Der erste Saitensprung

Danelectro ‘64 im Test

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Die Früchte in Nachbars Garten sind bekanntlich immer die süßesten. Und frei nach diesem Motto hat Danelectro sich erstmals in seiner langen Firmengeschichte an ein fremdes Gitarren-Design gewagt. Und das Ergebnis ist nicht nur optisch durchaus beachtlich!

Danelectro ‘64 (1)
(Bild: Dieter Stork)

Doch Danelectro wäre nicht Danelectro, wenn das Fremdgehen nicht auch Stil hätte. So hat man sich nicht etwa einem der üblichen Verdächtigen genähert, sondern Anleihen bei einer ebenfalls „etwas anderen“ Firma genommen: Mosrite. Also jene Company, die von dem Wanderprediger Semie Mosley in den 1950er-Jahren in Bakersfield/California gegründet wurde und in den Golden Sixties sehr bekannt wurde. Vor allem dadurch, dass die Ventures in die Firma einstiegen, fortan natürlich ihre Instrumental-Hits auf Mosrite-Instrumenten spielten und sie so weltweit bekannt machten. Weitere Musiker, die mit dem Mosrite-Design assoziiert werden, sind C. J. und Johnny Ramone.

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Die Berühmtheit der Ramones, aber vor allem die der Ventures, sorgten dafür, dass vor allem Japan heute als das Mosrite-Land schlechthin gilt. Da wundert es doch fast schon ein bisschen, dass es so wenige japanische Kopien dieser so speziellen Gitarren gibt. Von Guyatone gab es mal eine Mosrite-Kopie, aber die bekanntesten Firmen, die am Mosrite-Design verdienen, sind eher welche von heute: Eastwood, DiPinto, Hallmark fallen mir da spontan ein. Und eben jetzt Danelectro – die es sich aber nicht haben nehmen lassen, zumindest hier und da ein wenig vom eigenen Flair und der eigenen Historie mit einfließen zu lassen.

German Carve & American Lipsticks

Und das fängt schon bei der grundsätzlichen Konstruktion an. Denn im Gegensatz zu den meisten Mosrites ist bei der Danelectro ‘64 der Hals auf den Korpus geschraubt. Mit vier Schrauben, die durch eine Halsplatte der sogenannten Peanut-Form geführt sind. Danelectro hat den Korpus der ‘64 nicht wie bei den meisten Danelectros aus Masonite auf Pappelrahmen, sondern aus „ganz normalem“, massivem Holz gebaut: Agathis. Der Body weist an seinem Rand eine schöne German carve auf – neben dem „Offset“- Stil schon immer ein Hauptmerkmal von Mosrite. Ebenfalls recht German kommt der Nullbund rüber, der dicht vor dem Sattel liegt und selbigen zur Saitenführung degradiert.

So kann es zumindest keine Auffälligkeiten mit zu hoch oder zu tief gefeilten Sattelkerben geben, was bei Dano schon mal sein kann. Das Palisandergriffbrett trägt 22 Bünde in einem flachen Medium-Jumbo-Format und endet schräg, indem es sich perfekt an den ebenfalls „Offset“ eingebauten P-90- Typ von Pickup anschmiegt. Trägt der noch seine gewohnt schwarze Kappe, kommt der Steg-Pickup dagegen in glänzendem Chrom – ein Doppel-Lipstick im typischen Dano-Outfit, der sowohl als Humbucker, wie auch als Singlecoil arbeiten kann. Ein Bigsby B5 in der mittlerweile optisch bereinigten „Licensed“- Version rundet die Hardware-Ausstattung ab, die auch solch nette Details wie die ungewöhnlichen Potiknöpfe im Retro-Stil aufweist, die ebenfalls an die Mosrite-Originale erinnern. Schick!

Die „German Carve“ ist doch immer wieder ein schönes Design-Merkmal.
Die „German Carve“ ist doch immer wieder ein schönes Design-Merkmal. (Bild: Dieter Stork)

Zwischen Gretsch und Tele

Das ist schon „serious stuff“, diese Danelectro ‘64. Hier merkt man gleich am Gewicht, aber auch an der Größe, dass das Klang- und Spielergebnis ein anderes sein wird als das übliche Dano-Kaliber. Der Hals liegt gut in der Hand, ist nicht zu dick, nicht zu dünn und Gott sei Dank auch nicht so schmal wie bei vielen alten Mosrite-Gitarren. Saitenlage, Abrichtung der Bünde und das generelle Setup sind perfekt, und trocken gespielt, klingt die ‘64 schön ausgewogen, direkt und kräftig. Am Verstärker geht dann die Sonne auf – und zwar besonders dann, wenn dieser schon einen leichten Crunch-Sound bereitstellt.

Ich spiele am liebsten über einen Fender Tweed Deluxe, der sich als kongenialer Partner der ‘64 erweist. Zumindest, wenn man auf angezerrte, brillante Sounds steht, die man nicht so einfach in eine Blues- oder Rock-Schublade stopfen kann. Irgendwo dazwischen, irgendwo darüber schwebt man mit der ‘64. Der P-90 am Hals ist dabei alles andere als undifferenziert, sondern schlagkräftig und dunkelwarm klingend. Er erinnert mich in dieser Gitarre mit seinem satt schmatzenden Growl irgendwie an einen gigantisch großen Tele-HalsPickup. Auch der Doppel-Lipstick am Steg kommt eher T- als Standard-Humbuckermäßig rüber – sehr schön kantig, aber mit stets softem Höhenschmelz!

