Naturburschen

Ruokangas Unicorn Supersonic im Test

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Zwei Versionen des neuen Unicorn- Supersonic-Designs von Finnlands Meister-Luthier Juha Ruokangas treten in diesem Testlauf gegeneinander an. Schlicht und gradlinig kommen sie daher. Ob das auch für ihren Sound zutrifft?

(Bild: Dieter Stork)

Klassiker sind Trumpf! Um diese Erkenntnis kommen Gitarrenbauer schlecht herum. Nur wenigen gelingt es, sich allein mit originären eigenen Designs durchzusetzen. Erstaunlich ist aber, wie auch im Rahmen gesetzter Formgebung immer wieder neue interessante Auslegungen gefunden werden.

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Rohes Holz – innere Werte

Von Juha Ruokangas kennen wir perfekte Gitarren in hochglänzender Optik. Beim Design der Unicorn Supersonic geht er, was die mit „Bare Bone“ deklarierten Oberflächen angeht, eher rustikalere Wege. Die offenporig matte Versiegelung hat Juha als Alternative zu den beliebten Relic Finishes erdacht, deren Popularität er in der unempfindlichen Handhabung sieht. Juha: „If you’re not on your toes with the guitar … you are more relaxed – and if you are more relaxed, you play better!“

In formaler Hinsicht gehört dieses Modell natürlich zur großen Les-Paul-Familie, verfügt aber über hinreichende Eigenständigkeit, um eine unverwechselbare Position einzunehmen. „Redesigning the roots“ nennt Juha seine Methode der Neuauslegung bewährter Strukturen, die in dem Unicorn-Classic-Modell bereits zu einer bemerkenswert schlagkräftigen Variation der Les Paul Standard führte. Nun hat er sich der schlichteren Bauweise zugewandt, wie sie die LP Special oder LP Junior repräsentieren.

Die Zwillingsinstrumente sind genetisch vom gleichen Stamm, unterscheiden sich aber in der Ausstattung. Gemeinsam ist ihnen ein flacher Korpus aus Spanish Cedar (Cedro) ohne Konturen, aber mit guter Kantenverrundung und der in Höhe des 16. Bundes eingeleimte Hals aus Cedro mit angesetzter Kopfplatte inklusive des markanten Konturschnitts mit erhabener Innenfläche, die von einem Ebenholzfurnier abgedeckt ist. Bei beiden finden wir auch Openback SE700 Tuner von Gotoh und den unverschlossenen Zugang zum Stellstab hinter einem Sattel aus fein bearbeitetem Elchknochen. Der Korpus der Unicorn Supersonic kommt grundsätzlich auf eine Plattenstärke von rund 4,5 cm. Den Unterschied bei den vorgelegten Modellversionen macht die „bookmatched“ gefügte Decke aus arktischer Birke auf eine einteilige Korpusbasis aus Cedro bei der ‚Suntan‘-Version, im Gegensatz zum ‚Ruby Red‘-Schwesterinstrument, das einen mittig gefügten Korpus aus Spanish Cedar pur besitzt.

Die ebenfalls unterschiedlich ausgelegten Hälse – Big-C-Profil bei der roten P- 90-Ausführung; Boat ’59 bei der braunen Humbucker-Version – sind jeweils mit einem Griffbrett aus Palisander ausgestattet, das 22 höchst sauber verarbeiteten, glanzpolierten Stainless-Steel-Bünden Platz bietet: Low Jumbo bei der Suntan- Version; Standard Jumbo bei der Ruby-Red-Version. Clay Dots markieren die Lagen.

Eingehängt am Korpus sind die Saiten bei beiden Instrumenten in eine ABM 3024 Wrap-around-Bridge aus Aluminium mit einzeln justierbaren Saitenreitern. Die ruht auf Schroeder Locking Studs, welche per durch den Korpus geführte Gewindebuchsen (Lock Through Body Bushings) gegen Verzug oder Neigung stabilisiert sind – ein Schaden durch Saitenzug, der bei Juniors oder Specials immer wieder zu beobachten ist.

