Leuchtgewicht: Blackstar St. James 50 6L6 & 212VOC Cabinet im Test
von Nils Finkeisen,
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(Bild: Dieter Stork)
Klassische wie auch moderne High-Gain- und dynamische Clean-Sounds sind bei nahezu jedem Gitarrenverstärker aus dem Hause Blackstar eine Selbstverständlichkeit, doch der neue, relativ kleine und vor allem leichte St. James 50 6L6 bietet viel mehr als das.
Die Chefetage von Blackstar Amplification im englischen Northampton hat sich wohl gedacht, dass es wirklich klasse wäre, einen 50-Watt-Vollröhrenverstärker mitsamt einer 2×12″-Box tragen und dennoch mit einem wirklich erwachsenen Sound im Proberaum glänzen zu können. Mit dem Amp auch noch gut auf der Bühne auszusehen wäre ebenfalls total hip. Und wäre es obendrein nicht schön, wenn das Firmenlogo auf dem Amp leuchten würde?
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Das tut es! Und das Blackstar-Emblem auf dem Cabinet leuchtet ebenso hell, sofern man es mit einem externen Netzteil mit 9 Volt DC und mindestens 100mA Leistungsfähigkeit versorgt. Allerdings sind solch illuminierte Markennamen kein Novum mehr, Matchless und Bad Cat Amps haben’s vorgemacht. Daher haben sich die Designer bei Blackstar noch viele weitere und teilweise sehr spezielle Konstruktionsmerkmale einfallen lassen.
TECHNIK
Selten habe ich einen Verstärker aufgeschraubt und hineingeschaut, noch bevor der erste Ton damit gespielt wurde. Aber das Blackstar-St.-James-50-6L6-Topteil ist derartig leicht und klein, dass das einen sofortigen Blick unter die Haube provozierte. Das Innenleben des St. James besteht aus mehreren kleinen Platinen. Eine davon trägt ein patentiertes Schaltnetzteil, was dann schon zu einem großen Teil das geringe Gewicht erklärt – schließlich braucht es hier keinen schweren Netztrafo im klassischen Sinne (direkt an der Steckdose) mehr. Auf der Platine des Schaltnetzteils (aka SMPS für „Switched Mode Power Supply“) sitzen noch zwei kleine und leichte Trafos.
Einer davon ist der Haupttrafo (für Heizung und Halbleiter), der andere kümmert sich um die Hochvolt-Spannungsversorgung der Röhren. Die entsprechende Platine ist zur Kühlung senkrecht, ganz nahe an der Rückseite, in das Gehäuse geschraubt. Sie wird mit einem Lüfter gekühlt, der glücklicherweise nicht schon bei kleinster Lautstärke aktiv wird, sondern nur bei drohender Überhitzung unter Volllast.
Dahinter sitzt der kleine, leichte, aber immer noch traditionell gebaute Ausgangsübertrager, zwei 6L6- und zwei ECC83-Röhren. Auch frontseitig ist der Blackstar St. James 50 6L6 ein echter Traditionalist.
Neben der Eingangsbuchse befindet sich ein als Volume I beschrifteter Eingangs-Gain-Regler für den Clean-Kanal, rechts davon ein Kanalwahlschalter, gefolgt vom Gain-II-Poti des OD-Kanals und dem dazugehörigen Volume-II-Regler. Ein Channel-Voicing-Schalter bringt dem Overdrive-Kanal nochmals richtig Schub, Kompression und ein modernes Höhenbild und kann auch über den mitgelieferten F20-Doppelfußtaster aktiviert werden. Ein klassischer Equalizer, der Mix-Regler für den integrierten, digitalen Hall und ein Master-Volume-Poti komplettieren das Gesamtbild beinahe. Einzig ein kleiner Schalter, der die Leistung der Endstufe von 50 Watt mit voller Dynamik, über 50 Watt mit viel Kompression, bis hin zu nur 2 Watt Leistung umschaltet, sieht nach einer echten Neuerung aus.
(Bild: Dieter Stork)
Rückseitig wirkt der St. James ebenfalls aufgeräumt und fast schon edel. Eine USB-Audio-Schnittstelle ermöglicht es, den Amp direkt aufzunehmen, ohne dass eine echte Box angeschlossen ist. Hierzu sind ebenfalls der Line- bzw. Kopfhörer-Ausgang und der symmetrische D.I.-Out via XLR nutzbar, mit jeweils unterschiedlichen, digitalen Boxensimulationen auf der Basis von Impulsantworten. Die Ausgänge befinden sich zwischen den Speaker-Ausgangsbuchsen mit 1x 16 Ohm, 1×8 Ohm oder 2x 16 Ohm Impedanz und dem in seiner Lautstärke von +4 Dezibel auf -10 Dezibel schaltbaren, seriellen Einschleifweg. Hinzu kommen die Anschlussbuchse des Fußschalters, mit dem die beiden Kanäle und das zweite Voicing des Overdrive-Kanals geschaltet werden können, sowie ein Sicherungshalter und der Kaltgerätekabel-Anschluss für den mit Wechselstrom zwischen 50 und 60Hz und bei einer Spannung von 100 bis 240 Volt problemlos international nutzbaren Verstärker.
