Masterpiece

Angelfield The Six String Chapel

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Angelfield Six String Chapel
(Bild: Dieter Stork)

Hinter dem Namen Angelfield stand der gebürtige Ungar Thomas Körössi. Bekannt wurde er für bemerkenswert extravagante, kunstvoll verzierte Gitarren. Thomas ist am 10. September 2018 verstorben. Als Erinnerung an sein Werk folgt hier ein Testbericht aus dem Jahr 2010 zu seiner außergewöhnlichen The Six String Chapel, für die er seinen kleinen Bruder Tibor ins Boot geholt hatte. Für die Gitarre stand kein Geringerer als Michelangelo mit „Die Erschaffung Adams“ aus dem berühmten Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle Pate.

Aus Gitarre & Bass 05/2010:

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Gitarren von Angelfield sind immer Unikate und bekommen jeweils einen eigenen Namen. Mit The Six String Chapel gibt Tibor Körössi sein selbstbewusstes Debüt. Der Name des Instruments ist nicht nur der kunstvollen Deckeneinlage zu danken, denn der Korpus ist von Hand großräumig ausgestochen wie eine Blase. Oder sagen wir besser wie eine Kapelle, dann wird ein Schuh draus. Keine Frage: in diesem Instrument stecken viele, viele Stunden passionierter Arbeit voller Hingabe an das Metier. Die Gitarre ist aus den bestmöglichen Materialien und mit großer Widmung für das Detail gebaut und jetzt muss sie nur noch eines: klingen!

konstruktion

Das semiakustische „Art Galery Model“ weist nicht nur eine ergonomisch schlüssige Gestaltung auf, sondern ist auch formal und optisch auf den Punkt gebracht. Der Korpus mit seiner stimmigen Linienführung besteht aus Sapelli-Mahagoni, die Decke aus Douglas-Fichte. Letztere ist aus einer alten Bohle, einem Fundstück, gefertigt, das zuvor spiegelgleich gefügt wurde. Das Besondere an diesem Korpus ist ein großer blasenähnlicher Hohlraum, nicht gefräst, sondern von Hand aus Boden und Decke gestochen. Decke und Boden sind auch äußerlich gewölbt und auf die Ränder zu mit eleganten Konturen versehen, die in fließende Rundungen übergehen.

In die Decke eingelegt ist jener berühmte Ausschnitt aus Michelangelos Schöpfungsfresko, wo Gottes Finger Adam zum Leben erweckt. Dafür wurden verschiedene Muschelsorten (MOP, Tahiti und Abalone) auf dreidimensionale Tiefenwirkung hin eingearbeitet und auch der Randwölbung kunstvoll angepasst – eine wahnsinnig aufwendige, tolle Arbeit.

Der eingeleimte Hals besteht aus altem leichtem Mahagoni und besitzt ein Griffbrett aus Cocobolo (attraktives Hartholz das an der Pazifikküste Mittelamerikas wächst). Seitlich eingearbeitet zur Lagenkennung sind wölkchenförmige Einlagen aus Abalone. Die 21 Bünde (medium jumbo) im flachen Griffbrett (18″) schließen mit einem Binding aus schwarzem Zelluloid ab, das „in good old traditional style“ an den Bundenden hochgearbeitet wurde. Die recht große Kopfplatte ist über eine Volute zur Stabilisierung des Übergangs in einem Winkel von 14 Grad herausgeführt und beidseitig mit einem Furnier aus Douglas-Fichte belegt.

In die Front ist der Angelfield-Schriftzug nach Jugenstil-Art aus Perlmutt eingelegt. Die Abdeckung des Zugangs zum Halsstab besteht aus Ebenholz, der Sattel aus fossilem Elfenbein. Gekapselte Mechaniken von Schaller (Doublering Tulips) komplettieren die Ausstattung. Am Korpus werden die Saiten von einem Einteiler gekontert (PRS Wraparound Bridge), dem ein unter die Decke gesetzter Klotz die nötige Stabilität verleiht. Die Mensur umfasst 63 cm.

