Kraftei!

Palmer Macht 402 im Test

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Eine Rack-Endstufe, hehe, das ist heutzutage ja ein regelrechter Exot. Noch? Könnte sein, dass solche kompakten Energiespender demnächst wieder vermehrt auf dem Markt erscheinen. Nicht, weil sich ein Revival der 19″-Ära ankündigt, sondern als sehr probate Ergänzung zu Modeling-Preamps. Kompakt, stereo, praktisch. Gut? Werden wir sehen. Ran an die Macht.

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Palmer Macht 402_02
(Bild: Dieter Stork)

Konstruktion

Ganze 3,8 Kilogramm wiegt diese Endstufe und stellt trotzdem 2 x 200 Watt bzw. 400 Watt mono/bridged maximal zur Verfügung. Das ist natürlich nur möglich, weil die Schaltung in Class-D-Technik aufgebaut ist, die Signale also durch PWM/Pulsweitenmodulation (quasi) digitalisiert verstärkt werden. Nebenbei bemerkt, erreichen optimal konstruierte Class-D-Endstufen einen Wirkungsgrad von 100 Prozent! Unter anderem dadurch ergibt sich das vorteilhafte Gewicht-/Leistungsverhältnis. Und solche Endstufen brauchen auch keinen „fetten“, schweren Netztrafo.

Die Macht 402 heißt im Untertitel „Specialized Guitar Power Amp“, sie wurde also speziell für den Gitarrenbereich konstruiert. So erklärt es sich, dass je Kanal eine Zweibandklangregelung – Bass/Treble – zur Verfügung steht, was ja unüblich ist für Power-Blöcke. Die Endstufe hat zudem weitere sinnvolle Extras zu bieten:

  1. Einen zuschaltbaren Rumble-Filter, der Frequenzen unter 40 Hz unterdrückt, damit besonders bei hohen Pegeln der Bassbereich seine Energie optimal entfalten kann.
  2. Einen Limiter, der die Ausgangsleistung am Maximum begrenzt, damit durch versehentliches Übersteuern der Eingänge nicht Clipping-Verzerrungen entstehen (die nicht nur für das Ohr ungenehm sind, sondern auch den/die Speaker schädigen könnten).
  3. Ground-Lift-Funktion zum Unterbinden von Masseschleifen.
  4. Eine wahlweise aktivierbare Standby-Funktion, die die Endstufe nach 20 Minuten Leerlauf automatisch in einen Sparbetrieb mit einer Leistungsaufnahme von nur 0,5 Watt bringt. Sobald am Input ein Signal anliegt, ist die Macht 402 sofort wieder voll aktiv.

Die Eingangsempfindlichkeit ist in drei Stufen wählbar (-10/-2/+4dBU) und am Mode-Schalter kann der Anwender einstellen, ob die Kanäle der Endstufe stereo (Inputs getrennt) parallel (Inputs zusammengelegt) oder bridged (Mono-Betrieb 8 Ohm!) arbeiten. Über den Funktionsstatus informieren LEDs an der Front. Was man von außen nur an der Protect-LED erkennt, ist die Tatsache, dass Schutzschaltungen für die Betriebssicherheit sorgen, die die Macht 402 vor Schäden durch Über- und Gleichspannung, Kurzschluss und Überhitzen bewahren. Bleibt nur noch ein Detail zu erwähnen, dass man bei Gitarren-Equipment eher selten sieht: Es sind nicht nur Klinkenbuchsen als Inputs vorhanden sondern auch (elektronisch) symmetrisierte XLR-Eingänge.

Gerne gerne, das ziemt sich allemal für Produkte mit professionellem Anspruch. Wie auch die Speakon-Buchsen an den Ausgängen. Wie nicht anders von Palmer zu erwarten, gibt es an der Verarbeitung nicht das Geringste auszusetzen. Die Elektronik ist mechanisch solide aufgebaut und in dem hochstabilen Stahlblechgehäuse bestens, sprich road-tauglich aufgehoben.

