Bitte drauftreten!

Pedalboard Amps von Foxgear, Baroni, BluGuitar und Blackstar im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Es ist 03:00 Uhr morgens, es ist kalt, windig und ich bin schon viel zu lange wach. Die Hecktür des Bandtransporters öffnet sich und seufzend stehen meine Kollegen und ich vor einer erschlagend großen Wand aus Equipment, das nur darauf wartet, in den zweiten Stock zu unserem Proberaum getragen zu werden.

Spätestens beim Anheben meines großen 120-Watt-Verstärkers, der im Flightcase satte 30kg auf die Waage bringt, muss ich mir eingestehen, dass diese Art der Gitarrenverstärkung – bei aller Freude, die mir so ein Teil macht – gewisse Nachteile mit sich bringt. Keine Frage: Bei der Wahl meines Equipments bin ich erzkonservativ. Kaum etwas macht mir so viel Spaß wie eine simple Fender Stratocaster, ein dicker 100-W-Marshall und eine, besser noch zwei 4x12er-Boxen. Mehr ist schließlich immer mehr! Leider auch auf der Waage und auch am Oberarm hängend um 03:00 Uhr morgens. Was also tun? Vielleicht doch mal einen Blick auf diese Pedalboard-Verstärker werfen, die ja zurzeit in alle Munde sind? Können diese kleinen Kisten denn wirklich etwas Brauchbares sein?

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ALLE AUSBAUSTUFEN

Für meine kleine Versuchsreihe wurden mir gleich neun verschiedene Pedalboard-Verstärker zugeschickt. Die Kriterien bei unserer Auswahl sind ziemlich einfach: mindestens 100-Watt, keine On-Board-Effekte außer Reverb und preislich unterhalb von 1000 Euro angesiedelt. Für meine Testreihe stehen mir eine 2x12er- sowie eine 4x12erMesa-Rectifier-Box (beide 8 Ohm) mit Celestion-V30-Speakern zur Verfügung. Ausprobiert habe ich die Verstärker mit einer 60er-Jahre-Fender-Telecaster und einer auf Drop-C gestimmten Telecaster, ebenfalls von Fender, mit einem Humbucker in der Steg-Position.

Mein Pedalboard besteht im Wesentlichen aus verschiedenen Booster- und Distortion-Pedalen, einem Walrus-Audio-Chorus sowie einem Line6-M5-Multieffektgerät. Alles in allem also ein Setup, mit dem sich sowohl klassische Rockklänge, moderne Lead- aber auch stark verzerrte, sehr extreme Metal-Sounds erzeugen lassen. Schauen wir also mal, wie die neun Verstärker all diese Anforderungen bewältigen. Obwohl alle Geräte die Möglichkeit haben, dank eines frequenzkorrigierten Line-Ausgangs, in ein Recording- oder FoH-Setup integriert zu werden, konzentriere ich meinen Test auf die Anwendung im Proberaum- und Live-Betrieb.

Mercury Edition (Bild: Dieter Stork)

KIND OF BLUE

Den Anfang dürfen zwei alte Bekannte machen: BluGuitars AMP1 in der Mercury– bzw. Iridium-Edition, sorgen ja nun schon seit ein paar Jahren für reichlich Gesprächsstoff. Die auf einer kleinen Nano-Röhre (laut Hersteller eine russische Weiterentwicklung konventioneller Röhrentechnik für deutlich verbesserte Widerstandsfähigkeit) basierende Verstärker-Technologie, ist in einem ergonomisch und robust wirkenden Kunststoffgehäuse untergebracht, was zwar nicht besonders kompakt, dafür aber ausgesprochen formschön ist und erstaunlich leicht daher kommt. Das sehr übersichtliche Layout ist absolut intuitiv handhabbar und tatsächlich hat man hier sofort das Gefühl, einen normalen Gitarrenverstärker zu bedienen – nur eben auf dem Fußboden.

Während die Mercury-Edition des AMP1 ein wahrer Allrounder ist, konzentriert sich die Iridium-Edition auf Overdrive- und High-Gain-Sounds. Das schwarze Gehäuse lässt das Gerät ein wenig martialischer wirken, was zu der klanglichen Ausrichtung sehr gut passt. Lediglich die Beschriftung der Anschlüsse ist beim silbernen Gehäuse des Mercury deutlich besser lesbar. Beide AMP1 bieten vier Grundsounds, einen separat schaltbaren Boost, Reverb, ein Noise Gate, einen FX-Loop sowie einen frequenzkorrigierten Recording Out. Kurzum: hier gibt es bei beiden Verstärkern die ziemliche Rundum-Bedienung mit allem, was wir von modernen Topteilen in einer vergleichbaren Preisklasse erwarten dürfen.

An beiden Boxen macht der AMP1 einen hervorragenden Job, und die 100 Watt reichen problemlos aus, um auch die große 412er-Box ins Schwitzen zu bringen. Selbst das tiefe C meiner Humbucker-Telecaster in Verbindung mit einem basslastigen Boss-HM2-Nachbau weiß vor allem die schwarze Iridium-Version des Verstärkers meisterlich zu händeln. Spannend finde ich, dass sich beide AMP1 wirklich grundlegend unterscheiden: wo ich bei der neueren Iridium-Edition zunächst lediglich eine High-Gain-Variante des Mercury erwartet habe, zeigt sich im Test, dass der Verstärker in allen drei Zerrkanälen grundsätzlich anders abgestimmt ist.

