(Bild: Dieter Stork)
Ibanez treibt den Ausbau der Iron-Label-Baureihe immer weiter voran und ist nun an einem Punkt angekommen, bei dem das ein oder andere Modell ein paar Veränderungen erfährt. In gewisser Weise ist das auch bei der RGRB620 der Fall.
Im März 2023 hatte ich gleich drei unterschiedliche Modelle der Iron-Label-Serie zum Test hier – unter anderem auch das Modell RGRTB621. Ja, die beiden Gitarren sind auf den ersten Blick erschreckend ähnlich – aber eben nur auf den ersten Blick.
ALL BLACK!
Im ersten Moment war ich mir beim Auspacken der RGRB620 nicht einmal sicher, ob ich es hier überhaupt mit einer Ibanez-Gitarre zu tun habe. Das Logo ist so schwarz, dass es sich nur bei einem bestimmten Lichteinfall auf der Reverse-Kopfplatte von der mattschwarzen Lackierung abhebt. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber angesichts des Konzepts der Gitarre nur konsequent: Hier ist wirklich alles schwarz.
(Bild: Dieter Stork)
All Black! Schwärzer geht nicht. Das komplette Instrument ist in der für die Iron-Label-Baureihe typischen mattschwarzen Farbe gehalten. Der Korpus aus Nyatoh weist die übliche RG-Form auf und ist mit großzügigen Shapings für den rechten Arm und den Bauch versehen. Anders als bei der 2023 von mir getesteten RGRTB621 kommt hier kein durchgehender, sondern ein verschraubter, fünfstreifiger Hals aus einer Ahorn- und Walnuss-Kombination zum Einsatz.
Geblieben ist das dünne Wizard-III-Profil sowie die 24 sauber in das Ebenholz-Griffbrett eingelassenen Jumbo-Bundstäbe. Im Dunkeln lumineszierende Luminlays bieten die nötige Orientierung auf schlecht ausgeleuchteten Bühnen oder in schummerigen Proberäumen.
Nach Griffbrett-Einlagen sucht man hier hingegen vergebens, was angesichts des All-Black-Konzepts natürlich Sinn ergibt. Für maximalen Komfort wurde der Übergang zwischen Hals und Korpus stark verrundet, sodass sich in den obersten Lagen ein möglichst angenehmes und hürdenloses Spielgefühl ergibt.
Die Saiten laufen über eine 648 mm lange Mensur von einem Edge-Zero-II-Vibrato-System (anstatt der Monorail-Konstruktion der RGRTB621) bis hin zum Locking-Sattel – beides selbstverständlich in Schwarz – und sind auf der Kopfplatte mit sechs satt drehenden Locking-Mechaniken aus dem Hause Gotoh gekontert.
Hier befindet sich auch die Abdeckung für den Halsstab, die ohne jedes Werkzeug zur Seite geschoben werden kann, um den Hals gegebenenfalls nachzujustieren. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen der Testgitarre und der RGRTB621 sind die Tonabnehmer: Anstatt der DiMarzio Fusion-Edge-Pickups sind in der RGRB620 D-Activator-Humbucker aus gleichem Hause verbaut, die ja bekanntlich DiMarzios passive Antwort auf das Konzept aktiver Gitarrentonabnehmer sind.
Passend zum Look der Gitarre sitzen die Tonabnehmer in schwarzen Metalkappen und sind mit zwölf schwarzen Innensechskantschrauben ausgestattet. Die gesamte Elektronik – also der Fünf-Wege-Schalter, die beiden Regler für Volume und Tone sowie Ibanez’ hauseigene Dyna-MIX10-Schaltung – ist identisch mit dem Schwestermodell.
Das gesamte Setup unserer schwarzen Schönheit würde ich durchweg als tadellos bezeichnen. Das Vibrato-System arbeitet einwandfrei, und die Saitenlage ist für eine Werkseinstellung bemerkenswert flach – zusammen mit dem dünnen Halsprofil also ein Traum für schnelle Finger. Auch auf der elektrischen Seite gibt es keinerlei Mängel: Die Verdrahtung ist sauber verlegt, und alle Lötstellen machen einen einwandfreien Eindruck.
(Bild: Dieter Stork)
PASSIV AKTIVIERT
Obwohl ich selbst nie eine Ibanez RG besessen habe, ist diese Form für mich persönlich genauso eine feste Größe in der Welt elektrischer Gitarren wie Strat, Tele und Les Paul. Sofort fühlt sich die RGRB620 vertraut und auf gewisse Weise gewohnt an. Das seriöse Gewicht von 3,7kg verteilt sich ausgewogen auf das gesamte Instrument, sodass hier keine Dysbalance in die eine oder andere Richtung entsteht.
Der Wizard-III-Hals ist hervorragend bespielbar und dürfte für die allermeisten Gitarrist:innen völlig problemlos in der Handhabung sein. Im direkten Vergleich mit einem normalen Floyd-Rose-System stelle ich fest, dass ich das Design der Ibanez-Edge-Locking-Systeme für den Handballen der Anschlagshand als etwas angenehmer empfinde. Auch die leicht nach hinten versetzten Feinstimmer sind mir persönlich weniger „im Weg”.
Akustisch gespielt zeigt sich die RGRB620 von einer sportlich-rasanten Seite. Wie bei vielen Gitarren mit unterfrästen Locking-Vibratos sind die Bässe ein wenig zurückgestellt, was ich aber keineswegs als negativ empfinde (mehr dazu später). Die Mitten sind zupackend präsent und gehen in ein knackiges, strahlendes Oberton-Spektrum über.
Am clean eingestellten Verstärker merke ich sofort, dass ich den D-Activator-Humbucker auf der Halsposition ausgesprochen gerne mag. Obwohl dieser Tonabnehmer kein Leisetreter ist, klingt die Gitarre in dieser Position glockenklar und hell – perfekt für moderne Clean-Sounds, bei denen viel tonale Auflösung gefragt ist.
Auf der Stegposition sieht das ganz anders aus: Hier wird der Sound deutlich lauter, viel mittiger und in den Höhen etwas zurückhaltender. Bevor es in den Zerrkanal geht, noch eine kurze Bemerkung zu den Zwischenpositionen des Fünf-Wege-Schalters: Vor allem auf der zweiten Position bekommt man einige tolle Alternativen geboten, die sich hervorragend für cleane und leicht crunchige Sounds eignen.
(Bild: Dieter Stork)
Da wir es hier aber mit einer Iron-Label-Gitarre zu tun haben, dürfte vor allem interessant sein, wie sich die Gitarre im Vollgasmodus des Verstärkers schlägt. Hier zeigt sich, dass die Kombination aus Holz, dem freischwebenden Zero-Edge-II-System und dem Steg-Humbucker sich als ausgesprochen glücklich erweist.
Das Attack ist explosiv, und ich habe das Gefühl, dass der Ton mit unheimlicher Geschwindigkeit reagiert. Die oben erwähnte Schlankheitskur in den Bässen sorgt dafür, dass unsere Testgitarre zwar einen ziemlich geringen klanglichen „Wendekreis” hat, was aber nicht bedeutet, dass das Ganze in Summer zu dünn klänge.
Ganz im Gegenteil: schnelles Downpicking verarbeitet die RGRB620 ebenso mühelos wie fett im Raum stehende Palm-Mutes. Sicher sind die verbauten D-Activator-Pickups nicht wirklich mit aktiven Tonabnehmern von EMG oder Fishman vergleichbar – das Bass-Spektrum ist zwar reaktionsschnell, entspricht aber immer noch dem Spielgefühl passiver Pickups.
Dennoch ist der Sound der Gitarre selbst bei sehr viel Verzerrung vor allem in den oberen Mitten stark betont, was natürlich für die nötige Durchschlagskraft im dichten Mix einer Metalband sorgt. Die dyna-MIX10-Schaltung erweitert die Sound-Palette der RGRB620 abermals: Durch das Anzapfen einer der beiden Humbucker-Spulen bieten sich durch den kleinen „Alter-Switch” noch einmal fünf weitere Sounds.
Diese klingen alle ein wenig leiser, haben aber bei weitem nicht den Lautstärkeverlust eines gesplitteten Humbuckers. Dadurch ergibt sich auf der Stegposition beispielsweise ein bissiger, sehr höhenreicher Sound, der in den oberen Mitten etwas entschärft klingt und eine absolut brauchbare Alternative zum etwas volleren, regulären Betrieb des Tonabnehmers darstellt.
Auch der D-Activator auf der Halsposition klingt im angezapften Modus ein wenig versöhnlicher und liefert einen etwas wärmeren, nicht ganz so offenen Sound, der aber gerade mit ein wenig Verzerrung viel Charme hat.
RESÜMEE
Der Ausbau der Iron-Label-Serie um eine „klassische” Ibanez RG mit Locking-Vibrato und den allgemein beliebten D-Activator-Humbuckern DiMarzio erscheint mir äußerst sinnvoll. Beibehalten wurden die All-Black-Ästhetik sowie die übersichtliche, aber ungemein vielseitige Elektronik.
Dank der Wahl der Tonabnehmer und des verbauten Zero-Edge-II-Locking-Vibratos entpuppt sich unsere Testgitarre als ausgesprochen vielseitiges Instrument, das alle Sounds, die in erster Linie fett, heavy und doch reaktionsschnell klingen sollen, spielend meistert. Dank der dyna-MIX10-Schaltung erhält man darüber hinaus eine breite Palette unterschiedlicher Sounds, die weit mehr zu bieten haben als die schwarze Metal-Keule.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2025)