Angelfield Six String Chapel
(Bild: Dieter Stork)

Nach einigen Tests mit unterschiedlichen Tonabnehmern entschied man sich für einen selbstgewickelten Angelfield Humbucker am Steg und für einen GibsonPat.-No.-Pickup älterer Produktion in der Halsposition.

Zwei individuelle Volume- und ein genereller Tone-Regler geben Kontrolle und besitzen handgefertigte Knöpfe aus Aluminium mit Sardonyx-Einlage. Die Pickups werden ganz traditionell einzeln oder zusammen über einen Dreiwege-Toggleswitch angewählt. Die Kabelbuchse liegt in der Zarge unten hinten.

Versiegelt ist das Instrument rundum in einem angemessen schönen Antique Opiumbust. Nochmals sei erwähnt, dass in dieses Instrument unglaublich viel Arbeitszeit und Passion investiert wurde, was geradezu körperlich spürbar ist und der Gitarre den Status eines handwerklichen Meisterstücks verleiht.

praxis

Die Six String Chapel ist zunächst einmal angenehm leicht (3,4 kg) und fühlt sich rundum gut an. Das verdankt sie dem großen Hohlraum in ihrem Korpus und den geschmeidigen Rundungen. Nichts an ihr ist kantig oder eckig, alles wurde ergonomisch schlüssig durchgestaltet. So fügt sie sich geschmeidig an den Spieler und bietet mit ihrem elegant verrundeten, gut gewichteten Halsprofil uneingeschränkte Spielfreude. Die mit Celluloid belegten, weich abgeglichenen Griffbrettkanten wirken wie eingerollt, besser noch wie eingespielt und vermitteln ein sehr gefälliges Spielgefühl.

Der akustische Basis-Sound ist geprägt von der semiakustischen Konstruktion und bringt bestens gerundete, in sich geschlossene Klänge mit feiner Auflösung hervor. Dabei artikuliert der Bass eher zurückhaltend dezent, lässt Platz für die warmen Mitten und den exzellent offen und plastisch zugleich erstrahlenden Höhenbereich. Die harmonische Schlüssigkeit und stimmliche Transparenz von Akkorden ist schlagend, das allgemeine Schwingverhalten superb.

Was macht das nun im elektrischen Betrieb? Nun, die Tonabnehmer sind gut gewählt und bieten ein bestens gestaffeltes Klangangebot von eher traditionellen Sounds. Was keineswegs meint, dass hier lediglich ein altmodisches Klangbild reanimiert wird. Ganz im Gegenteil. Im Gegensatz zu den oftmals hart und gesichtslos tönenden Serieninstrumenten gelang es den Gitarrenbauern vom Bodensee hier nämlich tatsächlich, jenes beständige Tongold zu heben, das von so Vielen emsig gesucht und doch so selten gewonnen wird. Die Wahl eines älteren Pat.-No.- Humbuckers von Gibson für die Halsposition ist da so angemessen, wie folgerichtig.

Seidig rund und fein, dennoch präzise und konturstark in der Auflösung, so tönt der in der Six String Chapel und hat dabei die Luft der semiakustischen Konstruktion unter den Flügeln. Perkussiv, trocken und holzig tönen die Bässe im rhythmischen Spiel. Die starken Höhen packen gut zu und artikulieren körperhaft rund. Geben wir etwas mehr Gas, so schmelzen diese Höhen elegant ineinander. Das Bassfundament bringt nun mehr vom knochigen Holzton hervor, die Darstellung von Akkorden ist in ihrer kompakt schlüssigen Rundung einfach famos.

Im High Gain nun singt die Gitarre mit weichem Schmelz und wunderbarem Anschlagsschnalzen. Die Plektrumaktion wird präzise herausstellt, der Ton lässt sich bestens formen, bleibt immer innerlich fest und atemreich.

Angelfield Six String Chapel
(Bild: Dieter Stork)

Wechseln wir hinüber zum Partner in Stegposition, so überzeugt auch der Angelfield Humbucker mit charaktervoller Tonübertragung. Er ist von seinem Output her dem Kollegen am Hals nur leicht voraus (7,7 kOhm) und bietet eine klanglich ausgewogene Ergänzung mit ebenfalls sehr schönen Höhen. Pointiert lässt sich im Klarklangbereich über ihn rhythmisch arbeiten, sehr schön akzentuiert und kompakt setzt er Akkorde um.

