Leuchtfeuer

Test: Guild Starfire I Jet90

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(Bild: Dieter Stork)

Welch aufgemopptes Yesteryear-Design hält uns denn da so keck einen 6-in-line Headstock entgegen? Guild hat seiner bewährten Starfire-Konzeption offenbar frisches Blut gespendet: semi-hollow Body mit Centerblock aus Mahagoni, drei Guild-Franz-P90-Pickups, dazu dieser besondere Kopf. Das alles macht optisch was her, lässt die Jet90-Archtop aber auch gerüstet für zeitgemäße Anwendungen erscheinen.

Das 1960 eingeführte Starfire-Modell hat im Laufe der Zeit viele Wandlungen erlebt. Auch fehlt es ihm nicht an prominenten Nutzern: Joe Perry und Robben Ford stimmen darin überein, dass diese Guild-Thinline die erste richtig gute Gitarre ihrer Karriere war. Lightnin’ Hopkins, Buddy Guy, Dave Davies, Jerry Garcia und Bob Weir, Tom Fogerty … man wird schon fündig, sucht man nach namhaften Starfire-Spielern.

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ALTBEWÄHRT, ABER NEU DEFINIERT

Die aktuell aufgelegte Starfire I mit dem Zusatz Jet90 können wir als Kreuzung zweier Charakter-Designs aus dem Hause Guild betrachten. Das Starfire-Thinline-Modell mit seinem einzelnen, spitzen Cutaway, eine traditionelle Semi-Hollowbody-Archtop mit f-Löchern, trifft auf die stromlinienförmige Solidbody Jetstar, von der es aber nur die Kopfplatte erbt.

Ein Schelm könnte bei dem frech gestalteten Kopf mit 6-in-Reihe-Mechaniken doch glatt an den der Gibson Trini Lopez denken, aber der ist nicht nur andersherum zugeschnitten, sondern hinkt auch ein Jahr hinter der Markteinführung der Guild Jet-Star her, die 1963 mit genau diesem Headstock vorgestellt wurde. Klar, in genau dem Jahr kam auch die Gibson Firebird mit ganz ähnlich geschnittenem Kopf heraus …

Zurück aber zur aktuellen Starfire Jet90: Dem leicht gewölbten Korpus aus laminiertem Ahorn von 5 cm Zargentiefe wurde ein durchgehender, sauber an die Wölbungen von Decke und Boden angepasster Center Block (chambered) aus recht hellem Mahagoni in die Mitte gesetzt. Die Zargenränder sind hinten wie vorn mit doppelt hinterlegten, cremefarbenen Bindings besetzt. Der Hals aus Mahagoni wurde in Höhe des 14. Bundes in den Korpus eingeleimt. Das eingebundene Griffbrett mit 12,5“ Radius aus Palisander gibt 20 klaglos gut verarbeiteten Bünden im Narrow-Tall-Format und Dot Inlays zur Lagenkennung Raum.

Über eine Volute ist der Kopf der Jet90 in gutem Winkel herausgeführt und gewährt neben gradliniger Saitenführung auch ordentlichen Andruck auf den Sattel. Die Saiten laufen mit einer Mensurlänge von 629 mm hinüber zur Guild Tune-O-Matic Bridge und ankern im Guild Vibrato Tailpiece aus Aluminium.

Elektrik: Drei Franz-P90-Singlecoil-Pickups mit Alnico-5-Magneten und Vintage-typischen Widerstandswerten sind über ihre cremefarbenen Soapbar-Kappen direkt in den zentral die Korpusmitte füllenden Mahagoniblock geschraubt. Generelle Volume- und Tone-Regler und ein vorn unten auf die Decke gesetzter 6-Way-Rotary-Switch zur Anwahl der Pickups geben Zugriff auf das elektrische Vermögen der Gitarre.

