Klein und fein?

Quilter 101 Mini Head, 101 Mini Reverb, Overdrive 200 & Pro Block 200

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Quilter Amps
(Bild: Dieter Stork)

Noch ziemlich neu und frisch in unseren Landen. Kompakt-Amps made in USA. Speziell, nicht mainstreamig, auf den ersten Blick kostengünstig, lukrativ. Wir klären welches Potenzial in den schlichten Kästchen schlummert.

Längst nicht alles was auf dem US-Markt erfolgreich ist, schwappt zu uns nach Deutschland herüber. Wie in diesem Fall. Hat jemand schon von Quilter gehört?! Wohl nur wenige. Dabei ist die Marke rührig unterwegs – ein ziemlich großes Programm ist im Angebot. Diverse Amps/Combos usw. für Gitarristen und Bassisten. Kompakte Abmessungen ziehen sich als roter Faden durch die Modellpalette.

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Die Besonderheit unserer Testkandidaten ist ihr Modulkonzept. Quilter hat als Ergänzung kleine Combo-Gehäuse im Angebot, die die Verstärkereinheiten als Einschub aufnehmen. Die Montage ist in Nullkommanichts erledigt. Hier geht also beides, der Einsatz als Combo, oder als Head und Cab, wenn beides weiter auseinander stehen soll/muss. Ein zusätzlich praktisches Detail: Das Combo-Cabinet „Blockdock“ ist so gebaut, dass es wahlweise schräggestellt wie ein Floormonitor positioniert werden kann.

Noch etwas Info zur Firma selbst. Der Name Quilter wird vielen zunächst nichts sagen. Aber: schon einmal von QSC und seinen exzellenten professionellen Endstufen gehört? Dahinter steckt als Mitbegründer des Unternehmens dieselbe Person, Patrick Quilter. Ein Ingenieur mit ewig langer Erfahrung, der schon seit dem Ende der 1960er-Jahre im Geschäft ist.

konzept kompakt

Im mechanischen und technischen Aufbau sind unsere vier Testkandidaten eineiige Zwillingsbrüder. Moderner Platinenaufbau untergebracht im hochstabilen Stahlblechgehäuse, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch vermutlich unkaputtbar. Die geringen Abmessungen werden natürlich nur möglich, weil die Signalbearbeitung durch Halbleitertechnik erfolgt. Moderne, hocheffiziente Class-D-Schaltungen sorgen für die Ausgangsleistung.

Die vier Modelle sind auf weit unterschiedliche Anwendungsanforderungen zugeschnitten. Alle kommen mit nur einer Klangregelung aus. Nur einer von Ihnen erlaubt den Wechsel zwischen zwei Sounds. Deutet alles darauf hin, dass insbesondere Gitarristen bedient werden sollen, die ihre Sounds primär mit dem Pedalboard formen.

101 mini head

Nomen es Omen, dies ist der kleinste im Bunde. Ein Kanal, serieller Einschleifweg, 50 Watt an 4 oder 8 Ohm. Regelmöglichkeiten Gain-Poti, Master (-Volume) und eine Klangregelung, die Sound-Farben per Preset-Schalter abruft, fünf an der Zahl: Full Q, Tweed, Jazz, Surf, Lead. TriQ und Hi-Cut sind Rasterpotis, die die Mitten bzw. den Höhengehalt dosieren. Mehr nicht, auf einen abstimmbaren Bassbereich muss man verzichten. Ein 3,5- mm-Klinkenanschluss erlaubt den Einsatz von Kopfhörern.

Erste Erkenntnis nach dem Einschalten. Der Amp ist bühnentauglich laut und kraftvoll. Der Grund-Sound ist angenehm warm. Ebenfalls gelungen ist die Ansprache. Eine leichte Kompression, durchaus vergleichbar mit der Nachgiebigkeit eines guten Röhren-Amps, sorgt für ein reaktives Spielgefühl. Die Transparenz in den Höhen ist verhalten. Hi-Cut kann da nicht nachhelfen, denn der Regler funktioniert wie er heißt; er kann den Höhengehalt nur dämpfen/beschneiden.

Um so effizienter arbeitet Tri-Q. Im Verbund mit den Sound-Presets hält er überdurchschnittlich reichlich verschiedene Klangfarben bereit. Eindrucksvoll, weil authentisch markant ist die Position „Tweed“ mit ihrem bassflachen hochmittigen Sound à la Combos aus der gleichnamigen Fender-Ära. „Surf“ tönt nicht so brillant wie man eigentlich erwartet, Jazz bedient Bebop-Sound-Klischees ziemlich ordentlich, Full Q liefert den großen voluminösen (Clean-?) Sound, fetter als alle anderen, Lead betont, wie zu erwarten, die Mitten, damit Distortion auf einem gesundem Fundament steht. Die kann bei Bedarf auch vom 101 Mini Head selbst kommen. Seine Gain-Reserven reichen in satten Crunch hinein. Die Verzerrungen klingen homogen und recht harmonisch, im Charakter aber stets etwas grob und nur bedingt lebendig. Ich kann mir vorstellen, dass manchem Kollegen auch Frische und Luftigkeit in den Höhen fehlt. Der FX-Weg arbeitet einwandfrei.