Iridium Edition (Bild: Dieter Stork)

Wo die Verzerrung der Mercury-Edition etwas offener und dynamischer klingt, verhält sich der schwarze Bruder vor allem bei hohen Lautstärken im Bass etwas straffer und in der Ansprache merklich schneller, was vor allem bei der tieferen Stimmung gut hörbar ist. Außerdem greifen die kleinen Custom-Voicing-Potis, die bei beiden Versionen versenkt an der linken Seite zu finden sind, bei der Metal-Variante stärker in das klangliche Geschehen ein, was abermals für mehr Flexibilität sorgt. Von fetten, in den Mitten leicht gescoopten Modern-Metal-Sounds bin hin zu einem knochentrockenen Mittenbrett, bieten die beiden Kanäle „Classic“ und „Modern“ eine unglaubliche Bandbreite an Zerrsounds aller Art.

Wer noch mehr Möglichkeiten will, kann mit dem winzigen 1Control-Zusatzpedal verschiedene Funktionen des AMP1 (wie beispielsweise Kanalwechsel, Reverb aber auch ein zweites Master-Volume oder sogar einen Power Soak, regelbar von 100 Watt bis 0,5 Watt) schalten. Der frequenzkorrigierte Recording-Out lässt eine ganze Reihe von Szenarien zu: vom Betrieb eines In-Ear-Systems, bis hin zum Anschluss an ein FoH-Pult oder ein Audio-Interface ist hier alles möglich. Der Sound kann, vor allem im Clean- und Crunch-Betrieb durchaus überzeugen; für ambitionierte Recording-Zwecke empfiehlt sich allerdings der Kauf der „BluBox“, die verschiedene Lautsprecher- und Mikrofon-Simulationen (IRs) bietet.

Noch eine Bemerkung zur Lautstärke: Ja, auch 100 Watt im Bodenformat können einen bei Bedarf völlig auf links krempeln. In Kombination mit der 2x12er-Box hatte ich ab einem gewissen Pegel wirklich Angst, einen rauchenden Trümmerberg zu hinterlassen. Bei näherer Betrachtung und einigem Testen wird mir klar, dass die Bezeichnung „Pedalboard-Verstärker“ im Falle der AMP1-Verstärker eigentlich gar nicht angebracht ist. Der AMP1 IST im Grunde ein eigenes Pedalboard und bringt so viele Sound-Möglichkeiten und Features mit sich, dass man hier mühelos ohne ein einziges zusätzliches Pedal ein Konzert oder einen Studiojob bestreiten könnte.

Wer also einen richtig guten Allrounder mit absolut vollwertigen Sound- und Schaltoptionen und einer „rundum sorglos Lösung“ sucht, dürfte hier voll auf seine Kosten kommen. Mit 869 Euro für die Mercury bzw. 899 Euro für die Iridium-Edition, sind die beiden Blugis übrigens das obere Ende der preislichen Fahnenstange in unserer Testreihe.

Mehr Informationen: www.bluguitar.com

PLUS

  • innovatives Konzept
  • klangliche Vielseitigkeit
  • Bedienbarkeit
  • Features
  • hohe Lautstärke-Reserven

MINUS

  • seitliche Potis etwas schwer einstellbar
  • Beschriftung der Buchsen schwer lesbar (nur Iridium-Edition)

Weiter mit der Foxgear 100w-Serie auf Seite 2

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wirklich Sinn vom Gewicht her machen diese Amps ja nur, wenn man live direkt ins Mischpult geht und gar keine Boxen mehr mitnehmen muss. (die sind in aller Regel ja um einiges schwerer als ein Top Teil – nicht jeder hat ein 30kg Teil). Allerdings weiß ich nicht, wie sich das live spielt und wir hoch die Kontrolle des Sounds auf Bühne und im Saal dabei ist.(noch nie ausprobiert). Wäre ein interessanter Artikel für GB.

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    1. Die Kontrolle über den FOH Sound hast Du meines Erachtens nach sowieso nur, wenn Du einen sehr guten Draht zum FOH Mischer hast oder es selbst machst.

      Aus eigener Erfahrung (Line 6 Helix und reines In Ear, Silent Stage) ist das mit dem Monitor Sound perfekt – ich möchte nichts anderes mehr und vermisse auch nicht den immerwährenden Ärger aus „dreh mal Deinen Amp leiser“ und matschigem Bühnensound. Wir haben komplett auf IEM umgestellt – im Proberaum und live – und ich möchte nicht wieder zurück.

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  2. Nein, für Gitarristen, die das Feeling einer Box trotzdem hinter sich wollen, ist das die Lösung – gerade beim Amps von Blueguitar. Nicht jeder mag IEM.

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    1. Ich mag halt lieber Old School ein Verstärker hinter mir den ich regeln kann ohne zu knien! Von daher wäre so ein BluGuitar Amp als Top das ideale für mich.

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  3. Das hohe Gewicht meines Fender Twin Reverbs war der Grund warum ich mich für einen kleinen, aber dennoch lauten Victory Duchess mit einer 1X12 Box, mit Jensen Neodym-Lautsprecher entschieden habe. Ich hatte mal diesen H&K Black Spirit 200, die Sounds haben mir nicht zugesagt, anderen gefällt er, ist ja auch immer eine Geschmackssache. Den Blu-Guitar Amp werde ich mal testen.

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  4. Also, einer der besten Pedalboard Amps fehlt !
    Hughes&Kettner Ampman !!!
    Der kann gleichzeitig über XLR Ausgang incl red box mit vielen unterschiedlichen box Simulationen UND mit Ausgang für eine Gitarrenbox. Es lässt sich beides separat regeln / Lautstärke. Das bedeutet : man geht über XLR an die PA und kann gleichzeitig die Gitarren Box quasi als eigenen Monitor betrieben . Soweit ich weiß können die meisten pedalboard Amps das nicht gleichzeitig .
    Der Ampman hat viele Einstellmöglichkeiten und macht einen Bombensound. Verträgt sich auch sehr gut mit Overdrive / Distortion Pedalen

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