(Bild: Dieter Stork)
Epiphones neuester Marketing-Coup hat Gitarrespielende, Gitarrensammler sowie Fantasy- und Science-Fiction-Fans gleichermaßen im Visier. Als Basis für die Art Collection diente Adam Jones‘ modifizierte 1979er Gibson Les Paul Custom Silverburst.
Auf dem Korpusrücken des zweiten Art-Collection-Exemplars der Serie prangt die Reproduktion des Bildes ‚The Berserker‘ von Frank Frazetta (1928-2010), einem der bekanntesten und einflussreichsten Fantasy- und Science-Fiction-Illustratoren. Adam Jones ist nicht nur Gitarrist bei Tool, sondern zeichnet auch für deren visuelle Präsenz in Form von Videos, Album- und Bühnengestaltung verantwortlich. In der Vergangenheit arbeitete er u.a. an den Filmeffekten diverser Oskar-gekürter Blockbuster.
Da lag es nahe, dass er auch die Kunst-Reproduktionen auswählte, von denen sieben verschiedene Motive die Korpusrückseiten seiner Epiphone Les Paul Custom Art Collection zieren. Jedes der sieben Modelle ist weltweit auf 800 Stück limitiert. Um die Exklusivität zu unterstreichen, trägt der Deckel des E-Fachs den Namen des jeweiligen Künstlers und Kunstwerks und die Kopfplattenrückseite ein geschwungenes Emblem der Künstlerin Korin Faught, der Ehefrau von Adam Jones. Quasi als Krönung wird jede Gitarre in einem Epiphone/Gator-Protector-Hartschalenkoffer geliefert, der als Panzerschrank unter den Gitarrenkoffern gilt.
KLASSIKER-SPECS
Wie bereits erwähnt, basiert die Epiphone Adam Jones auf dessen eigener Lieblingsgitarre, einer 79er Les Paul Custom in der damals hippen Lackierung Silverburst, aktuell als „Antique Silver Burst“ bezeichnet. Es entpuppt sich als leicht grünstichig getöntes, spiegelglatt poliertes Hochglanz-Finish inklusive des farblos überlackierten rückseitigen Kunstwerks. Ob Selbiges zunächst auf einem Trägermaterial oder direkt aufs Holz gedruckt wurde, ist nicht zu erkennen, letztlich aber auch egal. Wo war ich?
Ach ja, 79er LP Custom. Eingeweihte wissen: Mahagonikorpus mit gewölbter Ahorndecke, vorne siebenfaches, hinten fünffaches Binding, eingeleimter, dreifach gesperrter Ahornhals, einfach eingefasstes Ebenholzgriffbrett mit Perloid Block Inlays, stabilisierender Kragen (Volute) am Übergang zur fünffach eingefassten Kopfplatte, die wiederum mit traditionellem Split Diamond Inlay. Der vorbildlich abgerichtete Sattel kommt von GraphTech. Die sechs ungelabelten Tuner erinnern an Schaller M6-135, sind es jedoch nicht, arbeiten dennoch präzise und smooth. Unbedingt erwähnenswert ist der vom klassischen Glockenplättchen abgedeckte Trussrod, mit dem sich die Halskrümmung in zwei Richtungen justieren lässt. Auf dem Weg zur Epiphone LockTone Tune-omatic Bridge mit Stopbar-Saitenhalter passieren wir 22 ordentlich abgerichtete, schlanke Bünde, deren Kanten jedoch das letzte Quäntchen Sorgfalt vermissen lassen.
Warum Epiphone den Steg mit LockTone bezeichnet, erschließt sich mir nicht, da es keinerlei Arretierschrauben gibt. Immerhin sitzt der Drahtbügel stramm auf den Reiterschrauben sodass hier nichts vibriert oder gar rappelt. Die Deckel von E-Fach und Toggle-Schalterkammer hat man Oberkante bündig eingelassen.
(Bild: Dieter Stork)
Drinnen treffen wir auf wertige Komponenten wie CTS-Potis und Orange-Drop-Kondensatoren, deren Kabelverbindungen zu den Pickups gesteckt sind.
Apropos: In der Halsposition trägt die Adam Jones Silverburst einen um 180° verdreht montierten Epiphone ProBucker Custom mit Nickelkappe, am Steg einen leistungsstarken Seymour Duncan Distortion SH-6 Humbucker, das Ganze in bewährter Gibson-Manier verschaltet.
(Bild: Dieter Stork)
Ein stählernes Zargenblech trägt die stramm packende, Epiphone-gelabelte Klinkenbuchse, zwei filzunterlegte, rautenförmige Posi-Lock-Strap-Pins bieten dem Gurt absolut sicheren Halt und sind auch problemlos zu handhaben.
