Im Interview

Ali Claudi: Künstler, Musiker & Gitarren-Optimierer

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(Bild: Lothar Trampert)

Dass gute Musik stimmungsaufhellend wirken kann, Swing etwas bei Musikern und Hörerinnen zum Schwingen bringt und Blues nicht zwingend traurig macht, ist unumstritten. Ali Claudi ist das lebende Beispiel dafür, dass Klangkunst und künstlerische Offenheit sogar jung halten können. Und da er als Gitarrist über die Jahrzehnte auch noch eine ganz besondere Beziehung zu Archtops aufgebaut hat, ist dieser Mann unter Fans und Kollegen eine lebende Legende. Ein Porträt.

Unglaublich, dass der am 17. Oktober 1942 geborene Ali Claudi gerade 80 Jahre alt geworden ist. Und der im Norden von Düsseldorf lebende und arbeitende Jazz- und Blues-Musiker ist weiterhin aktiv. Seit 1960 ist er professionell als Solist und Sideman unterwegs. Im vergangenen Jahr hat Claudi die Geschichte seines musikalischen Lebens als Hörbuch veröffentlicht: ,Spiel ja nicht so laut! Gitarrengeschichten‘, erschienen bei Timezone Records. Auf zwei CDs erzählt der Gitarrist & Sänger, der außerdem Experte für Archtops ist und schon jede Menge Instrumente bekannter Kollegen optimiert hat, von seiner Kindheit, den ersten Berührungen mit der Musik, Klavierunterricht und dem Weg zur Gitarre.

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1964 gründete er mit dem Pianisten Leo von Knobelsdorff die legendäre Boogie Woogie Company, spielte 1969 auf den Berliner Jazztagen und anderen großen Festivals, arbeitete von 1969 bis 1973 mit der Krautrock-Band Gomorrha zusammen und begleitete Größen wie Bill Coleman, Big Joe Turner, Jimmy Woode, Eddie Boyd, Booker Ervin, Stu Martin, Dusko Goykovich, Wilton Gaynair, Kurt Edelhagen und Sal Nistico. In seinen 60 aktiven Musikerjahren kam er auf mehr als 6500 Konzerte und hat auch mit seinen verschiedenen Bands 35 Alben eingespielt.

Ali Claudi erzählt aber hier auch eine Menge über seine Instrumente, verschiedene Gitarren, Verstärker, Effektgeräte, über Spieltechniken, Tunings und das Thema „Üben“. Besonders sympathisch an diesem Hörbuch ist, dass man sich nach ein paar Minuten fühlt, als säße man bei Ali am Küchentisch. Er bezeichnet die Doppel-CD als „ein Hörbuch für Gitarristen-Kollegen, andere Musiker und normale Menschen“. Der Mann hat Stil, Humor und kommt so normal bodenständig wie sympathisch rüber. Und dass er ein großartiger und eigenwilliger Gitarrist ist, hört man in den vier Musik-Tracks dieses Hörbuchs, die Lust auf mehr machen.

Angefangen hat er mit seiner Schüler-Band namens „Neue Walram Rhythmiker“, kurz NWR. Damals spielte Ali eine Sorella-Archtop mit Tonabnehmer und Regeleinheit. „Das war meine erste Band am Walram-Gymnasium in Menden, Sauerland. Ich war damals 19 Jahre alt. Hier startete meine Karriere. Mein Musik-Abitur war über Jazz, und das war damals ein unerhört freches, progressives Thema. Aber meine Note war „Sehr Gut“ – und das war ein sehr seltenes Ergebnis an dieser Elite-Schule.“

Die Anfänge: Ali mit seiner Framus Sorella
Ali Claudi mit Focus-Gitarrist Jan Akkerman beim Jammen.

In ‚Framus Vintage. Legendäre Musikinstrumente aus drei Jahrzehnten‘, (von Volkmar Rudolph und Josef Urbanek, 2009) erzählt Claudi noch eine weitere Geschichte aus seinen Anfangsjahren: „Als ich im Winter 1961 mit meiner ersten Framus-Jazz-Gitarre, der Sorella für 125 DM von einer Probe nach Hause ging, rutschte ich auf dem Schnee aus und fiel mit dem Ellenbogen auf das Instrument, das natürlich nur eine Hülle und keinen Koffer um sich hatte. Totalschaden!!! Ich war todunglücklich und brachte das Wrack zu meinem Händler in Iserlohn. Drei Wochen später erhielt ich von Framus eine völlig neue Sorella und sogar eine mit dem neuen Trussrod. Meine Kosten waren 45 DM – das war ein schönes Beispiel für Framus’ Kulanz damals.“