Die Oberflächen der Starfire I Jet90 – goldfarbene Decke und Kopfplatte, alle Rückseiten dunkelbraun – sind mit einem matten Satin Finish versiegelt. Ein schwarzes Pickguard mit Firmen-Logo setzt noch einen optischen Akzent. Der in Indonesien gefertigten Gitarre ist in Summe ein tadelloser Verarbeitungsstatus zu testieren.

6-stufiger Drehschalter zur Anwahl der Pickups (Bild: Dieter Stork)

KURVENREICHE STRECKE – GIB GUMMI!

„Die neue Starfire I Jet90 zu spielen ist ein wenig wie das Austesten des Gaspedals an einem Oldtimer-Bike, das auf kurvigen Straßen über einen schmalen Küstenstreifen rast. Befreiend, aufregend, ein bisschen gefährlich – aber es ist diese Aufregung, am Rande von Ordnung und Chaos zu schwanken, die dich am lebendigsten fühlen lässt.“ Taylor Buck, Direktor für Marketing. Gut gebrüllt Löwe – mal sehen, was dran ist.

Die Starfire I Jet90 ist zunächst einmal wie eine alte Bekannte: Hey, lange nicht gesehen (und doch sofort wiedererkannt)! Da ist also nichts, an das man sich erst gewöhnen müsste, alles fühlt sich vertraut an. Dem Hals der Jet90 hat man allerdings ein recht kraftvolles Modern-Thin-„U“-Profil mit gut ausgebauten Schultern verschafft. Nicht unbedingt Standard, aber gut zu spielen. Die eher schlanken und maßvoll hohen Bünde lassen das Spiel problemlos leicht von der Hand gehen und gewähren neben einer perfekten Intonation lässiges Bending. Eine leichte spieltechnische Einschränkung ist Typ-bedingt durch die lediglich 20 Bünde und den bereits unter dem 12. Bund ansetzenden Halsstock gegeben, aber für die Solo-Jodler der sportiven Höher-Schneller-Weiter-Fraktion ist dieses Modell ja eh nicht gedacht.

Die Gitarre bringt akustisch angespielt mit typisch semiakustischem Box-Sound und großer Schwingfreude sofort Spaß. Kompakt, aber crisp aufgelöst zugleich springen Akkorde lebhaft vor, Linien kommen plastisch markant und mit luftigem Twang zum Ohr. Die Tonerzeugung ist leicht, der Response auf den Anschlag flink. Eine gute akustische Basis für die elektrische Umsetzung also.

Auffällig ist zunächst die Positionierung der Pickups. Orientiert an den natürlichen Obertönen hat man den Tonabnehmer am Hals korrekt unterhalb der zweiten Oktave positioniert, die anderen beiden nehmen in gleichem Abstand zueinander ungefähr unterhalb der Flageolet-Terzen und -Quinten ab. Der Abstand des Bridge-Pickups zum Steg bleibt demgemäß auffallend groß.

Der 6-stufige Drehschalter gewährt nun Zugriff auf die P90-Pickups mit folgenden Klangoptionen: Pos. 1: Bridge; Pos. 2: Bridge + Middle (Hum Canceling); Pos. 3: Middle; Pos. 4: Middle + Neck; Pos. 5: Neck; Pos. 6: Bridge + Neck (Hum Canceling).

Drei Franz-P90-Soapbar-Tonabnehmer (Bild: Dieter Stork)

Hören wir uns die Soapbars zunächst in Einzelschaltungen an. Der Hals-Pickup allein (Pos. 5) lässt ein warm gerundetes, aber doch auch stimmlich gut gegliedertes Akkordbild aufleuchten. Linienspiel übersetzt er stabil und plastisch, gehaltene Noten zeigen ebenmäßigen Schwingverlauf und kraftvolle Tonfarbe. Geben wir Gas, so ist die Jet90 schnell auf 80, der satte Sound klingt nun nach offener Auspuffklappe, erreicht einen trocken-knarzigen Ausdruck – ah, da ist sie ja, die Moped-Assoziation! Mit dunklen, schön kantigen Powerchords und kraftvollen Riffs kommen wir über diesen Pickup schnell voran, Lead-Spiel trägt uns locker durch jede Kurve. Also Highway schon, aber nicht gleich in die Hölle.