Soundcheck und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
SCHWERGEWICHT
Wer in den 70er- und frühen 80er-Jahren mit Gibson Les Pauls dieser Ära am Start war, weiß um deren Gravitationskräfte. Da konnte ein 2-stündiger Gig physisch bisweilen zur Tortur werden. Mit exakt 4,5 kg zählt die Adam Jones Silverburst allerdings eher zu den Leichteren dieser Ära, die gerne mal 5 kg und mehr auf die Waage bringen. Abgesehen vom Gewicht spielt sich unsere kunstaffine Protagonistin wie eine klassische Les Paul. Während das Halsprofil meiner Hand schmeichelt, bedarf der ungewöhnlich starke Anstieg der Halsdicke einer gewissen Gewöhnung, da diese vom ersten bis zum zwölften Bund um fast 5 mm zunimmt. Die butterweich rotierenden CTS-Potis gestatten präzise und gleichmäßige Volume- und Tone-Kontrolle und bieten dank der zylindrischen Speed-Knöpfe hohen Bedienkomfort.
An Body und Hals deutlich spürbar gibt sich die Epiphone Adam Jones LP Custom nach jedem Anschlag schwing-, vor allem aber sustain-freudig. Ihr luftig-lebendiges Klanglich ist von knackigstraffen Bässen, Höhen und Brillanz geprägt. Genau diese Mixtur aus Mahagoni/Ahorn-Body, Ahornhals und Ebenholzgriffbrett ist es, die der Gitarre ihren gleichmäßig komprimierten, höhenreichen Klang verleiht, der von Heavy-Rockern und Metallern bevorzugt wird. Da liegt der Fokus halt eher auf dem Sound als auf Ausdruck und Spieldynamik. Dennoch spricht die Adam Jones direkt an, punktet mit spontaner, flinker Tonentfaltung und präziser Saitentrennung.
Wie bei Adam Jones’ Original-Gibson, hat man auch hier den Halspickup um 180 Grad verdreht montiert, sodass die Polschrauben zum Steg zeigen. Da werden spontan Assoziationen zu Peter Green, Gary Moore bzw. aktuell Kirk Hammett mit ihrer 59er Burst wach. Jedoch hat Epiphone hier auf deren Out-of-Phase-Konstellation verzichtet, die durch horizontales Verdrehen des Magneten erzeugt und primär dann hörbar wird, wenn beide Pickups simultan aktiv und deren Volume-Regler voll aufgedreht sind. Der „verdrehte“ Halspickup unserer Protagonistin klingt etwas klarer und offener und besitzt weniger Dominanz in den Bässen als ein konventionell ausgerichteter PAF-Typ. So liefert der Humbucker am cleanen Amp warme runde Sounds mit definierteren Bässen, seidiger Brillanz und silbrigen Obertönen und damit ein Klangbild, das sich durch luftige Transparenz und Vitalität auszeichnet und sowohl bei Crunch als auch High Gain selbst komplexere Akkorde sauber darstellt.
Als einer der heißesten Passiv-Humbucker des Seymour-Duncan-Programms zeichnet sich der Distortion SH-6 in der Stegposition selbst bei rauen High-Gain-Sounds durch Klarheit und Offenheit aus und zeigt dabei noch eine erstaunlich lebendige Dynamik. Bässe und Mitten drücken fett und brachial aus den Lautsprechern, ohne die Transparenz zu beeinträchtigen, und mehrstimmige, über Powerchords hinausgehende Akkorde bleiben erkennbar. Die Höhen kommen aggressiv und bissig, lassen sich aber dennoch mit dem Anschlag dosieren. Ein breites Obertonspektrum rundet das Klangbild nach oben ab. Im Clean-Betrieb kann der SH-6 sogar mit einer gewissen Wärme und luftiger Transparenz überzeugen. Die Kombi beider Humbucker liefert glasklar perlende glockige Sounds, die sich fürs Rhythmus- oder Arpeggio-Spiel aber auch für High-Gain-Lead-Sounds anbieten.
RESÜMEE
Mit dem zweiten Exemplar der Adam Jones Les Paul Custom Art Collection bringt Epiphone eine interessante Variante seines Luxusmodells an den Start, und das nicht nur aus der Sicht von Fantasy- und Science-Fiction-Fans. In erster Linie haben wir es hier mit einer klasse Gitarre mit den von Metallern bevorzugten Holzkomponenten zu tun, nämlich mit Ebenholzgriffbrett und hohem Ahornanteil. Der Epiphone ProBucker Custom, vor allem aber der Seymour Duncan Distortion Humbucker befähigen die Les Paul nicht nur, aber vorrangig, für härtere musikalische Genres. Bis auf die nicht ganz optimal verrundeten Bundkanten wurde die Gitarre tadellos verarbeitet, und im Hinblick auf den Gator-Protector-Koffer ergibt sich ein ausgewogenes Verhältnis von Preis und Leistung.
PLUS
- Clean- bis High-Gain-Sounds
- Ansprache, Dynamik & Sustain
- wertige E-Komponeten
- 2-Weg-Stahlstab
- Optik, speziell Rückseite
- Spielbarkeit
- Verarbeitung
- Gator Protector Case
- Preis/Leistung
MINUS

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)