Interview

Lap-Steel-Star: Ben Harper & The Innocent Criminals

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Anfangs oft eigenwillig, wortkarg und unterkühlt anzutreffen, hat sich der kalifornische Blues-Fan in seiner fast 20-jährigen Karriere nicht nur zu einem herausragenden Musiker, sondern auch zu einem echten Sympathieträger entwickelt. Wer das Glück hat, dem heute 47- jährigen Sänger & Gitarristen Ben Harper zu begegnen, trifft auf einen amüsanten, klugen Gentleman, der erstaunlich viel Humor besitzt.

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(Bild: CAROLINE/UNIVERSAL)

Ist es tatsächlich schon wieder acht Jahre her, seit Band-Boss Ben seine unschuldigen schweren Jungs für einen neuen Longplayer ins Studio beorderte? Zuletzt war Harper zumeist in eigener Sache unterwegs oder erfüllte sich Musikerträume, wie zuletzt mit einer Duett-Scheibe mit Blues-Harp-Player Charlie Musselwhite. Ein Projekt, das tatsächlich 15 Jahre Terminplanung bedurfte, bis die beiden Blues-Meister ihre Terminkalender für ‚Get Up!‘ abgeglichen hatten. Was sind da schon acht Jahre für die Innocent Criminals? Zumal Harper ein manisch Getriebener ist, der jeden Tag akribisch schreibt, auf der Suche nach Sounds ist und den man nie ohne Instrument und Notizbuch antrifft. So auch beim Gespräch für Gitarre & Bass in einem Berliner Hotel, wo der Mann mit der lustigen XXXL-Stickmütze mit zwei Gitarrenkoffern bepackt anrückt. Er wird später noch eine Radiosenderreise machen und ein paar Songs aus seinem neuen Album ‚Call It What It Is‘ frisch und ungestöpselt zum Besten geben.

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Ben, auf einem deiner Gitarren-Cases steht „Secret Weapon“. Was für eine Geheimwaffe ist denn da drin?

Ben Harper: Mein neuestes Spielzeug, eine Weissenborn aus den frühen 20er-Jahren. Es ist ein Exemplar der ersten Produktionsserie, aus perfekt gefügtem Koa-Holz. Sie hat ein sehr breites Griffbrett, eine sehr breite Bridge und lauter Details an denen du erkennst, dass Hermann Weissenborn (*1863 in Hannover; †1937 in Los Angeles) dieses Instrument komplett in Handarbeit gefertigt hat.

Im anderen Koffer ist vermutlich dein Martin-Signature-Modell?

Ben Harper: Genau, meine HM 0000-28, in Palisander und Fichte. Auf ihr habe ich Songs wie ‚Dance Like Fire‘ und ‚How Dark Is Gone‘ eingespielt. Die Steelstring-Sounds auf dem neuen Album stammen alle von dieser Gitarre. Ihr Sound ist wirklich klasse, ich bin zum ersten Mal überglücklich. So gut klangen meine Akustischen im Studio noch nie!

Wie hast du sie abgenommen?

Ben Harper: Ich sag dir mein Rezept für einen guten Acoustic-Sound im Studio: Besorg dir einen genialen Tontechniker! (lacht) Aber im Ernst, ich kann dir nicht sagen welche Preamps und Mikros wir (er meint Produzent Ethan Allen) verwendet haben.

Du spielst neben den Weissenborns ein Asher-Lap-Steel-Signature-Modell. Welche Features waren dir wichtig?

Ben Harper: Zunächst möchte ich sagen, dass ich Billy Asher kenne, seit er begann Instrumente in seiner Garage zu bauen. Heute ist er einer der renommiertesten Instrumentenbauer Kaliforniens! Er verpasst seinen Kunstwerken ein atemberaubend schönes Design, da fällt dir nichts dazu ein. Und sie klingen natürlich gut. Damals war ich sein erster Lap-Steel-Kunde. Heute kann ich auf seine Instrumente nicht mehr verzichten. Die Weissenborns sind als akustische Instrumente unschlagbar, aber mit einer lauten Rock-Band ist es immer ein Kampf um die Lautstärke, kurz bevor alles kippt und es Feedbacks gibt. Das ist anstrengend. Billy dagegen hat mir deshalb ein Instrument gebaut, das im Grund eine Les Paul mit Squareneck ist. Der Body aus Mahagoni ist teilweise ausgehöhlt (chambered), sie hat eine wunderschön geflammte Ahorndecke und zwei Seymour-DuncanCustom-Shop-’59-Style-Humbucker. Das Teil kann verdammt rocken!

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(Bild: CAROLINE/UNIVERSAL)

Was macht dagegen aus deiner Sicht den Reiz der alten Weissenborns aus?

Ben Harper: Sie sind einzigartig, in jeder Hinsicht. Ich liebe Nationals und Dobros, sie alle haben ihren Platz im Chor der Großen, aber eine Weissenborn ist ein unvergleichlich eigenständiges Instrument. Sie klingt unglaublich eigen, charakteristisch, und durch ihren hohlen Hals bewegst du eine Menge Luft. Das klingt! Die frühen Exemplare stammen aus den Jahren um 1915, die älteren aus den 30er-Jahren, meine aus den Zwanzigern. Die mag ich am liebsten. Sie sind also bald 100 Jahre alt! Überleg mal, wann die Bäume gepflanzt wurden, aus denen diese Instrumente gebaut wurden! Das Holz meiner Weissenborns ist knochentrocken, sie sind federleicht. Doch auf der anderen Seite sind sie unglaublich stabil und haltbar. Ich bin mit meiner ersten schließlich um die Welt getourt. Diese Instrumente sind dafür gebaut, gespielt zu werden! Leider wird es immer schwerer welche zu finden. Aber weißt du was?

