Auch wegen seiner originellen Gehäuseform erlangte der Line 6 POD bereits kurz nach seiner Vorstellung im Jahre 1999 Kultstatus. Die aktuelle Serie ließ zunächst die klassische Desktop-Bohne vermissen, doch jetzt ist sie da, ganz in schwarz, und mit fast allen Features der Pedal-Version POD HD500.
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In Ausgabe 12/2010 haben wir alle drei POD-HD-Bodenversionen unter die Lupe genommen. Bis auf die zusätzlichen XLRAusgänge für Live-Einsätze ist die neue HDBohne technisch mit dem Flaggschiff POD HD500 so gut wie identisch, optisch ähnelt sie bis auf die geänderte Gehäusefarbe stark ihrem Vorgänger POD X3. Dessen XLR-Mikrofon-Eingang finden wir hier ebenfalls.
Konstruktion des Line 6 Pod HDs
Eine neue Gussform brauchte Line 6 für den POD HD nicht anzufertigen, das stabile Metallgehäuse ist mit dem des POD X3 identisch. Und damit auch Display-Größe, Anzahl und Position von Reglern, Knöpfen, Steuerkreuz und Anschlüssen. Dreht man den POD um, findet man neben den Gummifüssen vier Vertiefungen, für die praktische und bereits seit dem Jahr 2000 erhältliche Halterung namens Line 6 Mounting Bracket. Sie passt unter alle PODs (außer unter die Pocket-Modelle), und unsere Designer-Bohne lässt sich damit – ergonomisch nach vorn angewinkelt – auf dem Tisch platzieren, unter dem Tragegriff eines Verstärkers sichern, oder an einem Ständer festschrauben. Die fünf Raster-Potis links neben, sowie unter dem Display sind nun ein gutes Stück länger und schmaler als beim Vorgänger und lassen sich dadurch erheblich feinfühliger bedienen. Bei den Anschlüssen hat sich gegenüber dem POD X3 nichts verändert.
Rechts stöpselt man seine Gitarre ein, links den Kopfhörer, und auf der geschwungenen Rückseite befinden sich die beiden Klinkenausgänge (Stereo/Mono, asymmetrisch oder symmetrisch nutzbar). Hier lässt sich auch ein Line 6 FBV-MkII-Fußpedal, ein USB-Kabel (liegt bei), sowie ein Mikrofon mit XLR-Stecker anschließen, welches über das danebenliegende kleine Poti geregelt wird. Wer bei Recordings die digitale Ebene nicht verlassen möchte, nutzt die S/PDIFAusgangsbuchse im Cinch-Format. Wie bei den aktuellen Bodenpedalversionen liegt auch der POD HD-Bohne ein schmales 9V DC-Steckerschaltnetzteil bei. Die HD-Serie nutzt eine neue Modeling- Technologie für die Verstärker-Emulationen, die Effekte stammen aus den bewährten Line 6 Effektpedalen M13, M9 bzw. M5.
Praxis
Auch das grafikfähige LCD-Display selbst hat Line 6 vom POD X3 übernommen, es zeigt eine recht grobe Auflösung. Statt gelb leuchtet der Hintergrund nun weiß. Der maximal erreichbare Kontrast konnte so erhöht werden, auch wenn das warme Gelb angenehmer fürs Auge war. Die Bedienung hat der Hersteller gegenüber dem Vorgänger verbessert, viele Funktionen sind schneller und logischer erreichbar. Realisiert hat Line 6 dies in erster Linie durch eine geänderte Zuordnung der insgesamt vier Taster ober- und unterhalb des Preset-Raster-Potis und des Steuerkreuzes, in Verbindung mit dem grafikfähigen Display. Man kommt einfach schneller zum Ziel.
Eine mehrsprachige Basisanleitung liegt in gedruckter Form bei, damit lassen sich die wichtigen Funktionen schnell ergründen. Den „Advanced Guide“ in deutscher Sprache sollte man sich trotzdem unbedingt über www.line6.com herunterladen, denn hier werden auch alle Unterfunktionen detailliert beschrieben, außerdem die Ein- /Ausgangszuordnung, und wie sich bei den verschiedenen Output-Modi das Klangbild dem eigenen Equipment anpassen lässt.
