„Wer sich auf diese Reise begibt, wird mit Inspiration reich belohnt.“

Nur keine Angst: Gamechanger Audio Auto Delay im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Die Flut an Delay-Pedals auf dem Markt ist mittlerweile unüberschaubar geworden. Um dem Genre noch etwas Neues abzugewinnen, braucht es einen radikalen neuen Ansatz – den liefert die passend benannte Firma Gamechanger Audio nun mit dem Auto Delay.

Ruft man sich das Portfolio der lettischen Boutique-Schmiede ins Gedächtnis, wird klar, dass aus ihren Hallen wohl niemals ein gewöhnliches Delay gekommen wäre. Denn das Plasma Pedal (Fuzz), Bigsby Pedal (Pitch-Shifter), Light Pedal (Reverb) und ihre Geschwister sind alles – aber nicht gewöhnlich. Die Letten haben offenbar für sich selbst beschlossen, dass Innovation eine Marktnische ist, die sich erfolgreich besetzen lässt. Da verwundert es nicht, dass das Auto Delay – zusammen mit seinen Brüdern Auto Reverb und Auto Chorus – völlig neue Wege geht. Und die erfordern einen gewissen Mut …

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KONSTRUKTION

Das erste „WTF?“ entfährt mir schon beim Auspacken: Denn das Auto Delay sieht krass anders aus, als man das von Effektgeräten seit Jahr und Tag kennt. Zwischen zwei erhöhten, leicht abschüssigen Bedienoberflächen befindet sich ein „Tal“, in dem zwei Reihen von Miniklinken-Buchsen auffallen – wie bei einem alten analogen Synthesizer (und tatsächlich hat Gamechanger Audio auch ein derartiges Rack-Modul im Programm).

Diese ungewöhnliche Konstruktion spart Platz. Insgesamt ist das Auto Delay zwar etwas höher, aber kaum breiter als ein gewöhnliches, modernes Doppelschalter-Pedal. Der gewonnene Platz wird auch bitter benötigt, denn das Gerät beherbergt nicht weniger als zehn Potis, sieben Schiebeschalter sowie geschlagene siebzehn (!) Ein- und Ausgänge. Dazu kommen noch die beiden Fußschalter.

(Bild: Dieter Stork)

Da verwundert es nicht, dass mir beim Auspacken erstmal Angst und Bange wurde. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist dank Social Media mittlerweile auf die eines Kleinkindes geschrumpft; beim Anblick des Auto Delays wollte ich es gleich wieder in die Packung zurückstecken und mich bei Rückfragen zum Verbleib des Tests dann tot stellen.

Das „Handbuch“ ist eine zusammengefaltete, auf beiden Seiten eng bedruckte DIN-A4-Seite, die leider so verständlich ist wie die Bedienungsanleitung eines Flux-Kompensators. Also gar nicht. Da wird von Control Voltage, Trackern, Thresholds etc. geschrieben, als wären diese Begriffe jedem sofort geläufig. Dem dümmsten anzunehmenden User (also mir) wird aber nicht einfach erklärt, welcher Knopf oder Schalter was genau bewirkt. Immerhin enthält das Blatt einige Einstell- und Steckbeispiele, die in ihrer Beschreibung aber so komplex sind, dass ich ebenfalls nicht verstanden habe, was sie genau abbilden sollen. Irgendwann habe ich das Pedal dann doch „kapiert“ (zumindest glaube ich das) und nehme den geneigten Leser jetzt mit auf eine Reise, die gleichzeitig auch erklärt, was das Teil so besonders macht.

Die oberen vier Potis – Level, Repeat, Time und Tone – findet man so auch bei gewöhnlichen Delays, und sie regeln hier genau das, was man erwartet.

(Bild: Dieter Stork)

Das Auto Delay bietet lediglich drei Grundsounds: Tape, Analog, Digital. Tape ist dabei mittig abgeschmeckt, Analog eher dunkel, Digital frisch und crisp. Der Clou des Auto Delays sind nicht vorgefertigte Sounds und Presets, sondern die mannigfaltigen Einstellmöglichkeiten.

