Modeling-Vollverstärkerpedal mit Röhrencharakteristiken

Backpack-Amp: Blackstar Amped 1 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Es ist schon beeindruckend, mit welcher Schlagzahl das britische Blackstar-Team neue Produkte auf den Markt bringt. Anders als in den Stompboxes der Department-10-Reihe kommt im neuen Amped 1 Modeling-Technologie zum Einsatz, obgleich ein kleiner Radiallüfter, Lüftungsöffnungen und Betriebstemperatur Röhren vermuten ließen.

Das Amped 1 beinhaltet ein komplettes Verstärkertop mit Vorstufe und innovativem Class-D-Endstufen-Design mit hohen Aussteuerungsreserven (Headroom), deren Leistung sich von 100 auf 20 und sogar 1 Watt reduzieren lässt. Da die Einstellungen von Gain, Voice, Bass, Middle, Treble, Reverb und Response in einem (einzigen) Preset gespeichert werden können, haben wir es de facto mit einem echten Zweikanaler mit identisch ausgestatteten Channels zu tun.

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Während der Amp primär über das Frontpanel bedient wird, steht an der rechten Gehäuseseite die Cab Rig Section für Kopfhörer- bzw. Line-Out-Betrieb und D.I.-Abnahme zur Verfügung. Hinzu kommen drei wählbare Speaker/Cabinet-Simulationen.

Cab Rig Section (Bild: Dieter Stork)

Der stirnseitige USB-C-Anschluss tauscht Daten mit der Blackstar Architect App aus, über die sich zahlreiche Parameter und Funktionen editieren, Presets verwalten und bis zu 250 Kombinationen von Mikrofonen, Lautsprechergehäusen, Mikrofontyp und Position, Raummikrofon und Master EQ in einen der drei Cab-Rig-Speicher übertragen lassen. Zudem kann er für Aufnahmen genutzt werden, wobei das Amped 1 als Audio Interface fungiert. Die Endstufe arbeitet mit Current Feedback, welches die Interaktion eines Röhrenverstärkers mit Lautsprechern nachbildet.

HARDWARE

Viel Platz ist in dem Gehäuse aus 1,3 mm Stahlblechboden und cremefarbener 2,2 mm Aluhaube nicht, zumal ein digitales 100V-240V-Netzteil an Bord ist. Ein knapp ein Meter langes Netzkabel zählt ebenso zum Lieferumfang wie ein USB-Kabel, MIDI-Adapter und Splitkabel für den seriellen FX-Loop. Die Regler der Bedienfläche erinnern an einen konventionellen Verstärker: Gain, Bass, Middle, Treble, Master (Volume) und Reverb. Zwischen Gain und Bass hält ein Kippschalter drei Preamp Voices bereit, nämlich USA, UK und Flat, rechts von der aktiven Cut/Boost-Klangreglung kann die Endstufenleistung je nach Einsatzzweck variiert werden, nämlich 1 Watt, 20 Watt und 100 Watt. Mit dem 6-fach Drehschalter „Response“ lassen sich sechs Endröhrensimulationen von KT88, 6L6, EL34, 6V6, EL84 und Linear anwählen.

(Bild: Dieter Stork)

Der integrierte Digitalhall wird per Fußtaster (de)aktiviert, der rechte Fußtaster switcht zwischen gespeichertem Preset und den aktuellen Settings (Manual Mode). Helle, weiße LEDs zeigen alle Schalter-Settings an. Links neben dem Gain-Regler signalisiert eine Recall-LED, wenn im Preset-Betrieb eine Poti-Position der gespeicherten Einstellung entspricht. Während sich die Vorderseite mit Lüftungsbohrungen begnügt, ist die Stirnseite rappelvoll bestückt: Netzkabelbuchse mit Power-Schalter, USB-C-Anschluss, zwei DC9V-Ausgänge für externe Geräte (gesamt max. 500mA), Guitar Input, FX Loop (TRS-Klinke), Speakers Out 8 und 16 Ohm, 40 mm Radiallüfter mit Schutzgitter und MIDI In (3,5 mm TRS-Klinke).

(Bild: Dieter Stork)

Blackstar weist ausdrücklich darauf hin, dass nicht beide Lautsprecheranschlüsse gleichzeitig belegt werden dürfen. An der rechten Gehäuseseite finden wir die CAB Section mit Line/Phones Out (6,4 mm Stereoklinke), Balanced Out (XLR), Level-Regler und Schalter für drei CAB-Rig-Simulationen.

Das Amped-1-Pedal hinterlässt einen superrobusten Eindruck, wurde mit hochwertigen Komponenten vorbildlich verarbeitet und steht sicher auf vier Gummipads.

POWER ON

Nach dem Einschalten leuchten alle relevanten LEDs und das zentrale Blackstar-Emblem auf, und der nahezu geräuschlose Lüfter bläst die Luft nach vorne durchs Gehäuse. Bereits nach kurzem Betrieb wird das Gehäuse handwarm. Da kann der Winter kommen … Die aktive 3-Band-Klangreglung arbeitet sehr effizient und entfaltet ihre Wirkung auch bei stark verzerrten Sounds. Der Voice-Schalter liefert quasi die Grundsounds, bei denen „USA“ die Clean- bis Crunch-, „UK“ die Crunch- bis High-Gain-Abteilung vertritt. „Flat“ empfiehlt sich, wie auch „Linear“ in der Response-Sektion, wenn zusätzliche externe Amp Modeler oder Pedalboards angeschlossen werden. Während Gain die Eingangsempfindlichkeit und damit den Verzerrungsgrad kontrolliert, steuert Master den Endstufenpegel. Beides agiert wunderbar präzise und unabhängig vom Gain-Setting völlig kontinuierlich über den gesamten Regelbereich.