Falls das Display beim Einschalten der schwarzen HD-Bohne die Firmware-Version 1.0 anzeigen sollte, empfiehlt sich ein kostenloses Update via Internet und Line 6 Monkey-Software auf Firmware 1.33. Die 16 in der Grundversion bereits vorhandenen Verstärkermodelle werden dadurch um sechs weitere virtuelle Amp-Kanäle erweitert. Einige Bugs wurden beseitigt, auf vielfachen Wunsch hat man Pegel und Gain etlicher Verstärkermodelle angepasst. Trotzdem äußern sich nicht alle POD-HD-User begeistert darüber. Daher gilt es vorab unbedingt die entsprechenden Hinweise auf www.line6.com zu beachten. Beim Vorgänger POD X3 gibt es neben den virtuellen Gitarrenverstärkern die Emulation eines neutralen Röhren-Preamps ohne Boxenmodell.
Auch können beim POD X3 XLR- und Klinkeneingang gleichzeitig genutzt werden, mit unterschiedlichen Amp- und FX-Einstellungen. Man kann mit dem Vorgänger also Gesang und Gitarre gleichzeitig, für Recording- oder Live-Zwecke zweikanalig aufbereiten. All das funktioniert beim neuen POD HD nicht, Gitarrenund Mikrofon-Eingang können nicht gleichzeitig verwendet werden. Das kann man kopfschüttelnd als Rückschritt werten, oder aber man fragt sich, ob man persönlich diese Funktion beim POD HD tatsächlich vermisst.
Der XLR-Mikro-Eingang jedenfalls stellt eine große Bereicherung dar, schließlich profitiert auch er von den ausgezeichneten Effekten der neuen Bohne. Fertige Presets für Gesang sind ebenfalls vorhanden, als Preamp fungiert hier meist ein aktiver EQ. Bevor man sich mit dem Preset-Raster-Poti durch die 512 Speicherplätze hangelt, sollte man dieses Poti einmal kurz drücken, denn dadurch gelangt man in den sogenannten Setlists-Bereich.
Hier hat der Hersteller bereits etliche Untergruppen wie „Best of POD HD“ angelegt, z. B. auch zur Aufbereitung von E-Bass-Signalen gibt’s hier jede Menge Einstellvorschläge. Natürlich können auch eigene Setlists angelegt werden und mit eigenen Presets belegt werden. Das Display zeigt normalerweise den Signalfluss des gerade aktiven Speicherplatzes an, mit knuddeligen Symbolen für Verstärker, EQs, Effektgeräte, und einem stilisierten Tonbandgerät für den integrierten Looper. Jeder Bereich lässt sich einzeln an- oder abschalten, mit dem Move-Taster an eine andere Position der Signalkette verschieben und editieren.
Dies läuft alles in Echtzeit ab, das Ergebnis ist also sofort hörbar. Und solange man nicht zweimal den Save-Taster betätigt, bleiben die ursprünglichen Einstellungen des jeweiligen Presets erhalten. Wer ein FBV-MkII-Pedal angeschlossen hat, kann mit dem View-Taster das Display von der Signalfluss-Ansicht auf den sogenann ten Live-Modus (Anzeige der benutzten Effektblöcke sowie Preset-Belegung der FBV-Bankfußtaster A – D) umschalten. Ein weiterer Klick, und die Preset-Nummer erscheint übergross und auch aus großer Entfernung bestens erkennbar im Display. „Hold for Looper“ fordert der Taster ganz links unterm Display. Folgt man diesem freundlichen Hinweis, gehören Display und die fünf Taster darunter ganz allein dem 48- Sekunden-Looper. Die Aufnahme wird manuell (oder per optionalem FBV-MkIIPedal) gestartet, Overdubs sind bis zum Abwinken möglich, deren Lautstärke ist übrigens einstellbar.