(Bild: Dieter Stork)
Verbindet man den St. James mit der dazugehörigen 212VOC-Gitarrenbox, fällt auf, dass das Topteil leider keinen separaten 9V-DC-Ausgang bereitstellt, um das Logo der Box mit Strom zu versorgen und sich auch kein externes Netzteil im Lieferumfang der Box befindet. Hier darf gerne nachgebessert werden.
Ansonsten ist auch bei der Box das bemerkenswert geringe Gewicht auffällig. Sie ist – wie auch das Topteil – aus Candlenut Plywood, also aus Schichtholz des Lichtnussbaumes, das besonders leicht ist, gebaut. Als Speaker kommen speziell für Blackstar entwickelte G12Z-70-Zephyr von Celestion zum Einsatz. Auch sie sind besonders leicht, arbeiten aber mit Ferrit- und nicht (wie man vermuten könnte) mit Neodym-Magneten und sollen sich klanglich am Vintage 30 orientieren. Wir sind gespannt. Im Bezug auf das möglichst geringe Gewicht geht die Gleichung schonmal auf.
SOUNDS
Grundsätzlich klingt der St. James 50 6L6 etwa genauso musikalisch wie ein Blackstar-Series-One-Amp oder ein Marshall JVM. Die Briten meinen es ernst mit diesem waschechten 50-WattVollröhren-Boliden. Der Clean-Kanal stellt sich als ausgesprochen Pedal-freundlich dar und kann auch bei sehr hohen Lautstärken und Eingangs-Gain-Einstellungen stabil und unverzerrt bleiben, sofern man die 50 Watt Leistung ohne zusätzliche Sag-Schaltung der Endstufe abruft. Wenn man einen Clean-Sound mit einem Schuss Weichzeichner braucht, genau an der Grenze zum Break-Up oder bis hin zum leichten Crunch, leistet aber eben jener Sag-Schalter einen hervorragenden Dienst.
Auch der digitale Hall des St. James klingt nicht schlechter als die schon aus vielen anderen Produkten bekannten Digital-Reverbs von Accutronics. Er eignet sich ebenfalls für die Verfeinerung der Sounds des Overdrive-Kanals, der mit zwei sinnvoll nutzbaren Voicings alle Facetten zwischen den klassischen Klängen von Eddie van Halen und modernen Metal-Rhythmusgitarren im Stile von Bands wie Gojira abbilden kann, sofern man die passende Gitarre wählt.
Bemerkenswert ist die 212VOC-Box mit ihren G12Z-70-Zephyr-Zwölfzollern. Diese sehr leichten Lautsprecher klingen tatsächlich wie eine gesunde Mischung aus dem etwas dunklen und mittigen G12M-20-Watt-Greenback und einem Vintage 30. Die im Direktvergleich etwas leichtfüßige Ansprache der Zephyr-Speaker, mit ihren sehr kleinen Magneten, fällt lediglich bei unverzerrt gespielten Signalen überhaupt auf.
Da sich die 212VOC-Box hinten zu einem Drittel öffnen lässt, kann man zudem nach Herzenslust experimentieren und nach dem besten Clean-Sound mit dem perfekten Attack suchen.
Und wenn ich keine Box benutzen möchte? Das ist ebenfalls kein Problem, denn eine der größten Stärken des Blackstar St. James 50 6L6 liegt in der erstaunlich hohen Klanggüte des Kopfhörerausgangs, der USB-Audio-Schnittstelle und des symmetrischen D.I.-Out an der rückseitigen XLR-Buchse. Hier hat Blackstar durch die Verwendung einer reaktiven Last und durch drei wirklich gut ausgewählte Impulsantworten, die man mit einem kleinen Kippschalter auswählen kann, ganze Arbeit geleistet und ist keine Kompromisse eingegangen.
ALTERNATIVEN
Ähnlich leichte Cabinets gibt es derzeit in der Silver Line von DV Mark, allerdings klingen die Lautsprecher der DV-Mark-Boxen weniger britisch als die Zephyr-Speaker in der Blackstar-Box. Der St. James ist aufgrund seiner Leistung und des geringen Gewichts, gepaart mit modernen Ausstattungsmerkmalen wie der USB-Schnittstelle und seiner reaktiven Loadbox, derzeit alternativlos unter den Vollröhrenverstärkern.
RESÜMEE
Volltreffer! Blackstar Amplification bietet mit dem St.-James-50-Watt-6L6-Topteil und der passenden 212VOC-Gitarrenbox ein echtes Profi-Rig in Leichtbauweise an, ausgestattet mit einem „Best-of“ zeitgemäßer Features. Der reinrassige 50-Watt-Vollröhren-Amp klingt so hervorragend, dass er auch interessant werden könnte, wenn man noch keinen Rückenschaden hat und rundet Blackstars Kompaktverstärker-Sortiment eindrucksvoll nach oben ab.
Cooles Teil, bis es zur ersten Reparatur kommt. Dann reiht er sich ein in den Elektro Schrott, neben Handys und Flachbildfernseher. Aber das wird momentan bei allen Herstellern zur Gewohnheit. SMD sei dank.
Cooles Teil, bis es zur ersten Reparatur kommt. Dann reiht er sich ein in den Elektro Schrott, neben Handys und Flachbildfernseher. Aber das wird momentan bei allen Herstellern zur Gewohnheit. SMD sei dank.