Alles außer Amps

Line 6 HX Effects im Test

Anzeige
Line 6 HX Effects
(Bild: Dieter Stork)

Nachdem der Helix die Pod-Reihe von Line 6 beerbt hat sind nun die Bodeneffekte dran. Der Nachfolger der beliebten M-Serie heißt HX Effects und ist im Prinzip ein Helix ohne Ampsimulationen und Pedal.

Die Idee ist naheliegend: Mit dem Helix hat Line 6 ein sehr gutes Gerät auf den Markt gebracht, das erst mal alles kann. Doch besonderer Beliebtheit erfreuen sich seit Jahren insbesondere die Boden- Multis der Firma. Was läge da also näher, als die Effekte des Helix zusammen mit dessen toller Hardware an die Bedürfnisse all jener anzupassen, die ihre Ampsounds eher analog mögen?

Anzeige

Die äußeren Werte

Wie mittlerweile durch die Helix-Geräte bekannt, kommt auch das HX Effects im schicken Karton. Neben dem Gerät befindet sich ein externes Netzteil im Lieferumfang. Dieses wirkt leider sehr billig und der Adapter für die deutsche Steckdose lässt sich auch nur widerwillig montieren. Für zu Hause ist es OK, für den regelmäßigen Tour-Betrieb würde ich mir wohl zeitnah eine Alternative suchen. Das Gerät selbst ist ohne Fehl und Tadel verarbeitet. Das Gehäuse wirkt sehr robust, kein Poti wackelt und die Taster haben angenehme Druckpunkte. Vom „großen“ Helix kennt man mittlerweile die Scribble Strips. So nennt Line 6 die kleinen Displays über einzelnen Fußschaltern, welche je nach Belegung verschiedene Dinge anzeigen können. Auch die schon seit einigen Geräte-Generationen bekannten – mit LEDs farblich umrandeten – Fußschalter haben ihren Weg in die neuste Kreation gefunden. Im Gegensatz zu einigen Konkurrenten gibt es nicht so etwas wie einen Hauptbildschirm, hier wird alles über die Scribble Strips geregelt. Dies ist ein weiterer Faktor, der zu einer sehr angenehmen Größe des Pedals beiträgt: Alles ist weit genug auseinander, um beim Stepptanz nicht aufpassen zu müssen, aber auch eng genug gepackt, um sehr wenig des wertvollen Pedalboard-Real-Estates abzweigen zu müssen. Und wenn man dann noch bedenkt, wie viele Effekte das Line 6 Gerät potentiell ersetzen kann, so ist man umso mehr von den Dimensionen begeistert. Ob ein solches Multi ein eingebautes Pedal haben sollte, darüber kann man vortrefflich streiten. Persönlich finde ich die Lösung so gut. Wenn man Expression- Pedale benötigt, hat man die Möglichkeit, zwei nach Wahl anzuschließen. Benötigt man keines, so bleibt das Gerät kompakter und man hat die Möglichkeit, die Buchsen zum Schalten von Amp-Funktionen zu nutzen. Auch klar ist dadurch natürlich, dass User, die zwei Pedale und das Schalten benötigen, hier nicht genug Buchsen vorfinden.

Reichen einem die Effekte von Line 6 nicht aus, oder möchte man gerne seinen Amp per 4-Kabel-Methode integrieren, so stehen je zwei Send- und Return-Buchsen zur Verfügung, die bei Bedarf auch zum Stereo-Betrieb gekoppelt werden können. Auch Input und Output des HX Effects sind Stereo ausgeführt. So steht prinzipiell auch einem Multi-Amp-Setup nichts im Wege. Natürlich finden sich neben den Klinkenbuchsen auch MIDI In und Out/Thru, sowie eine USB Buchse, um beispielsweise die Firmware zu aktualisieren.

(Hands-Free) Bedienung

Die Bedienung ist wirklich denkbar einfach. OK, ich kannte die berührungsempfindlichen Fußschalter schon aus dem Helix und hatte einfach gehofft, dass ich sie hier auch finde. Und tada: Genau so ist es. Somit ist das Gerät nahezu selbsterklärend. Das ist auch gut so, denn eine Anleitung liegt nicht bei. Lädt man sie sich dann auf der Website herunter, so wird einem mitgeteilt, dass eigentlich ja eh niemand Anleitungen liest und die Redakteure deswegen auch nicht so richtig Lust haben, welche zu schreiben und man sich doch lieber die Videos anschauen soll, die die Bedienung erklären. Klingt erst mal komisch, ist aber so unglaublich sympathisch geschrieben, dass dies vermutlich der beste Start einer Anleitung ist, den ich kenne.