Sein eigenes Ali Claudi Quartett gründete er 1965, drei Jahre später kam Ali Claudi’s Soul Four dazu, 1975 die New Four, dann ein Trio und Duos mit den Gitarristenkollegen Andreas Polte, Jan Bierther, Martin Janneck und noch einige andere Besetzungen. Auch mit seiner ältesten Formation, der stramm auf die 60 zugehenden Boogie Woogie Company, ist er weiterhin aktiv. Mehr als 2500 Konzerte haben sie gespielt und früher, Anfang der 70erJahre, auch mal rund 80.000 LPs verkauft – was nicht vielen Jazz-Bands gelang. Mit seiner Band The Groove spielt Claudi Soul-Jazz, Rhythm & Blues und Funk im klassischen Hammond-Sound, und in der Formation Guitar Works hat er mit Ansgar Specht einen originellen Gitarristen an seiner Seite, um Latin-Jazz, Funk und souligen Blues zu interpretieren.

Und dann ist da noch das aktuelle Ali Claudi Trio, bei dem der Sänger und Gitarrist, begleitet von Keyboards und Drums auf ein Repertoire von circa 1500 Titel von Ray Charles, Nat King Cole, Sinatra, A.C. Jobim, Stevie Wonder, bis hin zu Clapton-Klassikern, Filmmusik-Hits und weiteren Highlights aus R&B, Funk, Rock & Roll, Country und Jazz zurückgreifen kann. Regelmäßig tritt Ali Claudi auch mit Pianist, Organist und Pedalbass-Spieler Hans-Günther Adam, Schlagzeuger Hardy Fischötter und Sängerin Gisela Peters im Streckstrump, dem ältesten Jazz-Lokal Deutschlands am Buttermarkt 37, in der Kölner Altstadt auf. Dann wird nicht nur Jazz sondern auch schon Pop, Funk und Blues gespielt.

Im Duo mit Keyboarder Hans-Günther Adam hat Ali Claudi auch das Live-Album ,We Blow Your Blues Away‘ aufgenommen, das gerade erschienen ist. Hier ist Ali als Interpret von Song-Klassikern wie ,The Way You Look Tonight‘, Billy Joels ,Baby Grand‘, ,I Can See Clearly Now‘ von Johnny Nash und Carole Kings ,You’ve Got A Friend‘ zu erleben, und natürlich auch als Gitarrist mit sehr eigenem Stil, der immer wieder kleine, eigenwillige Fills zwischen seine Begleit-Voicings schiebt, mal jazzig, mal bluesig, immer Claudi. Das gilt auch für seine energetischen Soli, in denen er manchmal den Song zu überholen scheint, um sich anschließend ganz laid back in die nächste Gesangsstrophe zurückzulehnen. Und dann ist da noch George Shearings Klassiker ,Lullaby Of Birdland‘, das Adam & Claudi im Stil von Johann Sebastian Bach swingen lassen – Könner.

Ali Claudis Live-Gitarre ist die Ibanez LGB30 (Bild: Lothar Trampert)

DER EXPERTE

Nicht nur als Musiker hat sich Ali Claudi in den vergangenen Jahrzehnten einen Namen gemacht. „Da ich neben meiner Tätigkeit als Jazz-Gitarrist auch damals schon Spezial-Tuning an Gitarren gemacht habe, bekam ich von Fred Wilfer das Angebot einer Beratertätigkeit, zur Verbesserung der Framus-Instrumente. Dieser Beratungsvertrag lief zwei Jahre, von 1973 bis 1975.“

Damals diskutierte Claudi verschiedene geplante Neuerungen mit Framus-Gründer Fred Wilfer – und die Beiden waren oft nicht einer Meinung. Sehr oft. „Irgendwann kamen sie und meinten, sie hätten jetzt eine ganz großartige Idee: einen Hals aus Schichtholz, der absolut stabil sei. Ich meinte dann nur: Daraus könnt ihr Hockeyschläger machen, aber keine Gitarrenhälse! Denn das sind nicht nur 20 Schichten Holz, sondern auch 20 Schichten Leim. Das schwingt nicht!“ Durchsetzen konnte sich Claudi damals nicht. Dafür kam er in Kontakt mit anderen Musikern wie Framus-Endorser Jan Akkerman.

Als Archtop-Spieler und -Liebhaber hat er sich insbesondere mit diesem Instrumententyp intensiv befasst, und immer wieder versucht, Wege zu finden, diese akustischen und elektrischen Gitarren unter beiden Aspekten zu optimieren. Seit vielen Jahren bietet Ali Claudi über seine Website www.aliclaudi.de einen Guitar-Tuning-Service an. Zu seinen Dienstleistungen gehören u.a. das Richten von verzogenen Hälsen, das Egalisieren und perfekte Abrichten der Bünde, ggf. auch komplette Neubundierungen und das Verbessern der Saitenlage von Instrumenten. Mehr ins Detail geht dann die Optimierung von Pickups und Elektrik, aber vor allem des akustischen Schwingungsverhaltens von Archtops, um Deadspots zu eliminieren und bei Verstärkung das Feedback-Verhalten in den Griff zu bekommen. „Kreative Problemlösungen und Optimierungen für (fast) alles“, nennt er das auf seiner Website. Wir haben nachgefragt.