101 mini reverb

Die Namen gleichen sich zwar, die Konzeptionen jedoch nicht. Wir sehen einen konventionellen Vorstufenkanal mit Dreibandklangregelung, ergänzt durch ein Limiter-Poti und den Intensitätsregler des digital erzeugten Halleffekts. Gain und Master sind konventionelle Potis, die anderen sind Raster-Typen (21 Positionen). Die Ausgangsleistung ist auch hier mit 50 Watt an 4 oder 8 Ohm angegeben. Wenig verwunderlich sind die grundlegenden Eigenschaften ähnlich wie beim Mini Head.

Ein wesentlicher Unterschied tut sich aber auf: Der Reverb-Amp verbreitet mehr Glanz in der Hütte, sprich er hat viel mehr Höhen und bewegt sich damit in dem Rahmen, den man konventionellerweise erwartet. Im Zuge dessen klingen die Verzerrungen, so reich gesättigt sie sind, entsprechend offensiver. Wer im Sound-Geschmack eher britisch veranlagt ist, wird dem sicher viel abgewinnen können. Egal wie, objektiv betrachtet ist der Distortion-Charakter schon ziemlich „röhrig“.

Eigenartigerweise hat der Limiter-Regler kaum eine die Dynamik beeinflussende Funktion, wie man es dem Namen nach eigentlich erwarten sollte. Stattdessen nimmt er auf die Dichte der Verzerrungen Einfluss. Im Uhrzeigersinn gedreht, verringert er gleichzeitig ihre Intensität und das Klangbild räumt sich in den Mitten sukzessive auf. Was die Distortion wiederum feiner macht und sie deutlich weniger aggressiv wirken lässt.

Die Klangregelung arbeitet effizient. Im Bassbereich kann man weniger – nur sparsam – zulegen als in den anderen. In der Variabilität hat der andere 101 Mini (Head) deutlich die Nase vorn. Der Reverb-Effekt ist einem Federhallsystem in der Klangqualität um Klassen voraus. Ein anheimelnder Hallraum mit klarem Höhenspektrum.

Quilter Amps
Auf engsten Raum komprimierte SMD-Technik (Bild: Dieter Stork)

overdrive 200

Wir machen einen großen Schritt nach vorne in Sachen Leistung, wie auch Ausstattung. Die Zahl sagt es schon, diese kleine Kiste haut also 200 Watt raus. Das erlebt das menschliche Gehör nicht als „viermal so laut wie 50 Watt“ aber der Zuwachs an Druck und Schallpegel ist doch sehr erheblich. Der Overdrive 200 hat eine Zweikanalvorstufe wie man sie oft sieht. Eine Dreibandklangregelung, zuständig für zwei Sektionen mit unterschiedlichen Gain-Ebenen, respektive einen Clean- und einen Drive-Kanal. In dem Drive-Kanal stehen allerdings – im Gain-Verhältnis voreingestellt – zwei Modes zur Verfügung, Crunch und Lead.

Zum seriellen Einschleifweg und dem Kopfhörerausgang gesellt sich ein Fußschalteranschluss für den Sound-/Kanalwechsel (Zweifach-Schaltpedal notwendig). An der Rückseite bietet ein XLRAnschluss ein im Frequenzgang entsprechend aufbereitetes Signal für die D.I.- Abnahme an.

Das Klanggeschehen ähnelt im Charakter dem des 101 Mini Reverb inklusive Overdrive-Verzerrungen im Clean-Kanal. Dabei ist die Ansprache deutlich strammer, weniger gnädig. Die Klangregelung (Rasterpotis, Gain ebenso) hat große Reserven und kann im Bassbereich erheblich nachlegen. Die Sound-Formung generiert hohe Transparenz und tendiert zu (leicht kühler) Brillanz in den Höhen. Große, kraftvolle Clean-Sounds sind garantiert. Aber Vorsicht, Treble gefühlvoll forcieren, sonst werden die Sounds des Drive-Kanals schneidend scharf. Wenngleich er eigentlich gut ausbalanciert mittenbetont agiert.

Wieder sind die Verzerrungen ziemlich kultiviert und eifern erfolgreich elegant abgestimmter Röhrensättigung nach. Das Halbleiter-Feeling streifen sie trotzdem nie ab. Insbesondere Lead klingt am Maximum „unnatürlich“. Für Metal-Chords sicher artgerecht verwendbar, bei Blues und Retro-Rock zu überdreht. Die Gain-Regler des Drive-Kanals liefern erst ab ca. Position 8 Zerranteile. Der Übergang ist nicht wirklich fließend. Der untere Teil des Regelwegs bietet kaum praktischen Nutzen.