Aber tatsächlich ist da was dran: Hat man die grundlegende Bedienung einmal verstanden, ist alles total selbsterklärend. Der Home-Button führt einen immer zum Start zurück, Save speichert Änderungen, das Burger-Menü ruft weitere Einstellungen auf. Alles gelerntes Verhalten. Mit dem großen Regler wählt man einen anderen Effekt, mit den kleineren stellt man Parameter ein. Die einzelnen Fußschalter sind nun jeweils einem Effekt zugeordnet, der wie auf einem analogen Board ein und ausgeschaltet werden kann. Berührt man einen der Schalter mit dem Finger, so kann man seine grundlegenden Parameter ändern. Berührt man ihn etwas länger, so sieht man alle Parameter.

Du bist mehr der Fan von Presets? Kein Problem. Einfach den Mode Taster drücken und die beiden Taster links werden zu Bank Up/Down und die vier Taster rechts zu den vier Presets pro Bank. Der Tap-Taster funktioniert in beiden Modi gleich und lässt dich die Zeiten eintappen. Hältst du ihn gedrückt, so erscheint der Tuner. Und willst du wirklich mal alle Effekte umgehen, so drückst du einfach Mode und Tap gleichzeitig.

So, das war’s eigentlich auch schon. Ziemlich simpel, oder? Und selbst wenn man Controller zuweisen oder Snapshots speichern will, wird es kaum schwerer. Klar, das ist alles auch nicht unbedingt neu, aber dennoch ein Lob an Line 6, dass die einfache Bedienung hier höchste Priorität hatte und konsequent umgesetzt wurde. Und spätestens durch die Scribble Strips und die farbliche Hervorhebung weiß man jederzeit, was sich da zu seinen Füßen abspielt. Das Tolle? Man kann auch fast alles direkt mit den Füßen editieren. Klar, du hast vielleicht ein Expression- Pedal angeschlossen. Aber das ist ja zunächst nur einem ganz bestimmten Parameter zugewiesen.

Einfach Mode gedrückt halten und dann den Effekt auswählen, den man editieren möchte. Nun werden die ersten drei Parameter angezeigt. Man wählt wiederum einen aus und schon kann man ihn mit dem Expression-Pedal regeln oder mit zwei Buttons feinjustieren. Klingt erst mal etwas abstrakt, heißt aber, dass du, ohne dich zu Bücken, im Live-Betrieb den Mix deines Delays oder die Frequenz des Chorus anpassen kannst. Auch so eine Sache, die man hier nicht zum ersten Mal sieht, die aber einfach konsequent gut umgesetzt wurde.

Alles an Board

Was ist nun drin im kleinen Kasten? Wie gesagt: Fast alles, was das Helix zu bieten hat, außer den Amps. Das bedeutet in erster Linie viele neue Effekte, die auf der Helix Engine beruhen. Dazu gesellen sich noch alte Bekannte aus den M-Serien, welche sich völlig zu Recht nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen.

Line 6 HX Effects Rückseite
(Bild: Dieter Stork)

Tatsächlich scheint Line 6 seine lange Jahre betriebene Politik der kostenpflichtigen Model-Packs jetzt zumindest etwas zu überdenken und liefert für Helix und HX Effects (bisher) gratis Updates. So kam das Multi mit der Firmware 2.4 bei mir an, welche unter anderem schon die Simulation des Xotic EP Boosters beinhaltet, welche hier „Kinky Boost“ genannt wird. Das freut mich natürlich sehr. So kann man darauf hoffen, auch in Zukunft stetig mehr spannende neue Effekte zu erhalten. Doch auch so kann man sich nicht beschweren. Es gibt beispielsweise aktuell 21 Boost/OD/Dist/Fuzz Pedale zu entdecken. Die Auswahl reicht hierbei von absoluten Klassikern, wie einem TS808 über sehr beliebte und begehrte Boutique Pedale wie ein Klon Centaur bis hin zu speziellen Bass-Effekten wie dem Wounded Paw Battering Ram Bass Overdrive oder einem Darkglass Electronics Microtubes B7K. Auch bei den Delays lässt sich das HX Effects mit aktuell 18 Typen nicht lumpen.

Hier ist alles vom TC 2290 bis hin zum Electro- Harmonix Deluxe Memory Man vertreten. Ähnlich breit aufgestellt geht es in den anderen Kategorien weiter. Da man nicht wie beim Helix aus einer grafischen Benutzeroberfläche auswählen kann, welche Art von Pedal man auf den Button legen will, sondern dies lediglich durch durchscrollen am Poti macht, kann es vorkommen, dass man ganz schön lange dreht. Zum Glück hilft auch hier die farbliche Kodierung der Schalter-LEDs sehr weiter. So steht Orange für Drives, Grün für Reverb, und so weiter. Man dreht also so lange bis man die Farbe seiner Wahl sieht und sucht sich hier nun das passende Gerät aus. Oder man macht sich das Leben etwas leichter, drückt einmal den großen Regler und kann direkt auf die einzelnen Kategorien zugreifen.