Wesentlich unterscheiden sich die Modellversionen in der elektrischen Ausstattung. Die Ruby Red verfügt über zwei P- 90-Pickups von Häussel, die Suntan tritt mit einer Konfiguration aus P-90 am Hals und „hot voiced“ Humbucker am Steg an, ebenfalls von Harry Häussel gewickelt. Die Soapbar Pickups sind direkt in ihre Korpusfräsungen geschraubt, der Humbucker ist in einem Rahmen aus Stahl aufgehängt, welcher, wie bei einer Telecaster, das magnetische Feld beeinflusst, was den Sound „twangier“ machen soll. Auffällig ist bei beiden Probanden die Ausrichtung aller Polschrauben der Pickups an die der Griffbrettwölbung angepassten unterschiedlichen Saitenhöhen. Beide Gitarren werden mit individuellen Volume- und Tone-Reglern gesteuert, ein auf den Zargenkopf oben gesetzter 3-Wege Toggle Switch schaltet die Pickups allein oder zusammen – die traditionelle Auslegung also. Der Blick ins mit Kupferfolie isolierte Elektrofach zeigt saubere Verarbeitung an hochwertigen Komponenten (MEC 500K Potis). Bleibt noch das kleine cremefarbene Pickguard zu nennen. Geliefert werden die in detailgenauer Perfektion gefertigten Gitarren mit beiliegendem Zertifikat in einem robusten Hartschalenkoffer.

Ruokangas Kopfplatten mit Konturschnitt (Bild: Dieter Stork)

Verschiedene Halsprofile – differierende Elektrik

Die Unicorn Supersonic fragt tatsächlich nicht als Erstes: Hast du dir auch die Hände gewaschen? Sie vermittelt einen robusten, aber auch angenehm griffigen Eindruck, der absolut sympathisch rüberkommt. Beide Hals-Shapings gefallen bei annähernd identischer Sattelbreite von 43 mm sofort mit ihren handfreundlichen Ausformungen: Das Big-C-Profil der Ruby Red fängt am Sattel deutlich flacher an und nimmt aufsteigend nicht sehr stark zu, während das Boat-’59-Profil der Suntan genau jenes satt rundliche Profil anbietet, das der Name verspricht. Rubys Jumbo-Bundierung lässt Bendings wie gebuttert gleiten, die Low Jumbo Frets der Suntan greifen sich dafür etwas geschmeidiger.

Das fühlt natürlich jede Hand anders und bei Ruokangas stehen grundsätzlich verschiedene Halsprofile und Bundstärken zur freien Wahl. Vom Klang her sind die Supersonics beide von schwingintensiv sonorem Ausdruck und ungemein sauberer Saitentrennung gekennzeichnet. Das Ruby-Red-Modell tönt vielleicht etwas offener, die Suntan dafür definierter, aber das sind nur graduelle Differenzen.

(Bild: Dieter Stork)

Das Modell mit Humbucker erweist sich am Verstärker als das etwas wendigere, was zu erwarten war. Der starke Hot- Humbucker von Häussel in seinem Stahlrahmen stellt einen gradlinigen und schlagkräftig aus der Mitte drückenden Sound heraus, der in Sachen Clean mit leicht nasalen Höhen noch recht operabel ist, aber besonders im Overdrive mit Stringenz, starker Obertonentfaltung und Standfestigkeit zu seinen besonderen Stärken findet. Leichte Ansprache, knackige Bässe, fokussierter Ton mit saftigem Mittenschub, dazu beste Artikulationsmöglichkeiten mit dem Plektrum – das ist absolut beeindruckend. Und dem steht der kernig, holzig und crisp übertragende P-90-Soapbar-Pickup am Hals kaum nach. Von samtig abrollenden Akkorden bis hin zu knurrendem Rock-Brett haucht er höchst charaktervollen Sounds Leben ein, blendend aufgelöst und von plastischer Anmutung. Immer ist da Luft im Spiel, eine pulsierende Kraft, die den Spieler trägt und anschiebt. Die Kombination dieser beiden Pickups gibt uns sozusagen das Beste aus beiden Welten an die Hand.

