset-Baritone-Gitarren bereithält. Und siehe da: Die Auswahl ist sehr begrenzt. Mit der XJ-1 HT All Black gibt es zwar ein fast identisches Schwestermodell, jedoch leider nur mit regulärer 25,5″-Mensur. Also weiter suchen. Meine erste Idee wäre die Squier Baritone Jazzmaster aus der Vintage-Modified-Serie, doch leider wurde sie aus dem Programm genommen und ist nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden. Wenn einem vor allem das Single-Pickup-Layout und die lange Mensur wichtig sind, könnte man auch die LTD SN-1 Baritone oder die deutlich günstigere M-201 Baritone in Erwägung ziehen. Ansonsten ist unsere Testgitarre derzeit weitgehend alternativlos, vor allem, wenn es um die Kombination aus Jazzmaster-Style-Form und langer Baritone-Mensur geht.
RESÜMEE
Als absoluter Fan schwerer Gitarren war ich zunächst ein wenig irritiert. Knapp 5 kg sind schon eine Ansage und ich verstehe jeden, der sich diesen orthopädischen Albtraum nicht antun möchte. Wer aber auf seine stabile Rückenmuskulatur vertraut, wird mit einem Instrument belohnt, das trotz seiner überaus simplen Konstruktion faustdick hinter den Ohren hat. Selten hatte ich eine Gitarre in der Hand, die ein tiefes H mit solch einer Klarheit abgebildet hat wie die LTD XJ-1 HT. Der druckvolle und doch hochgradig präzise Klang der Gitarre bringt alles mit, was sich Fans tiefer Tunings und fetter Heavy-Sounds wünschen. Abgesehen vom hohen Gewicht und der etwas schludrigen Endkontrolle bekommt man hier eine der besten Low-Tuning-Gitarren, die der Markt derzeit zu bieten hat.
Plus
● lange Mensur
● Spielbarkeit (mit Einschränkungen)
● moderne Metal-Sounds
● Tonabnehmer
● Optik
Minus
● Endkontrolle
● hohes Gewicht
● kein Gigbag/Softcase

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)
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