Praxis
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Jaja, die Röhre ist offensichtlich nach wie vor das Maß aller Dinge. Warum sonst betont Palmer in den Beschreibungen, dass die Macht 402 qualitativ der Röhrentechnik nahe steht. O-Ton z. B.: „So stellt sich sofort das echte Spielgefühl einer Röhrenendstufe ein.“ Aha, ist dem so? Nun, schlau ist wer die Wortwahl aufmerksam liest. Keine Frage was die Ansprache der Endstufe angeht, die Energie des Signals und seine Dynamik, wird die Macht 402 ihrem Namen durchaus gerecht. Wobei wir in der Beurteilung fairerweise auf dem Teppich bleiben wollen und nicht sündhaft teure Spitzenklasse-Röhrenendstufen zum Vergleich heranziehen.

Die Wiedergabe ist in sich ausgewogen kraftvoll und man kann durchaus sagen, dass die Endstufe mit dem Spieler interagiert, ja es entsteht bei höheren Pegeln sogar eine Art Sättigungskompression. Das Klangbild an sich geht jedoch nicht so leichtfüßig durchs Ziel. Obwohl Details sehr gut dargestellt werden, wirkt es in der Tiefenzeichnung nicht optimal transparent. Die zweite, wesentlichere Einschränkung zeigt sich in der Art und Weise wie die Macht 402 in den Höhen agiert. Bei aller Frische wirkt das Hochtonspektrum bei hoher Leistung etwas angestrengt bis aufdringlich und leicht artifiziell. So können es sensible Spieler/Hörer im Direktschall im Raum vor dem Speaker erleben.

Im mikrofonierten Signal verspielt sich das Phänomen. Tendenziell ebenso, wenn die Band bzw. das Playback dichter arrangierte Titel zum Besten gibt. Noch ein Zitat gefällig? Gerne: „Die Drehregler Hi und Low ermöglichen weitreichende Klangvariationen und die Einstellung zahlreicher Gitarrensounds.“ Moment mal, da muss ich jetzt wirklich ein Veto einlegen. Die Aussage weckt schlichtweg zu hohe Erwartungen. Bass und Treble arbeiten nicht wirklich so effizient, dass man sie als vielfältig klangformend beschreiben kann. Was uns nur bedingt irritieren sollte, denn mit ihren Ansatzfrequenzen bewältigen sie eine ganz andere Aufgabe elegant. Nämlich je nach Raumgröße, geforderter Lautstärke und verwendeten Boxen/Lautsprechern im Handumdrehen den Grundsound anzugleichen.

Abgesehen davon produziert die Macht 402 eine hohe Endleistung. Für Pop, Blues, nicht zu lauten Rock reicht das allemal. Jedoch muss man bedenken, dass die maximale Ausbeute von 2 x 200 Watt nur bei einer Speaker-/Boxen-Impedanz von 4 Ohm zur Verfügung steht. Sie halbiert sich bei 8 Ohm und reduziert noch einmal auf die Hälfte an 16 Ohm; da sind die Reserven nicht mehr berauschend. Womit wir zu der Frage der Anwendungsoptionen kommen.

Palmer Macht 402_01
(Bild: Dieter Stork)

Fallbeispiel #1 ist der Klassiker: Preamp plus FX-Prozessor, danach in die Endstufe, das ergibt ein kompaktes, leichtgewichtiges Setup.
Beispiel #2: Ein Gerät wie das Axe-FX/Fractal-Audio-System, der Profiling-Amp von Kemper o. ä. und die Macht 402, fertig ist die überaus variable Sound-Zentrale.
Beispiel #3: Dank der hohen Eingangsempfindlichkeit der Endstufe ist es sogar möglich, direkt aus einem Pedalboard in die Endstufe zu gehen.

