Eine Legende

Fender Champion 600 im Test

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Es begegnet uns eine Legende. Anlässlich des 60-jährigen Firmenjubiläums hat Fender 2008 einen der ersten je produzierten Combos neu aufgelegt – den Vorläufer des heute auf dem Vintage-Markt so raren wie begehrten Tweed Champs.

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Fender Champion 600

Der Champion 800 wurde nur 1948/1949 gebaut. Darauf folgte der Champion 600 (1949 – 1953), bis 1953 der Ur-Tweed-Champ das Licht der Welt erblickte. Technisch nehmen sich die Modelle nicht viel, nur das Gehäuse-Design änderte sich. Was ehemals als preiswerter Student-Amp konzipiert war, hat sich mit der Zeit zu einer geschätzten Tone-Maschine entwickelt.

Selbst von erlauchten Guitar-Heroes kann man in Interviews immer wieder hören, dass sie unter anderem gerne zum guten alten Champ greifen. Und nun gibt es eine Replika, so günstig, dass jedermann dran Spaß haben kann, doll. Nana, nicht zu früh freuen. Erst einmal müssen wir sehen was der Zwerg wirklich auf der Pfanne hat.

Konstruktion

Die niedrige unverbindliche Preisempfehlung von € 229 muss Ursachen haben. Eine ist die Fertigung in China, die andere ist, dass der Champion keine wirklich originalgetreue Wiederauflage ist. Das fängt mit dem Aufbau an, Printboard statt freier Verdrahtung, und setzt sich im technischen Konzept fort. Was fehlt, was ist anders? Nun, der neue Champion 600 hat keine Gleichrichterröhre, sondern Halbleiterdioden im Netzteil. Statt der ursprünglichen Vorstufenröhre 6SJ7, die heute nicht mehr gängig ist, tut eine 12AX7A Dienst.

Die Netzsicherung ist vom Frontpanel nach innen gewandert und die Siebung der Versorgungsspannungen erfolgt über wesentlich kräftigere Elkos (22 statt 8 Mikrofarad). Weitere kleine Änderungen im Netzteil sind den Anforderungen der CE-Norm zuzuschreiben. Hinzugekommen ist in der Ausstattung ein zweiter, heißerer Input für mehr Overdrive, und eine Klinkenbuchse für das Lautsprecherkabel.

Fender Champion 600

Im Gegensatz zu früher kann man heute also ruckzuck ein Cabinet an den Champion 600 anschließen Der mechanische Aufbau und das Design entsprechen weitestgehend dem Urahn. Die Verarbeitung im Inneren des Stahlblechchassis folgt besten Industrie-Standards, was unter anderem Steckkontaktverbindungen im Hochspannungskreis einschließt. Auch an den Bauteilen (Keramik-Röhrensockel, solide Klinkenbuchsen etc.) gibt es nichts zu meckern. Wer allerdings jetzt schon darauf spekuliert dem Champion eine Radikalkur zu verpassen – von wegen Orange-Drops und Kohleschicht-Widerstände rein – sollte bedenken, dass das, wenn man es ordentlich machen will, schon eine ziemliche Fummelei werden kann (Printboard raus). Auch wegen der filigranen Leiterbahnen, die häufiges Erhitzen wahrscheinlich mit Ablösungen an den Lötaugen quittieren. Aber muss denn Pimpen überhaupt sein?

 Praxis

Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Der Champion spielt sehr voluminös auf, weil er im Bassbereich kräftiger zulangt als sein Ur-Großpapa, und erzeugt sehr authentisch diese leicht garstigen, rauchigen Verzerrungen, die so schön zum Blues und anderen traditionellen Musikstilen passen. Die Voraussetzungen Vergleiche zu ziehen waren nebenbei bemerkt in der Testphase zufällig geradezu ideal.

Ab davon, dass ich in der Vergangenheit schon diverse alte Tweed Champs vor den Ohren hatte, befand sich just zum Zeitpunkt des Tests ein schöner alter Gibson GA-5 (Les Paul Junior) von ca. 1953 zum Voll-Service hier vor Ort. Dessen Schaltungstechnik ist baugleich mit Fenders Tweed Champ (5C1). Frisch aus der TubeAmp-Rehaklinik musste er zum Wettlauf gegen den Champion antreten (natürlich beide an dem selben Extension-Cab). Unverhofftes Ergebnis: Der Champion hat tatsächlich die Nase vorn.