Die Ruby-Red-Variante kann mit ihren P-90-Soapbar-Pickups ebenfalls voll überzeugen. Der Klangeindruck erscheint insgesamt geschlossener, vielleicht in bestem Sinne auch konventioneller. Ihr elektrisches Potential orientiert sich natürlich auch eher an den historischen Vorbildern. Hervorzuheben ist zunächst besonders das großartige Dynamikverhalten der Gitarre. Über den Hals-Pickup gespielt lassen sich je nach Anschlagstärke vor allem im Overdrive Linien und Akkorde von leichter Körnigkeit bis hin zum dichten Zerrbrett leichtfüßig umsetzen und das mit höchster Präzision und Gleichmäßigkeit in allen Griffbrettpositionen. Gehaltene Akkorde klaren im Abschwingen wunderbar harmonisch auf, Linien profitieren von der starken Kontur der Darstellung.

(Bild: Dieter Stork)

Schalten wir auf den P-90 in Stegposition, so spitzt sich der Klang selbstredend zu, lässt aber unangenehme Spitzen gänzlich vermissen. Ansprache, Definition und Präsenz sind von bestechender Qualität und auch klangfarblich bleiben keine Wünsche offen. Das lässt im Klarklangmodus des Verstärkers vom Holz geprägte Sounds kraftvoll aufleuchten und bei Zerre springen uns die Noten nach markant akzentuiertem Anschlag nur so aus der Hand – das hat Stil, das hat Klasse, ein Charakterton par excellence! Abschließend kann man die optimale Schwingungsübertragung bei beiden Gitarren nur loben. Die Stegkonstruktion mit den durch den Korpus geführten Gewindehülsen scheint neben dem zusätzlichen Gewinn an Stabilität auch dem Klang zugute zu kommen.

Alternativen

Will man nicht gleich zu den originalen Gibson-Designs LP Junior und LP Special greifen – die zu Recht begehrten, von 1954 bis 1961 gefertigten Modelle, sind allerdings so selten wie teuer – so findet man in den unterschiedlichsten Preiskategorien eine ganze Reihe von Modellvariationen, die sich mehr oder weniger eng an das historische Vorbildmodell anlehnen. Im vergleichbaren High-End-Rahmen kann man an Nik Hubers ‚Krautster‘- Modellen nicht vorbeischauen, aber auch das Modell ‚Laguz – The Junior’ von Soultool, Frank Hartungs Junico, ‚The Rocker‘ von Jozsi Lak oder die ‚Basic‘-Reihe von Helliver könnten für die Fans dieser gradlinig einfach konstruierten Modelle von Interesse sein.

Resümee

Ruokangas Unicorn-Supersonic-Design folgt den Ideen seines Erfinders auf die ihm eigene Weise: Cedro für Hals und Korpus hatte er zuvor schon als tonbildendes Rückgrat für seine Gitarren entdeckt, die sozusagen vor der Haustür wachsende Arktische Birke als Deckenholz ebenfalls und sein optisch eher konservativer Stil drückt sich nicht zuletzt auch in der Relief-Kopfplatte aus. Was dem finnischen Gitarrenbauer aber wieder einmal gelingt, ist die souveräne Tonschöpfung, angelehnt an klassische Bilder, vorangedacht mit der ihm eigenen Präzisionsversessenheit. Schön, den direkten Vergleich zu haben, in dem zwar die Differenzen in Halsform und elektrischer Auslegung zu unterschiedlichen Betonungen führen, indes: die gemeinsame Herznote, unterbaut von großartigem Schwing- und Dynamikverhalten, bleibt ein unüberhörbarer Charakterzug der Unicorn Supersonics. Jede Hand fragt nach einem anderen Hals, klar, und Ruokangas gibt auch sowieso jedem Spieler den seinen, verblüffend aber, wie selbstverständlich sich diese unterschiedlichen Profile trotz der rustikalen ‚Bare Bone‘- Lackierung und differierenden Bundierungen anfühlen. Tja, Juha Ruokangas weiß eben wie es geht: High-End-Gitarrenbau aus Finnland!

Plus

  • klassisch modernes Design
  • tolles Schwingverhalten
  • starke Pickups
  • profunde Sounds
  • hervorragend austarierte Halsprofile
  • Handhabung deluxe
  • detailgenaue Verarbeitung

Aus Gitarre & Bass 03/2017

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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