Bevor ich zu denen komme, noch ein Blick auf die Peripherie: Das Pedal läuft mit 9V (250mA), alle extern relevanten Anschlüsse befinden sich stirnseitig. Dort sind auch eine USB-Buchse für ein Firmware-Update, MIDI-In/Out, sowie vier Anschlüsse für den Stereobetrieb und weitere Einstellmöglichkeiten vorhanden.

Mit im Lieferumfang enthalten sind sechs unterschiedlich lange Patchkabel (Miniklinke) sowie ein externer Splitter. Da das Pedal grundsätzlich ein absolut cleanes Gitarrensignal „sehen“ muss, muss dieser an den Anfang der Effektkette geschleift und von dort das Pedal mit einem cleanen Signal gefüttert werden, während dieses direkt aus dem Splitter in andere Effekte (Verzerrer etc.) laufen kann und später wieder auf das Delay trifft.

Praxistest und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

LOS GEHT‘S

So, nun zum eigentlichen Herz des Pedals: der Veränderung der Delays mittels „Dynamics“ und „Pitch“. Diese beiden Einstellmöglichkeiten sowie ihre Unterfunktionen werden dann aktiv, wenn man die Patchkabel nutzt. Deren Aufgabe wird im Handbuch leider sehr umständlich beschrieben und ich brauchte einige Zeit, um sie zu verstehen.

Ohne die Patchkabel lässt sich das Auto Delay wie ein gewöhnliches Delay nutzen und einstellen. Doch damit wären seine Möglichkeiten „verschenkt“. Denn mit den Patchkabeln lassen sich die Delays je nach Einstellung verändern – und zwar mittels vorher gesetzter Schwellenwerte.

Diese „setzt“ man mit der Gitarre (oder einer anderen Soundquelle). Dafür muss man den unter dem jeweiligen Poti liegenden Fußschalter gedrückt halten und den gewünschten Schwellenwert „einspielen“ (eine „Desktop-Anwendung“ ist das Pedal also nur bedingt, man braucht Hände und Füße).

„Dynamics“ nimmt dabei die Anschlagsintensität des Spiels auf. „Pitch“ dagegen eine bestimmte Tonhöhe oder ein Tonspektrum.

Einmal gesetzt, kann man mit den Potis einstellen, was mit dem Instrumentensignal geschieht. „Dynamics“ auf links gedreht: Spielt man härter, setzt die gewünschte Abänderung des Delays ein. Auf rechts gedreht erfolgt die dynamische Anpassung, wenn man softer spielt.

Ähnlich verhält es sich mit dem Pitch-Poti: Hier spielt man zunächst einen Ton – zum Beispiel ein hohes „E“. Dieser wird vom Pedal nun als Referenzpunkt angenommen.

Steht das Poti auf links, ertönen die veränderten Delays, wenn man tiefere Töne spielt. Steht es rechts, hört man nur dann veränderte Delays, wenn man über dem Referenzton spielt. Dasselbe geht auch mit Ton-„Bereichen“.

Die jeweiligen Referenzpunkte werden in der Mitte von zwei LED-Bahnen angezeigt. Beim Spielen sausen die Lichter lustig auf und nieder und zeigen an, ob man gerade den Schwellenwert über- oder unterschreitet.

Diese Bedienung erfordert logischerweise eine kurze Spielpause – denn der Schwellenwert will ja stumm „eingespielt“ werden. Das muss bei einem etwaigen Live-Einsatz also mitbedacht werden.

Was macht man nun mit den Patchkabeln? Ich versuche, es so einfach wie möglich zu erklären:

Mit denen bestimmt man, auf welchen Delay-Parameter (Level, Repeats, Tone, Time) die dynamische Anpassung erfolgt. Bis zu vier (jeweils 2x Dynamics und Pitch) können dabei getriggert werden.

