G&B Basics

Saitenwechsel bei Stahlsaiten-Gitarren

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(Bild: Rebellius)

Also – ich persönlich zögere den Austausch der Saiten, wenn kein Auftritt oder Studiotermin anliegt, meist so lange hinaus, wie es nur eben geht. Das hängt damit zusammen, dass mir der Sound frischer Bronze- oder Phosphor/Bronze-Saiten einfach nicht gefällt. Erst wenn sie eingespielt sind, wenn die klirrenden Höhenanteile verschwunden sind, fühlt sich mein Ohr wohl.

Aber es kommt natürlich irgendwann der Zeitpunkt, an dem Saiten einfach erneuert werden müssen. Spätestens dann, wenn sie komplett tot klingen, wenn die tiefen Saiten schon Druckstellen aufweisen und sich nicht mehr richtig stimmen lassen und wenn sich an den Saitenunterkanten schon Schmutzablagerungen gebildet haben, ist es höchste Zeit, Kurbel, Seitenschneider sowie einen Satz neuer Drähte zu zücken und den Saitenwechsel anzugehen.

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Alle oder eine?

Am Anfang wird man sich der Frage stellen, ob man peu à peu die einzelne alte mit einer neuen Saite austauscht oder ob man erst die Komplettbestückung abnimmt, um dann die neuen aufzuziehen. Dazu kursieren in der Szene die unterschiedlichsten Meinungen; die Befürworter der Eine-nach-der-anderen-Methode argumentieren, dass so der Hals seine Spannung nicht verändert, bzw. dass es ihm schaden würde, wenn plötzlich keine 75 kg Zugkraft an ihm zerren.

Meine Meinung dazu: Ein guter, stabiler Hals wird es verkraften, wenn die Zugkraft der Saiten für eine gewisse Zeit nicht mehr da ist, und sich mit neu aufgezogen Saiten wieder in die gleiche Position bewegen, in der er vorher war. Ich habe es noch nie anders erlebt. Außerdem hat es noch weitere Vorteile, wie wir später sehen, wenn das Instrument einmal komplett saitenfrei ist.

Allerdings sollte man den Hals in der Tat nicht unnötig stressen, indem man z. B. die Saiten eine nach der anderen bei voller Spannung mit dem Seitenschneider durchkneift. Das könnte ihn dann doch schocken. Besser die Spannung aller Saiten durch drei, vier Umdrehungen an den Mechaniken lockern und dann entweder durchkneifen oder als Ganzes von den Mechaniken abziehen.

Pins

Nun müssen die Endpins aus ihren Löchern gehebelt werden, damit man die Ballends frei bekommt. Dazu haben viele Saitenkurbeln an der Aufnahme für den Mechanikflügel eine Kerbe, mit der es sich mal besser, mal schlechter hebeln lässt. Wenn die Pins jedoch richtig fest verkantet sind, könnte es schwierig werden.

So lässt sich der Endpin mithilfe der Saitenkurbeln vorsichtig heraushebeln. (Bild: Rebellius)

Hier lässt sich dann mit dem Seitenschneider, oder noch besser, einer Zange mit breiten Backen arbeiten, aber dabei ist äußerste Vorsicht geboten. Zum einen sollte man ein Tuch hinter den Steg legen, damit die Zange den Lack nicht beschädigt, falls er mal abrutscht. Zum anderen muss der Pin sehr vorsichtig bewegt und auf keinen Fall die Zange zu fest zugedrückt werden, sonst hat man allzu schnell den Kopf des Pins abgetrennt (vor allem, wenn der wie die meisten Pins aus Plastik ist). In dem Fall sitzt das Unterteil im Loch und man hat von außen keinen Zugriff mehr darauf.

Der Zubehörhandel hält zudem einige Spezialwerkzeuge bereit, die man sich natürlich auch zulegen kann und die allemal besser sind als ein Seitenschneider.

Sind die Saiten schon mal alle runter, sollte man auch Griffbrettpflege betreiben. (Bild: Rebellius)

Ich persönlich nutze allerdings weder die Saitenkurbel noch eine Zange für diese Arbeit, sondern – und das ist ein weiterer Vorteil, wenn alle Saiten abgenommen sind – greife mit der Hand durchs Schallloch, um von unten die Endpins nach oben herauszudrücken. Ohne Saiten lässt sich auch das Griffbrett bequem reinigen und ggf. neu ölen, und wenn man schon mal dabei ist, kann man auch etwas Grafitabrieb (z. B. von einem Bleistift) in die Sattelkerben geben, damit die Saiten dort besser flutschen.

Um die Saiten im Steg zu befestigen, werden die Saitenenden eine nach der anderen einige Zentimeter im Loch versenkt. Nun steckt man den Pin ins Loch, achtet darauf, dass sein Längsschlitz nach vorne in Richtung Schallloch gerichtet ist, hält ihn mit der rechten Hand fest und zieht mit der linken die Saite stramm, bis man einen deutlichen Widerstand verspürt. Jetzt sollte sich der Pin bis zur Unterkante des Pinkopfes ins Loch hineindrücken lassen, und schon ist die Saite fest verankert. Wie das von unten aussieht, erkennt man in einem der Fotos.