In höheren Gangarten macht er eine glänzende Figur beim Abpumpen von Powerchords, die wiederum von dem klar und knochig artikulierenden Basstonbereich profitieren. Knapp gespielte Akkorde federn bestens ab, fliegen wie auf einem Luftpolster ohne es an Definition mangeln zu lassen. Lässt man den hohen Tonbereich frei, so begeistert der optimal gerundete, kompakte Höhen-Peak mit wohldosiertem Biss. Das Instrument knurrt wie ein Raubtier, zerrt an der Kette. Wohlig ist das Gefühl von vorpreschender Kraft, von Schub. Solospiel wird getragen von intensiven Obertönen, die stark aufblühen und farbreich abklingen. Die Tonfestigkeit ist enorm, die Beweglichkeit und dynamische Reaktion auf den Anschlag sensibel und konkret. Alle Achtung, das hat Klasse!

Sehr schön tönt auch die Kombination beider Pickups in der Mittelstellung des Toggleswitches. Weit offen und transparent füllt der gut gespreizte Glockenklang den Raum und bietet in allen Betriebsarten attraktive klangfarbliche Alternativen.

Der Tone-Regler verfügt über einen eher kurzen Regelweg und funktioniert uneingeschränkt gut. Das erste Volume-Poti kontrolliert den Pickup am Hals, das zweite den am Steg. Da das sogenannte Violining, also das Einblenden des Tons mit dem kleinen Finger der rechten Hand, über den Steg-Pickup effektiver funktioniert, würde ich persönlich die umgekehrte Reihenfolge oder ein Master-Volume vorn favorisieren. Das kann man aber ja haben wie man will, bei einem handgebauten Instrument. Für mich könnten auch die Bünde etwas höher sein, aber auch das ist eher eine Frage der persönlichen Spieltechnik. Im Grunde gibt es hier also nichts zu klagen, alles funktioniert optimal.

Angelfield Six String Chapel
(Bild: Dieter Stork)

resümee

Abseits der seriellen Gitarrenfertigung gibt es selbständige kleine Instrumentenbauer, die viel Herzblut in den Bau ihrer unikalen Gitarren investieren. Die Gebrüder Körössi von Angelfield zählen zu diesen passionierten Gitarrenbauern, die immer nur Einzelstücke in absoluter Handarbeit herstellen. Mit dem Modell Six String Chapel legt Tibor Körössi ein tolles Debüt vor, das in Sachen Konstruktion, Verarbeitung und Tonausstattung keine Konkurrenz zu fürchten braucht.

Das originell gebaute Instrument mit seinem großen Hohlraum im Korpus erweist sich als akustisch bestens ausgewogen und elektrisch ungemein stark. Mit seinem luftigen semiakustischen Tonverhalten glänzt es in allen Betriebsarten, bietet in klaren, wie auch verzerrten Amp-Postionen wendige, perkussiv konturierte, kraftvolle und bestens definierte Sounds. Der toll ausgeformte Hals mit seinem flachen Griffbrett macht das Bild rund, die Gitarre spielt sich letztlich auch noch uneingeschränkt gut.

Da kann man nur noch sagen: herzlichen Glückwunsch zu diesem originellen Meisterstück! Klar ist so ein Instrument teuer, muss es sogar sein, handelt es sich doch um eine besonders aufwendig gefertigte Preziose, die es so nicht noch einmal geben wird.

Plus
• Konstruktion
• Tonhölzer
• optische und ergonomische Gestaltung
• Schwingverhalten/Sustain
• Perkussion/Dynamik
• Pickups
• Sounds
• Hals/Spieleigenschaften
• kunstvolle Verarbeitung

Angelfield Six String Chapel

Produkt: Testbericht: Yamaha SG1801PX Phil X Signature
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke an G&B für die Erinnerung an Thomas und Würdigung seiner Arbeit.

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  2. Ich habe euer Testbericht erst jetzt gelesen und wollte mich ganz Herzlich für die schöne Erinnerungen bedanken. Schöne Grüße Agi Körössi und Familie

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