Konkret heißt das zum Beispiel: Ich kann einstellen, ob ein härterer Anschlag das Delay verlangsamt, leiser macht, dumpfer macht, schneller macht usw. Mittels Pitch kann ich meine gespielte Tonhöhe bestimmen lassen, ob tiefere oder höhere Töne die Wiederholungen des Delays verändern, es langsamer oder leiser machen etc. Und … ich kann das alles miteinander kombinieren! Die kleinen Potis unter den großen regeln dabei die Effektstärke.

Im Kern habe ich damit das Auto Delay zusammengefasst – es gibt noch mehr Funktionen, deren haarkleine Auflistung hier aber den Rahmen sprengen würde.

Was stellt man nun damit an? Das wird anhand von Beispielen wohl am ehesten klar: Vielleicht möchte ich, dass die Delay-Wiederholungen nur erklingen, wenn ich sehr weit oben auf dem Griffbrett rumfiedle – bei tieferen Tönen, zum Beispiel Rhythmus-Parts im Song, soll das Signal aber komplett trocken ertönen. Kein Problem mit dem Auto Delay. Oder ich will, dass die Delays schneller werden, wenn ich einen bestimmten Ton sehr hart anreiße – auch das ist problemlos möglich. Oder die Delays sollen nicht nur schneller, sondern auch lauter werden – auch das geht. Ich kann sogar einstellen, wie schnell das geschieht und wie stark es hörbar ist. Die Möglichkeiten sind so mannigfaltig, dass einem ganz schwummrig wird.

Und dieser Effekt stellt sich auch auf den Spieler erstmal so ein – denn das Auto Delay spielt sich so ungewöhnlich, wie es konzipiert ist. Ein ums andere Mal entsteht vorerst Chaos. Erst mit der Zeit stellen sich das Verständnis und damit auch die gewünschten Ergebnisse ein.

RESÜMEE

Ich gestehe, dass mich das Auto Pedal ob seiner nicht sofort verständlichen Funktionen und Flut an Einstellmöglichkeiten erstmal überfordert, ja verängstigt hat. Das Pedal braucht definitiv Einarbeitungszeit und ein Grundverständnis der Funktionen.

Das Handbuch hilft dabei nur bedingt. Für Menschen mit geringer Aufmerksamkeitsspanne und Freunde von „Plug and Play“ fällt eine Empfehlung schwer.

Zudem stellt sich die Frage nach dem Einsatzbereich. Live dürfte es vor allem im Verbund mit MIDI nutzbar sein – es sei denn, man nutzt es für genau einen Sound und muss es nicht zwischen den Songs (oder gar im Song) umstellen. Das Gefummel an den Reglern erfordert ja schon bei anderen Delays Nerven aus Stahl – man stelle sich vor, auf der Bühne auch noch mit den Patchkabeln zu hantieren … Dazu kommt, dass man für das Setzen der Schwellenwerte eine Spielpause machen und in dieser sehr präzise „einspielen“ muss, um das gewünschte Resultat erklingen zu lassen. Für mich ist das in der Hitze des Live-Gefechts schwer vorstellbar.

Im Studio oder zu Hause hat man dagegen die nötige Zeit und Muse, um Sounds zu kreieren – und die lassen sich auch nicht unbedingt so einfach mit Plug-ins in der DAW zusammenstückeln. Hier spielt das Auto Pedal klar seine Einzigartigkeit aus – nämlich die dynamische Veränderung der Wiederholungen. Angesichts des Gesamtpakets an Features und Einstellmöglichkeiten ist der Preis dieser Wunderkiste ehrlich gesagt sensationell – wer sich auf diese Reise begibt, wird mit Inspiration reich belohnt.

PLUS

  • Toller Klang
  • Verarbeitung
  • Einzigartiges Konzept
  • Einstellmöglichkeiten
  • Preis-Leistungs-Verhältnis

MINUS

  • Handbuch schwer verständlich
  • Einarbeitungszeit


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2025)

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