Wiedergeben lässt sich die Schleife auch rückwaÅNrts und/oder mit halber Geschwindigkeit. Nimmt man die Loop bereits mit halber Geschwindigkeit auf, wird sie anschließend beim Umschalten auf Normal mit doppelter Geschwindigkeit abgespielt. Praktisch ist, dass sich auch im Looper-Modus die Presets wechseln lassen. So lassen sich Grund-Loop und Overdubs auf einfache Weise mit unterschiedlichen Amp- und FX-Sounds würzen. Klang und Reaktion der hochauflösenden Verstärkermodelle sind wirklich ausgezeichnet, liegen weit über dem Niveau des Vorgängers, und noch einen deutlichen Schritt näher an den Vorbildern. Bei äußerst geringer Latenz lassen sich die Sounds intensiv mit den Fingern und der eigenen Kreativität formen.
Reichhaltig, dynamisch, dicht und voll klingen die virtuellen Amps, mit schimmernden Höhen, und trotz Verzicht auf Röhrentechnik warm und rund. Bereits im Jahre 2000 hatte Line 6 mit den bekannten Bodentretern DL4 und MM4 etc. die Messlatte für hochklassiges FXModeling sehr hoch gelegt. Deren Effekte flossen allesamt in die aktuellen Stompbox- Modeler M13/9/5 und in die HD-PODs ein. Lebendige Delay- und Chorus-, Flanger-, Vibe- und Phaser-Effekte, astreine Verzerrer, und eine schier endlose Vielfalt an knurrenden, swooshenden oder quakenden Filtereffekten, String-Ensemble-Sounds usw. lassen kaum Wünsche offen.
Die intelligenten Pitch-Shifter-Effekte reagieren bemerkenswert flink, quasi in Echtzeit; ein Verdienst des neuen, speziell für diese POD-Serie entwickelten, Prozessors. Aber auch diesem leistungsstarken Gesellen kann einmal die Puste ausgehen, nämlich wenn man bei zwei parallelen Amp-Lines beispielsweise zu viele rechenintensive Effekte gleichzeitig aktivieren möchte. Sollte also im Display die Meldung „DSP Limit Reached“ erscheinen, muss man einen Gang runterschalten. Dank seiner äußerst latenzarmen, bi-direktionalen USB-Audio-Schnittstelle empfiehlt sich die neue Bohne auch als flinke Recording- Device für Windows- oder Macintosh- Rechner, und wer seine Presets ausgesprochen komfortabel editieren und verwalten möchte, der lädt sich von www.line6.com die kostenlose POD HD-Edit-Software (ebenfalls für Windows oder Mac) herunter.
alternativen
Das allererste Vox ToneLab war ebenfalls ein Desktop-Gerät, jedoch lässt sich auch das aktuelle Vox ToneLab ST dank kompakter Abmessungen prima auf dem Tisch platzieren. Das digitale Amp-Modeling wird bei allen ToneLabs noch durch eine 12AX7- Röhrenstufe – Valve Reactor genannt – unterstützt. Der 1999er Line 6 „Ur-POD“ ist in der 2.0-Version weiterhin erhältlich, wer also ein alternatives Tischgerät sucht, zum alten Eisen gehört die erste rote Line-6- Bohne noch nicht. Ihre ebenfalls weiterhin empfehlenswerten Desktop-Nachfolger POD XT und POD X3 hingegen sind nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden.
Fazit
Die neue HD-Bohne stellt eine gelungene Adaption der Bodenversion POD HD500 für den Arbeitstisch dar, im kultigen und unverwechselbaren Outfit. Auch der aktuelle Line 6 Desktop-Modeler lässt sich ergonomisch, logisch und intuitiv bedienen, das Regler- und Taster-Layout wurde in verbesserter Form vom Vorgänger POD X3 übernommen. Verzichten muss man allerdings auf dessen Fähigkeit, Gitarren- und Mikrofon- Eingang gleichzeitig nutzen zu können. Dafür sind die hoch auflösenden HD-Verstärkermodelle der aktuellen Line-6-Floormodeler an Bord, ideal zum Üben per Kopfhörer, für Recordings, oder für Live-Einsätze, wahlweise mit optionaler Fußleiste. Die mitgelieferten Presets reizen den POD HD aus, da sind wirklich jede Menge tolle Sounds dabei, die auch als ideale Basis für Eigenkreationen dienen können.