Sein Gegenspieler, der Pickup am Steg (Pos. 1) kommt trocken und tatsächlich nicht so hart rüber, wie das bei anderen Steg-Pickups der Fall ist. Die von der Bridge etwas vorgerückte Position lässt ihn etwas moderater agieren, was sich in weich gerundeten Höhen ausdrückt, und das macht sich durchaus gut. Schon schlank und rank, dabei keineswegs mager, schlägt er sich richtig ordentlich in der CleanEbene, auch wenn ihm die letzte Offenheit wohl fehlt. Dafür zeigt jedoch stramme Bizeps und kompakte Durchsetzungskraft in Crunch- und Zerr-Einstellungen des Amps.

Der Franz P90 in der Mittelposition (Pos. 3) dient, wie eigentlich immer, vornehmlich der Kombination mit seinen Brüdern in Ost und West. Dennoch überzeugt er auch allein durchaus mit einer eigenen Tonfarbe.

Sehr schön frische, in bösen Einstellungen auch körnig-knurrige Kombi-Sounds finden wir nun noch in den Schaltstufen 2, 4 und 6 vor. Hilfreich ist natürlich die Brummfreiheit der Positionen 2 und 6, aber der Singlecoil-Brumm der Einzelschaltungen ist ja eine unvermeidliche Charaktereigenschaft dieses Tonabnehmertyps. Auf jeden Fall sind die Klangabstufungen gut gesetzt. Es macht Spaß, die Schaltpositionen durchzuwechseln und die verschiedenen Facetten zu erkunden.

Angemerkt sein noch: Der Drehschalter läuft recht schwer, rastet dafür aber auch deutlich ein und dank des geriffelten Drehknopfs sollte es auch mit schweißnassen Fingern keine Probleme bei der Anwahl der Pickups geben. Und das kultige Guild Vibrato arbeitet am Ende, selbst wenn man sich damit etwas stärker in die Kurve legt, auch noch bemerkenswert stimmstabil – Daumen hoch!

RESÜMEE

Mit seinen frühen ikonischen Entwürfen hat Guild eigentlich schon alles im Werkzeugkasten, um die historisch fundierten Gitarren-Designs durch einen Mix der Stilelemente und aktualisierendem Feinschliff in die Aktualität zu führen. Dem Modell Starfire I Jet90 verschafft die lange Kopfplatte mit den 6-in-Reihe montierten Mechaniken einen besonderen Twist – wenn schon nicht wirklich modern, dann aber wenigstens mit gehörigem Retro-Charme. Den vermittelt diese Gitarre ganz ohne Frage und gut spielbar ist sie mit ihrem kraftvoll gestalteten Hals sowieso.

Hervorzuheben ist aber vor allem ihre elektrische Potenz. Die drei Franz-P90-Pickups übertragen gediegen und kraftvoll, machen in allen Leistungsstufen des Amps eine gute Figur und der sechsstufige Pickup-Wahlschalter gibt Zugriff auf ein großes Spektrum von Klangfarben. Zum Mond fliegt dieser Jet90 zwar nicht gerade, durch allerlei gefährliche Kurven kommen wir damit aber locker. Die Einladung zur Spritztour nehmen wir also gerne an. Cool, das Teil – ausprobieren!

PLUS

● stimmiges Crossover-Design
● Schwingverhalten
● Franz P90 Pickups
● gediegene Sounds
● Schaltoptionen
● Kraftvolles Modern Thin „U“-Halsprofil
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung

MINUS

● leichte Einschränkung des Tonumfangs (20 Bünde, früher Hals/Korpus-Übergang)

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)

Produkt: Fender Stratocaster
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