Besonders spannend ist hierbei die Farbe Pink. Diese steht nämlich werksseitig für Impulsantworten. Es ist also auch möglich, selbst erstellte oder von Drittanbietern eingekaufte IRs zu verwenden. Das ist insbesondere interessant, wenn man seinen Amp mittels 4-Kabel-Methode anschließen möchte oder auf seinem Board vielleicht ohnehin schon ein Preamp Pedal nutzt. So kann man live direkt ein aufbereitetes Signal zum Mischer geben, oder auch zu Hause mal eben direkt aufnehmen, ohne laut werden zu müssen. Alternativ ist es auch denkbar, Impulsantworten von Akustik-Gitarren oder Ähnlichem zu laden und so den Sound der E-Gitarre ordentlich zu verbiegen.

Line 6 HX Effects frontal
(Bild: Dieter Stork)

Praxis

Die Bedienung überzeugt, das Gerät ist platzsparend und bietet alle Effekte die man so brauchen könnte. Was fehlt? Genau, die Beantwortung der Frage, wie es sich nun in der Praxis schlägt. Was mich schon mal sehr freut: Ich kann so viele Instanzen eines Effekts nutzen wie ich will.

Sechs Drives hintereinander? Kein Problem. Und auch als ich spaßeshalber vier Stereo 4 OSC Generatoren in ein Preset lege, gibt das Gerät noch nicht auf. Die Sounds sind fast durchgehend richtig gut. Insbesondere was Delays angeht, hat Line 6 bei mir und wohl einer ganzen Menge anderer Gitarristen schon seit dem DL-4 ein Stein im Brett und natürlich glänzt hier auch das HX Effects. Auch die Drives gefallen mir gut. Meine analoge Rat klingt zwar etwas anders als das hier abgebildete Modell, aber das mag auch am Jahrgang liegen. Auch die technisch bedingt schwierig zu simulierenden Fuzzboxen sind hier gut gelungen und decken eine große Bandbreite ab. Lediglich die Pitch Effekte können nicht gänzlich überzeugen, aber das ist ja auch mehr oder minder die Königsdisziplin. Das Schöne? Man kann das HX Effects ja nach Lust und Laune mit (analogen) Pedals seiner Wahl erweitern und bleibt vermutlich immer noch bei einem recht kompakten Board.

Resümee

Line 6 legt hier sinnvoll nach. Wer keinen Bedarf an den Ampsimulationen des Helix hat, der spart hier Platz und Geld. Die Bedienung ist durchdacht und einfach, die Scribble Strips und farbigen Schalter helfen enorm bei der Bedienung und Übersicht und gut klingen tut das Ganze auch noch.

Mit aktuell rund ! 560 Straßenpreis hat Line 6 auch einen guten Kurs getroffen. Man liegt am oberen Ende der Multis, und nicht sehr viel über einigen Boutique Delay Pedalen. Zwar gefällt mir persönlich der Sound eines Fractal Audio FX8 noch etwas besser, aber erstens sind das keine Welten mehr, zweitens kostet das Fractal ziemlich genau doppelt so viel und drittens ist das Line 6 mittlerweile das besser zu bedienende Pedal. Ein Vergleich bietet sich dann natürlich auch zu den hauseigenen Produkten an. Ein Helix LT kostet rund ! 800 und bietet neben den Effekten noch die Ampsimulationen und hat mehr Schalter und das Pedal gleich eingebaut. Dafür fehlen die Scribble Strips. Diese erhält man erst wieder beim „richtigen“ Helix für ca. ! 1300. Von daher eine ganz klare Kaufempfehlung für das HX Effects. Es macht Spaß, klingt gut und ist preislich attraktiv positioniert. Ein rundum gelungenes Paket.

Plus

  • Sounds
  • Bedienung
  • Anmutung
  • Displays (Scribble Strips)

Minus

  • billig wirkendes Netzteils

Line 6 HX Effects Übersicht

[5097]


(Aus Gitarre & Bass 06/2018)

Produkt: Treble Booster im Test
Treble Booster im Test
Der Treble Booster war in den 60er und 70er Jahren das Effektgerät schlechthin. Hol dir jetzt 4 Gratis-Testberichte zum Sound-Wunder!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren