PASSIV AKTIVIERT
Obwohl ich selbst nie eine Ibanez RG besessen habe, ist diese Form für mich persönlich genauso eine feste Größe in der Welt elektrischer Gitarren wie Strat, Tele und Les Paul. Sofort fühlt sich die RGRB620 vertraut und auf gewisse Weise gewohnt an. Das seriöse Gewicht von 3,7kg verteilt sich ausgewogen auf das gesamte Instrument, sodass hier keine Dysbalance in die eine oder andere Richtung entsteht.
Der Wizard-III-Hals ist hervorragend bespielbar und dürfte für die allermeisten Gitarrist:innen völlig problemlos in der Handhabung sein. Im direkten Vergleich mit einem normalen Floyd-Rose-System stelle ich fest, dass ich das Design der Ibanez-Edge-Locking-Systeme für den Handballen der Anschlagshand als etwas angenehmer empfinde. Auch die leicht nach hinten versetzten Feinstimmer sind mir persönlich weniger „im Weg”.
Akustisch gespielt zeigt sich die RGRB620 von einer sportlich-rasanten Seite. Wie bei vielen Gitarren mit unterfrästen Locking-Vibratos sind die Bässe ein wenig zurückgestellt, was ich aber keineswegs als negativ empfinde (mehr dazu später). Die Mitten sind zupackend präsent und gehen in ein knackiges, strahlendes Oberton-Spektrum über.
Am clean eingestellten Verstärker merke ich sofort, dass ich den D-Activator-Humbucker auf der Halsposition ausgesprochen gerne mag. Obwohl dieser Tonabnehmer kein Leisetreter ist, klingt die Gitarre in dieser Position glockenklar und hell – perfekt für moderne Clean-Sounds, bei denen viel tonale Auflösung gefragt ist.
Auf der Stegposition sieht das ganz anders aus: Hier wird der Sound deutlich lauter, viel mittiger und in den Höhen etwas zurückhaltender. Bevor es in den Zerrkanal geht, noch eine kurze Bemerkung zu den Zwischenpositionen des Fünf-Wege-Schalters: Vor allem auf der zweiten Position bekommt man einige tolle Alternativen geboten, die sich hervorragend für cleane und leicht crunchige Sounds eignen.
(Bild: Dieter Stork)
Da wir es hier aber mit einer Iron-Label-Gitarre zu tun haben, dürfte vor allem interessant sein, wie sich die Gitarre im Vollgasmodus des Verstärkers schlägt. Hier zeigt sich, dass die Kombination aus Holz, dem freischwebenden Zero-Edge-II-System und dem Steg-Humbucker sich als ausgesprochen glücklich erweist.
Das Attack ist explosiv, und ich habe das Gefühl, dass der Ton mit unheimlicher Geschwindigkeit reagiert. Die oben erwähnte Schlankheitskur in den Bässen sorgt dafür, dass unsere Testgitarre zwar einen ziemlich geringen klanglichen „Wendekreis” hat, was aber nicht bedeutet, dass das Ganze in Summer zu dünn klänge.
Ganz im Gegenteil: schnelles Downpicking verarbeitet die RGRB620 ebenso mühelos wie fett im Raum stehende Palm-Mutes. Sicher sind die verbauten D-Activator-Pickups nicht wirklich mit aktiven Tonabnehmern von EMG oder Fishman vergleichbar – das Bass-Spektrum ist zwar reaktionsschnell, entspricht aber immer noch dem Spielgefühl passiver Pickups.
Dennoch ist der Sound der Gitarre selbst bei sehr viel Verzerrung vor allem in den oberen Mitten stark betont, was natürlich für die nötige Durchschlagskraft im dichten Mix einer Metalband sorgt. Die dyna-MIX10-Schaltung erweitert die Sound-Palette der RGRB620 abermals: Durch das Anzapfen einer der beiden Humbucker-Spulen bieten sich durch den kleinen „Alter-Switch” noch einmal fünf weitere Sounds.
Diese klingen alle ein wenig leiser, haben aber bei weitem nicht den Lautstärkeverlust eines gesplitteten Humbuckers. Dadurch ergibt sich auf der Stegposition beispielsweise ein bissiger, sehr höhenreicher Sound, der in den oberen Mitten etwas entschärft klingt und eine absolut brauchbare Alternative zum etwas volleren, regulären Betrieb des Tonabnehmers darstellt.
Auch der D-Activator auf der Halsposition klingt im angezapften Modus ein wenig versöhnlicher und liefert einen etwas wärmeren, nicht ganz so offenen Sound, der aber gerade mit ein wenig Verzerrung viel Charme hat.
RESÜMEE
Der Ausbau der Iron-Label-Serie um eine „klassische” Ibanez RG mit Locking-Vibrato und den allgemein beliebten D-Activator-Humbuckern DiMarzio erscheint mir äußerst sinnvoll. Beibehalten wurden die All-Black-Ästhetik sowie die übersichtliche, aber ungemein vielseitige Elektronik.
Dank der Wahl der Tonabnehmer und des verbauten Zero-Edge-II-Locking-Vibratos entpuppt sich unsere Testgitarre als ausgesprochen vielseitiges Instrument, das alle Sounds, die in erster Linie fett, heavy und doch reaktionsschnell klingen sollen, spielend meistert. Dank der dyna-MIX10-Schaltung erhält man darüber hinaus eine breite Palette unterschiedlicher Sounds, die weit mehr zu bieten haben als die schwarze Metal-Keule.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2025)