Während des Tests hatte ich Gain und Master meist voll aufgedreht. Dabei liefert Voice USA fendrige Clean- bis dezent zerrende Crunch-Klänge, von denen letztere abhängig von Anschlagsintensität und Output der verwendeten Pickups auch mal heftiger crunchen können. Nehme ich den Anschlag ein wenig zurück, liefert das Amped 1 frische, transparente, spritzig perlende Klänge, erst recht bei den Responses 6V6 und 6L6. Die Endröhrensimulationen EL84, EL34 und KT88 liefern indes mehr Wärme, letztere den druckvollsten, fettesten Sound. Die UK-Voice mimt quasi den Overdrive Channel. Bereits bei Gain 9 Uhr ist erstes Anzerren zu vernehmen, das sich mit vintage-style PAFs in der 14-Uhr-Position bis zu – ich sag mal – ‚Highway To Hell‘ (Rhythm) steigern lässt. Dreht man Gain voll auf, gibt es den passenden Leadsound dazu. Alternativ kann man für das bekannte Intro/Strophen-Riff das Gitarren-Volume auf 6 zurückdrehen. Hierzu liefert die EL34-Response die authentischere Endstufenzerre mit schöner Brillanz, bester Dynamik und hohem Durchsetzungsvermögen, während die KT88 noch etwas fetter, die EL84 runder und wärmer klingt.

Beim Test lief die Endstufe meist im 1-Watt-Betrieb, was bei halbwegs toleranten Mitbewohnern bzw. Nachbarn durchaus okay ist. 20 Watt bieten sich für Band-Proben an, 100 Watt für große Bühnen. Soll heißen, das Blackstar Amped 1 kann auch richtig laut und klingt, reagiert und interagiert wie ein erstklassiger Röhren-Amp, ist extrem dynamisch und nebengeräuscharm und beeinflusst den Klangcharakter der angeschlossenen Gitarre in keiner Weise. Wird die mit hohen Clean-Reserven gesegnete Endstufe voll ausgesteuert, lässt sich die Zerrintensität präzise und dynamisch per Anschlag und Gitarren-Volume kontrollieren. Neben dem wirkungsvollen 3-Band-EQ können die Endstufen-Responses in die Klanggestaltung einbezogen werden.

Der bordeigene Hall in Studioqualität hat ca. 1000 ms Decay Time, ist eher dem Typ Room zuzuordnen und klingt luftig und homogen. Regelbar ist der Effektpegel. Hält man den Reverb-Taster gedrückt, entsteht ein Freeze-Effekt, der den Hall quasi einfriert, ähnlich einem selbst-oszillierenden Delay bei hohem Feedback-Setting.

An den XLR-, Line/Phones- und USB-Ausgängen liefert die Cab-Rig-Sektion authentische Lautsprecher-Sounds, die sich per Architect App sehr detailliert bearbeiten lassen. Während mir die Werks-Cab-Rigs 1 und 3 sehr gut gefallen, lässt 2 eine gehörige Portion Mitten vermissen.

Über den beiliegenden Adapter mit TRS-Miniklinke und 5-poliger Buchse können sämtliche Features des Amped 1 via MIDI kontrolliert werden. Entsprechende Konfigurationen werden in der Architect App vorgenommen. Der FX-Loop ist im Signalweg zwischen Vor- und Endstufe (pre Master) angeordnet und arbeitet seriell und ohne Pegelprobleme.

RESÜMEE

Chapeau, Blackstar! Das vielseitig einsetzbare Modeling-Vollverstärkerpedal zeigt beeindruckende Röhrencharakteristiken mit exzellenten Clean- bis High-Gain-Sounds, hoher Dynamik und Durchschlagskraft bei extrem geringen Nebengeräuschen. Es fühlt sich an und spielt sich wie ein vollwertiges Röhrentop, dessen Zerrintensität sich vorbildlich mit dem Saitenanschlag und dem Gitarren-Volume-Poti kontrollieren lässt. Lüfter, FX Loop, Reverb, MIDI In, Speaker Outs, drei Cab-Rig-Ausgänge, drei Cab-Rig-Models, Audio Interface und die Stromversorgung für zwei externe Stompboxes komplettieren die Ausstattung. Schade, dass nur ein einziges Preset gespeichert werden kann, ansonsten beide Daumen hoch!

PLUS

  • (Röhren-)Sounds
  • Ansprache & Dynamik
  • authentische Endröhrensimulationen
  • Preamp Voices & Cab Rigs
  • variable Endstufenleistung
  • Verarbeitung
  • Ausstattung & Anschlüsse
  • Blackstar Architect App
  • Bedienung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • nur 1 Preset speicherbar


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Schön, dass sich diese kleinen Kisten mit großem Sound und gutem Ton durchsetzen. H&K hat hier ja schön länger was, T. Blug auch, Victory, … kamen jüngst hinzu …

    Toll für reisende Musiker und auch für Hobby-Klampfer, die mal gute Freunde zum Jammen besuchen wollen!

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    1. Mich freut es auch, dass es für dieses äußerst praktische Verstärkerformat weiteren Zulauf gibt. Als Erfinder des Formats weiß ich nicht ob ich mich beim Namen des Blackstar’s auch noch geehrt fühlen soll, oder…?
      😉
      Thomas Blug

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      1. Siehe auch Kommentar von Henning aka EytschPi42 in seinem Video zu dem Teil…

        Auf diesen Kommentar antworten

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