Hmm – vielleicht ist der bekannte Tele-Sound in diesem Fall eine gute Bezugsgröße, aber man möge ihn sich dann bitte in gaaaanz groß vorstellen. Auch der Singlecoil-Sound – hierbei ist nur die vordere Spule aktiviert – ist richtig gut zu gebrauchen, z. B. für authentische Country-, Surf- und Funky-Sounds. Zur Aktivierung muss der Tonknopf nach oben gezogen werden, was u. U. etwas beschwerlich sein kann. Denn wenn man ein Kabel mit einem geraden Klinkenstecker verwendet, kann der Vibratoarm nicht weit genug aus dem Weg geklappt werden, was den Zugriff auf das Ton-Poti erschwert. Also am besten ein Kabel mit Winkelklinke verwenden. Egal, ob gerade oder Winkelklinke – diese Sounds sind weiß Gott nicht von schlechten Eltern!

Irgendwo in der Crunch-Landschaft zwischen Tele und Gretsch hat sich die ‘64 niedergelassen und ist dementsprechend auch einzusetzen – fette, transparente und brillante Rhythmus-Sounds, perlig offen klingende Arpeggios und schmatzende, griffige Singlenotes mit einem sehr guten SustainVerhalten, das nur ab dem 14. Bund etwas abnimmt, zeigen, dass das Wildern bei Mosrite der Danelectro-Palette eine neue Dimension an exquisiten Sounds beschert. Die Pickups haben einen hohen Output, nicht zu vergleichen z. B. mit einer Standard-Stratocaster-Bestückung – und hängen ausgezeichnet am Volume-Poti der Gitarre. Hinzu kommt eine richtig gute Spielbarkeit, eine perfekte Ergonomie und natürlich eine klasse Optik, die auffällt und hängenbleibt.

Ja, das Bigsby arbeitet wie sonst auch, die Stimmstabilität ist auch dank der RollerBrücke gut bis sehr gut – wobei ich persönlich als erstes einmal eine normale Tune-o-matic-Brücke ausprobieren würde. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass eine Roller-Brücke etwas Sustainund Definitions-Verlust herbeiführen könnte. Was man hier aber nur in einem Vorher-/Nachher-Vergleich feststellen könnte.

Tune-o-matic-Steg mit Rollen und Bigsby
Tune-o-matic-Steg mit Rollen und Bigsby (Bild: Dieter Stork)

Alternativen

Wer solch eine Gitarre begehrt, ist in erster Linie von ihrem Design angetriggert. Das kommt den Kopisten natürlich entgegen, und so ist die Eastwood Sidejack auf den ersten Blick eine ernsthafte Konkurrentin der Dano ‘64, denn sie kostet nur die Hälfte. Dafür kommt sie aus China, hat einen geleimten Hals und zwei P-90-Pickups, mit 628 mm eine kürzere Mensur sowie ein Jazzmaster-Vibratosystem, sprich: sie klingt ganz anders!

Aber sie sieht einer Mosrite ebenfalls sehr ähnlich. Die DiPinto Mach IV ist ebenfalls ein schillerndes Werk und liegt preislich in etwa zwischen Eastwood und Danelectro. Ähnlich teuer ist die coole Hallmark 60 Custom, die mit noch verrückteren Farben und einem eigenen Vibratosystem auftrumpft. In beiden Fällen kann www.effektboutique.de weiterhelfen. Wer lieber Originale spielt, kann diese auch heute noch erwerben, muss allerdings mit Preisen ab $ 3000 rechnen – je nach Modell und Verfügbarkeit. Bevorzugte Adresse aller Mosrite-Maniacs ist Ed Roman Guitars in Las Vegas.

Ein heißes Gespann: P-90 am Hals und DoubleLipstick am Steg
Ein heißes Gespann: P-90 am Hals und DoubleLipstick am Steg (Bild: Dieter Stork)

Resümee

Auch mit den Anleihen am bekannten Mosrite-Design hat das coole Image von Danelectro keinen Schaden genommen. Vielmehr stellt die ‘64 eine großartige und stilistisch stimmige Erweiterung der Dano-Palette dar, die nicht nur in der Optik, sondern auch im Sound ganz andere Wege beschreitet. Offene, knallige, transparente Klänge, die allesamt sehr kalifornisch rüberkommen, spielen weniger einen Blues- und Rock-, sondern, wenn man einen Amp mit einer übersteuerungsfesten Eingangsstufe bedient, eher den Surf-, Country-, Westcoast- und Rock-&-Roll-Soundtrack, der uns von Sonne, Wasser, Wellen und Bikinis erzählen will. Und mal ehrlich – wer hört das nicht gerne?

Plus

  • Sounds
  • Design
  • Pickups
  • Spielbarkeit

 

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