Gut, er geht in den Höhen eine Spur härter ans Werk, entwickelt dafür aber insgesamt das stabilere Klangbild und ist eine Spur lauter. Um ihn auch mit Vintage-Singlecoils zu Lead-Distortion zu bewegen, tut ein Booster gute Dienste, der cleanlinear (möglichst ohne Höhenanhebung) oder in der Art eines TS9 arbeitet. Da der Champion ja lediglich einen Volume-Regler besitzt, kann man auf das Klangbild ansonsten nur mit dem Guitar-Tone-Poti Einfluss nehmen. Man wird häufig feststellen, dass ein leichter Höhen-Cut dem Sound des Steg-PUs zugute kommt.

Humbucker sind ein idealer Partner des Champion, weil so von sich aus ein dicker tragfähiger Ton entsteht – der übrigens auch bei Vollgas noch als durchaus Mietwohnungskompatibel durchgeht. Der Neo-Oldie hat keine Mühe damit selbst ein 4×12-Cabinet ordentlich anzutreiben. Die Wiedergabe ist dann wesentlich ausgewogener und besitzt viel mehr Kraft im Bass als der interne Sechszöller hergibt.

Ideal ist als Ergänzung aber eine offene 1×12-Box mit einem Speaker geringer Leistungskapazität. Ich möchte allerdings daran erinnern, dass der Charme solcher vorsintflutlichen Combos in enger Verbindung mit eben den kleinen Lautsprechern steht. Ihr eigentümliches Mittenspektrum und die flache Bassansprache sind ein wichtiger Bestandteil des Sounds. Um noch einmal auf das Thema Fine-Tuning zurückzukommen. Bevor man sich an die Innereien macht, lohnt es sich mit anderen Röhren zu experimentieren.

Ein Satz JJs z. B. macht den Ton etwas runder, geschmeidiger. Die an sich anerkannt gute 6V6S/JJ nimmt dem Champion aber ein bisschen von der Zerrdichte, was nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Nun, ich sagte ja experimentieren, da muss man halt ein wenig forschen. Dem Champion alte NOS-Schätzchen zu implantieren, scheint mir derweil Verschwendung, ich hab´s probiert, unter anderem mit dem heiligen Gral unter den 6V6-Varianten, den Black-Plate-RCAs. Meines Erachtens nach steht der Sound-Gewinn in keinem Verhältnis zum (wertvollen) Materialeinsatz.

Resümee

Beiden Daumen hoch! Der Champion 600 kommt nicht nur optisch elegant zurück in die Zukunft, sondern fluxkompensiert auch den Sound früherer Zeiten souverän. Die etwas kompaktere Tonentfaltung ist ein willkommenes Update, ebenso wie die neuen Zutaten heißerer Input und Speaker-Buchse. Außerdem ist der Champion solide und relativ aufwendig (Elektronik) verarbeitet.

Negativ zu bewertende Aspekte brachte der Test nicht zu Tage. Das Verhältnis von Preis und Leistung darf man also getrost als ausgewogen betrachten.

■ Plus

  • Sound (authentisch antik)
  • harmonische Verzerrungen
  • relativ kräftiges Klangbild
  • sehr geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung & Qualität der Bauteile

 

Fabrikat: Fender

Modell: Champion 600

Gerätetyp: E-Gitarren-Verstärker, Combo, einkanalig, Vollröhrenbauweise, Halbleiter-Gleichrichter, Single-Ended-Endstufe m. Kathoden-Bias; Vorstufe: 1× 12AX7; Endstufe: 1× 6V6; Röhren (China) gesichert mit Blechkappe bzw. Klammer

Made in: China

Leistung: max. 5 Watt/4 Ohm

Lautsprecher: 1 × Fender-SpecialDesign, 6″, 4 Ohm, von hinten montiert

Mechanik: Gehäuse aus Spanplatten (ca. 18 mm), Schallwand aus Schichtholz, Zweifarben-Kunstlederbezug, Gummifüße, Tragegriff a. d. Oberseite, Front-Bespannung aus Stoff, Amp-Chassis aus Stahlblech, hängend montiert, halboffene Speaker-Kammer

Anschlüsse: Input-High, -Low;

Speaker-Buchse a. d. Unterseite des Chassis

Regler: Volume

Schalter: (Power-) On/Off

Anzeigen: rote Jewel-Leuchte

Besonderheiten: legendärer Schreihals

Gewicht: ca. 7 kg

Maße: ca. 310 × 280 × 190 BHT/mm zum Hören: Gibson GA-5 (Les Paul Junior), Fender Deluxe ′61, Steinberger GL-4T/EMG/Duncan, Morgaine Mintage-′61/Fralin, FenderTele-Bigsby u. a., Vovox-Kabel

Vertrieb: Fender Deutschland, D-40549 Düsseldorf

www.fender.de

Preis: ca. € 229

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