Der D.I.-Ausgang erfüllt seine Aufgabe im Prinzip, sein Signal wird aber in aller Regel etwas Nachbearbeitung bedürfen. Im Vergleich zum Lautsprechersignal sind die Höhen zu stark bedämpft und die Bassanteile überzeichnen, zeigen sich deutlich kräftiger. Also: Am Mischpult die Höhen etwas nachschieben, Bässe zurücknehmen, dann kann man mit dem D.I.-Signal gut arbeiten.

pro block 200

Man kreuze die beiden Mini-Heads miteinander und füge die Leistungsgene des Overdrive 200 hinzu, was ergibt die Züchtung? Genau, den Pro Block 200. Klangregelung des 101 Mini Head, Limiter und Halleffekt vom 101 Mini Head Reverb, Endstufe und D.I.-Out vom Pro Block 200. Tut ihm gut, die Melange. Der Amp ist in dem Quartett derjenige mit der musikalischsten Tonkultur. Sinnbildlich gesprochen: sollte ich einen Job in einer Bluesband haben und müsste mit einem der Quilters antreten, würde ich ihm den Vorzug geben.

Weil er (Limiter aktiviert auf mindestens 12 Uhr) reaktiv in den Verzerrungen und recht feingliedrig anspricht. Dass der Bassregler fehlt, werte ich erneut als Manko. Gerade wenn man von einem kompakten 1×12″-Setup, sprich einem Cabinet mit wenig Volumen, ausgeht, dürfte manchem (Singlecoil-) Instrument die Körperfülle fehlen und man kann das hier nicht auffangen (Abhilfe kann ein Equalizer im FX-Weg schaffen). Abgesehen davon, erweist sich die Klangregelung als durchaus leistungsfähig, weil eben der Tri-Q-Bereich so intensiv arbeitet. Wie nicht anders zu erwarten, benimmt sich der D.I.-Ausgang wie beim Overdrive 200. Etwas Nachsorge am Signal ist also auch hier beim Pro Block 200 notwendig.

alternativen

Im Zeitalter der Bequemlichkeit ist das Angebot an kompakten Amps reichhaltig. In der Natur der Sache liegt, dass man es in dem Segment hauptsächlich mit digitalen Geräten (Modeling) zu tun bekommt, analoge Halbleitertechnik bildet die Minderheit. Direkt vergleichbar zu den Modellen von Quilter sind die ungefähr gleich kleinen/kompakten Verstärker von DV Mark, unter denen schon der kleinste/preiswerteste ein vollwertiger Zweikanaler ist (Tests in G&B 06/2016 u. 10/2017). Guckt man primär auf den Preis und nicht auf möglichst geringe Abmessungen, kommen die üblichen Verdächtigen von Line 6 etc. ins Blickfeld, die mit üppigerer Ausstattung respektive höheren Leistungsumfängen locken. In dem Kontext sollte man dann auch Marshalls Code 100 in Betracht ziehen.

resümee

Das Wichtigste an einem Gitarren-Amp ist nicht seine Ausstattung, sondern seine Klangqualität. Bezogen auf ihre Produktkategorie erreichen die Quilter-Amps erfreulicherweise genau in diesem Punkt ein hohes Niveau. Wärme, Volumen, vergleichsweise geschmeidige Höhen, clean gespielt agieren sie ziemlich souverän. Die Distortionsounds geraten im Vergleich zur Röhrentechnik klar ins Hintertreffen, sind aber im Prinzip sehr respektabel. In der Hinsicht stehen die Quilter-Amps unter ihresgleichen jedenfalls in der ersten Reihe. Es ist aber auch ein Minus zu verbuchen: Mit Ausnahme des Overdrive 200 fehlt den Quilters die Bass-Klangregelung. Dass das Signal des D.I.- Ausgangs recht intensiver Nachbearbeitung bedarf, ist auch nicht geschickt.

Die 101 Mini Heads erweisen sich, gerade wegen ihrer eigenständigen Konzeption, als reizvoll. Wer bei maximaler Kompaktheit einen konventionellen Amp mit harter Distortion-Attitüde und reichlich Leistungsreserven sucht, ist mit den drei Sound-Ebenen des Overdrive 200 gut bedient. Wer es bei gleicher Power etwas sanfter und filigraner haben möchte, greift zum Pro Block 200. Preis und Leistung stehen in einem angemessenen Verhältnis.

Quilter Amps

Quilter Amps


Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Das Instrument ist eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

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(erschienen in Gitarre & Bass 09/2018)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Der Quilter Chef hat einen Bruder, Matt, der in der „West-Coast Surfmusic-Revivel-Scene“ überaus aktiv ist. Nur der spielt so gut wie immer die Produkte der Konkurrenz. Nur manchmal verirren sich Quilter Teile still im Hintergrund ins Bild.
    So wie hier: https://youtu.be/PJKn8Pj6S3s

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  2. Crate hat mit dem Powerblock schon vor ca.10 Jahren ein ähnliches Top rausgebracht. Sehr angenehmer Overdrive, klare Cleansounds, 150 Watt. Nimmt auch gern Pedale…ein super Teil, auch als Backup, wie ich finde!

    Auf diesen Kommentar antworten

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