Das Saitenende wird in das Stegloch eingeführt und mit dem Pin festgeklemmt. (Bild: Rebellius)

Mechaniken

Da die Mechaniken gerade frei liegen, sollte man überprüfen, ob die Befestigungsmuttern noch alle fest sitzen und sie ggf. mit einem Schraubenschlüssel nachziehen. Und auch die Gängigkeit der Mechaniken kann geprüft und über die Schraube, die zentral im Kopf des Poti-Flügels sitzt, eingestellt werden.

Für die Befestigung der Saiten an den Mechaniken gibt es mehrere Methoden. Ich wende seit vielen Jahren die im Folgenden beschriebene an – nicht weil sie die beste, sondern weil sie die schnellste ist und trotzdem genau das bewirkt, was sie soll: Die Saite sitzt stramm und hat keine Möglichkeit, sich zu bewegen.

Egal, welche Methode der Fixierung man verwendet, sollte man einige wenige grundsätzliche Dinge vorab beachten: Es reicht, wenn die Saite zwei bis dreimal um den Schaft gewickelt ist. Und: Die Wicklungen sollten nicht kreuz und quer übereinander liegen, sondern sauber nebeneinander von oben nach unten verlaufen.

Warum das? Durch eine Kreuz-und-quer-Wicklung kann „Schlupf“ entstehen, durch den sich die Saite bewegen kann und damit die Stimmung verändert. Zudem übt die Saite, wenn sie korrekt von oben nach unten auf dem Schaft aufliegt, einen guten Druck auf den Sattel aus, sodass alle Leersaiten klar und definiert klingen.

Die Saite wird nun weit genug durch das Loch im Mechanikschaft geführt, damit wir hinterher nicht zu viele Wicklungen auf der Achse erhalten. Ein grobes Maß sind vier Handbreit nach der Mechanikachse bei den beiden E-Saiten, dreieinhalb bei A- und h-Saite sowie etwa drei bei Dund G-Saite. Gleichzeitig fange ich an, per Saitenkurbel die Mechanik zu drehen. Andere verknoten die Saite nach verschiedenen Methoden, aber das ist mir zu umständlich.

Beim Drehen achte ich darauf, dass das Ende der Saite zuerst unter dem Teil der Saite zu liegen kommt, der vom Sattel zu den Mechaniken hinläuft. Bei der nächsten Drehung wird dann das Saitenende über die ankommende Saite geführt und wird dadurch fest gezogen, sodass sich dort nichts mehr bewegen kann. Jetzt noch zwei oder drei Wicklungen hinterher, natürlich immer unter der jeweils vorherigen verlaufend, und dann sollte die Saite fürs Erste gespannt sein.

Die nun um die Kopfplatte herum baumelnden Saitenenden, nerven zwar, aber ich schneide sie noch nicht ab, sondern biege sie mir aus dem Weg. Denn allzu leicht verletzt man sich an den kurzen, oft scharfen Endstücken – und man hantiert ja noch eine Weile dort oben an der Kopfplatte herum, bis alle sechs Saiten aufgezogen sind. Ab dann kann man natürlich die Saitenenden kappen.

Die Saite wird durch das Loch im Mechanikschaft gesteckt.
Bei der ersten Drehung wird das Saitenende unter die ankommende Saite geführt.
Bei der zweiten Drehung sollte das Saitenende dann über der ankommenden Saite liegen und kann dann praktischerweise nach oben gebogen werden.
Dann noch zwei bis drei Wicklungen fein säuberlich nebeneinander, auf der Achse nach unten laufend, legen
Aber nicht kreuz und quer wickeln bitte!
Besser so!
Und so!
Alle Saiten sind drauf. Nun nur noch die Enden kappen, vordehnen und dann auf Stimmung bringen.

Zuerst stimme ich die Saiten einen Ton tiefer als das Standard-Tuning, dehne sie zwei- bis dreimal per Hand und auch per Daumendruck zwischen Sattel und Mechaniken. Jetzt sind die Saiten bereit, auf Normalstimmung gebracht zu werden; und dann hilft nur ganz viel zu spielen, um den von mir nicht so sehr geliebten Klang frischer, neuer Saiten zu eliminieren.

Bitteschön! (Bild: Rebellius)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Alles gut, nur vier Handbreit Saite werden sich garantiert nicht aufwickeln lassen, meiner Erfahrung nach genügen so etwa zwischen fünf (tiefe E) und 12 cm (hohe e)

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    1. Aber Jörg, nun laß doch den Heinz mal seine superlangen Saiten mehrlagig wickeln, denn das gibt der Kopfplatte mehr Masse, und manche sagen ja schließlich, dass das klangliche Vorteile bringen könne 😉

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  2. Keine Erwähnung von Monel Saiten schade

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