Idealerweise verfügt ein so verwendetes Effektbrett über mindestens einen Graphic-Equalizer, der die Funktion einer Clean-Vorstufe übernimmt. Davor ein oder zwei Overdrive-Pedale mit verschiedenem Charakter, desgleichen in Sachen Distortion, hinter dem Graphic-EQ Chorus, Flanger, Tremolo, Vibe etc. gefolgt von Reverb/Delay … ab dafür, in die Endstufe und los. Ja, eine konventioneller Amp/Combo kann so tatsächlich überflüssig werden. Obwohl, das Schönste ist ja immer noch ein Wet/Dry/Wet-Dreiwege-System: luftiger und transparenter geht‘s nimmer. Mit der Macht 402 ist neben dem guten Ton garantiert, dass der Hörluxus nicht die Muckis überstrapaziert.

Resümee

Unterm Strich ist das Ergebnis ganz und gar positiv – die Macht 402 hat den Test souverän bestanden. Wann und wo findet man denn schon so viel funktional sinnvolle und effiziente Technik für relativ kleines Geld?! Da juckt es letztendlich wenig, dass die Wiedergabequalität absolut gesehen nicht in der ersten Liga spielt. Immerhin liegt der Macht 402 mehr als nur ein Hauch Röhren-Charakter im Blut. Sei‘s drum: Angesichts des günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses Prädikat besonders empfehlenswert.

Plus
• Klangqualität
• Ansprache, Dynamik
• Leistungsausbeute
• luxuriöse Ausstattung mit hohem Praxiswert
• Verarbeitung/Substanz

Palmer Macht 402_profil

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kam ein Mikrofon vom Typ AM11-GT/Alesis mit Großflächen-Membran zum Einsatz platziert vor einer mit Vintage 30-Speakern bestückten 4×12-Box. Die Soundfiles wurden ohne Preamp o. ä. ei gespielt, was möglich war, weil die Eingänge der Macht 402 entsprechend empfindlich  sind.

 

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt. Im Clip #2 steuert das Plug-In „Platinum-Reverb“ hintergründig Hall bei.

 

Clip 1: Wie gesagt, es ist kein Preamp am Start, allerdings ein FX-Pedal ohne True Bypass, sprich es ist ein Bufferamp  aktiv, der das Signal niederohmig macht. Abgesehen davon reicht ein gängiges Graphic-EQ-Pedal (mit Level-Regelung) um die Macht voll anzusteuern. Ich benutze z. B. gerne den GE10 von Ibanez. Wer ein feines Ohr hat, hört, dass die Endstufe schnell/direkt anspricht, was für den Spieler subjektiv eine gewisse Härte im Attack erzeugt.

 

Clip 2: Bogners Distortion-Pedal Burnley (Neve-Design, Test in der aktuellen Ausgabe)  ist im Hinblick auf Transparenz, Sound-Kultur und Energie ein Spitzenteil, für mich auf jeden Fall eine Referenz. Deswegen darf es hier die Macht 402 fordern: Wieder ganz straight, Gitarre, Burnley, Endstufe. Wir hören einen wirklich kraftvollen Ton mit präzisem Attack. In den Höhen wirkt der Klang etwas “künstlich” bis hart, oder?

Clip 3: Vier Pedale hintereinander im Vergleich: Bogner Burnly, Ibanez ST808 RI, ein älteres Fulldrive 2/Fulltone (2006), die Box of Rock von ZVEX. Die Aufnahmen sind normalisiert, d.h. der Lautstärkepegel ist bei allen vier Takes gleich – nur so kann man objektive Erkenntnisse bei Hörvergleichen erzielen. Die Tatsache, dass der Charakter der Pedale klar und deutlich zur Geltung kommt adelt die Macht 402. Sie macht ihre Sache wirklich gut.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht über Kopfhörer!

 

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Netter Beitrag. Leider lässt hier die Rechtschreibung sehr zu wünschen übrig. Liest bei Euch niemand die Beiträge Korrektur?

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