Ali, bei welchen Archtop-Problemen wirst du am häufigsten um Hilfe gefragt?

Meist geht es darum, Hälse zu richten und die Bünde zu egalisieren, Stege und Sättel nachzubearbeiten – alles um die Saitenlage möglichst niedrig zu bekommen, ohne Klirren und Schnarren. Aber auch die richtige Einstellung der Pickups ist immer wieder Thema – und noch hundert weitere Details. Klangverbesserungen kann man durch zahlreiche Eingriffe am Instrument erzielen.

Sollten sich Gitarristen mehr mit der technischen Seite ihrer Instrumente befassen, um bessere Spieler zu werden?

Klare Antwort: Das sollten sie ganz dringend!

Was empfiehlst du Musikern, die sich mit maximal 1500 Euro in der Tasche eine Archtop zulegen wollen? Neuware oder Gebrauchtes?

Eigentlich meist gute Neuware, denn gebrauchte Gitarren muss man je nach Zustand oft total überarbeiten. Das mache ich natürlich auch gerne!

Vierzig Jahre her: ,Laid Back‘ von Ali Claudi's New Four
Alis selbst entwickelte und von Daniel Slaman gebaute Signature-Archtop
Der Vintage-Overdrive von TC Electronic dient als Booster.

 

Welche Erfahrungen hast du mit alten japanischen Archtops von Ibanez, Greco und Aria aus den 70er- und 80er-Jahren gemacht, deren Preise ja auch gewaltig angezogen haben?

Ibanez ist da absolut zu empfehlen, die waren schon immer sehr gut. Davon könnte sich Gibson eine Scheibe abschneiden. Ich spiele aktuell live meist meine Ibanez LGB30, eine tolle Gitarre für knapp 1200 Euro – auf die muss ich bei Gigs nicht so gut aufpassen. Meine Ibanez hat jetzt einen Gibson-Pickup am Hals und einen anderen Saitenhalter.

Welches sind ansonsten deine aktuellen Lieblings-Instrumente?

Vor allem meine Daniel-Slaman-Archtop! (Weitere Infos unter www.slamanguitars.com) Diese Gitarre habe ich aufgrund meiner Erfahrung aus tausenden Reparaturen bis ins Detail selbst entworfen. Es ist also eine Sonderanfertigung, mit 17-Inch-Thinline-Korpus, spitzem Cutaway und einem Gibson-Classic-57-PU in der Halsposition. Und dann ist da noch meine L-4 aus dem Gibson Custom-Shop.

Hast du die Produktion der Slaman-Archtop komplett begleitet?

Von Anfang an. Ich habe das Holz für die massive Decke ausgesucht, und irgendwann hatte ich ein Stück in der Hand, ganz feingemaserte Fichte, und wenn du dagegen geklopft hast, war das Holz am Schwingen wie eine Kirchenglocke. Daraus wurde dann die Decke geschnitzt, ganz klassisch, aus dem vollen Holz.

Welche Verstärker und Effekte setzt du live ein?

Ich habe mir von Thomas Carlitz zwei Tweed-Amps bauen lassen, auf Basis eines Fender Pro Amp und eines Fender Deluxe, beide von 1957. Ansonsten verwende ich nur den Hall und noch einen Booster. Bei kleinen Gigs spiele ich auch oft direkt in die Gesangsanlage und habe nur einen Vintage-Overdrive von TC Electronic dabei, als Booster.

Gibt es so etwas wie eine wichtigste Erfahrung in deinem Musikerleben?

Klar: Viel, viel Musik hören! Alle Stile und viele Gitarristen anhören! Und ganz, ganz viel üben! Außerdem immer daran denken: das Publikum will unterhalten werden!

Welche Musiker haben dich zuletzt wirklich beeindruckt oder sogar berührt?

Für mich sind das immer wieder Kenny Burrell, auch Tal Farlow, aber auch John McLaughlin, mit dem ich schon seit 1967 mehrfach Kontakt hatte. McLaughlin habe ich damals kennengelernt, als er mit der Band des Free-Jazz-Musikers Gunter Hampel spielte und wir, mit der Boogie Woogie Company, ein gemeinsames Konzert hatten. Das war schon eine schräge Kombination an diesem Abend … Dann haben mich aber auch Vince Gill, Robert Cray und mein Düsseldorfer Kollege Philipp van Endert immer wieder beeindruckt.

Mehr über Ali Claudi

www.aliclaudi.de

www.bwc-cologne.de

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich war mal bei dem , von Musikalität, war pädagogisch nicht viel .Ich hatte den Eindruck, ja wenn man so spielen kann wie” Ich” war sein besseres Ding.

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