Was?

Ben Harper: John Monteleone, der letzte der großen Archtop-Builder wird mir eine Lap-Steel bauen!

Dürfte dich bestimmt ein Vermögen kosten. Seine Instrumente sind wirklich spektakulär. Die Wartezeit auf eines seiner Instrumente dürfte ebenso enorm sein, wie der Preis.

Ben Harper: Stimmt! Ich habe einiges an Equipment verkaufen müssen, unter anderem meinen Fender Tweed Twin. Und ich weiß, ich werde lange warten müssen. Vermutlich wird das mein Rentenaltereintrittsgeschenk! (lacht) Aber John ist halt ein Master-Luthier wie John D’Angelico oder Jimmy D’Aquisto. Er ist absolut akribisch, detailversessen und will alles wissen: Was du spielst, wie du anschlägst, welche Saiten du bevorzugst, welche Hölzer du magst. Er hat extra eine Weissenborn zerlegt, um sie zu analysieren und eine meiner alten hat er vermessen. Eines Tages werde ich dann ein Solo-Album aufnehmen, nur ich und diese Lap-Steel – schlicht, reduziert, akustisch. Eine Klangreise, eine Geschichte zwischen Instrumentenbauer, Musiker und Musik – vielleicht mit einem kleinen Buch dazu. Nichts kommerzielles, nur was für Fans.

Du spielst die Lap-Steels mit deinem Signature-Tone-Bar von Jim Dunlop, aus verchromtem Messing. Zu diesem Thema gibt’s ebenso viele Materialdiskussionen wie beim Slide: Glas, Messing, Alu, Eisen …

Ben Harper: Genau. Nimm David Lindley: er spielt ein Golden Gate Stevens Tone Bar, das ist recht rau, während meins extrem glatt poliert ist, herrlich handschmeichlerisch. Ich mag das so. Außerdem ist meins am Ende abgewinkelt. Damit sehe ich die Saiten beim Spielen besser, wenn ich von oben drauf schaue. Ich hab auch mal verschiedene aus Glas probiert, aber da fehlt mir das Gewicht.

Was für Gitarren und Amps kamen auf ‚Call It What It Is‘ noch zum Einsatz?

Ben Harper: Meine 1957er Telecaster über einen Dumble-Overdrive-Special-Amp. Die Kombination ist cool. Das rockt total, klingt aber auch transparent, so, wie ich das mag. Das gibt dir so einen gewissen Stones-Touch, der Sound ist transparent und die Riffs atmen. Dicke Saiten sind natürlich auch wichtig. Ich hab .011er D‘Addario auf der Tele und .012er auf meinen Lap-Steels. Ach ja: vergangenes Jahr hab ich mir noch eine Les Paul Special in TV Yellow aus dem Gibson Custom Shop besorgt. Ich liebe P- 90-Tonabnehmer! Das ist mein Sound! Und wenn ein Song beginnt, ist sogar das Brummen weg! (lacht) Hör dir ‚When Sex Was Dirty‘ an: das ist der Sound den ich liebe. Ich hatte das Riff zunächst mit Humbuckern gespielt, aber das klang irgendwie zu sehr nach AC/DC! (lacht)

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(Bild: CAROLINE/UNIVERSAL)

Wie funktioniert das Job-Sharing mit deinem Gitarrist Michael Ward?

Ben Harper: Michael und ich haben eine ähnliche Herangehensweise und respektieren uns sehr. Er ist Absolvent des G.I.T. und hat mit John Hiatt und den Wallflowers gespielt. Er ist ein Genie! Und ich kriege jedes Mal eine Unterrichtsstunde umsonst von ihm. Ich bin so verdammt froh, dass er nicht Slide spielen kann! (lacht) Aber wir helfen uns gegenseitig den anderen glänzen zu lassen.

Die Aufnahme-Sessions fanden über das vergangene Jahr verteilt statt. Warum?

Ben Harper: Nun, Musik ist eine Frage der Betrachtungsweise. Als junger Musiker hast du keine objektive Betrachtungsweise gegenüber dir selbst, weil du zu beschäftigt bist, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und Regeln zu brechen. Erst wenn du älter wirst, ändert sich das. Doch wie du etwas wahrnimmst und wie es die Außenwelt sieht, ist oft grundverschieden. Mir ging es um Objektivität. Deshalb haben wir drei, vier Songs aufgenommen, sie ein paar Wochen ruhen lassen, dann abgehört und analysiert: Der Song ist gut, der ist Mist, und der geht auch nicht! Viele Musiker denken, alles was sie tun sei groß- artig! Ist es aber nicht. Gerade viele der großen Musiker werden zwar älter – aber nicht mehr besser. It’s rough man! Age is a motherfucker on all of us!

Du hast mit Legenden wie Willie Nelson, The Blind Boys Of Alabama, John Lee Hooker und zuletzt Charlie Musselwhite gearbeitet. Welche Begegnung hat dein Spiel nachhaltig beeinflusst?

Ben Harper: Eine die du nicht erwarten würdest! Ich habe mal als Produzent für Natalie Maines von den Dixie Chicks gearbeitet. Ihr Vater ist Lloyd Maines, einer der besten Slide- und Pedal-Steel-Player überhaupt. Er ist der Typ, den sie als erstes anrufen, wenn es um einen Job geht (u.a. für Wilco, Joel Ely, Indigo Girls). Natalie weiß also genau worum es geht und kann natürlich perfekt Slide und Pedal-Steel spielen. Und während ich ihr Album produzierte, sah ich wie sie spielt. Eine großartige Erfahrung! Sie hat mir viel über Phrasierung, Pausen und Rhythmus gezeigt. Von ihr hab ich mehr gelernt, als von jedem den du genannt hast.

Vielen Dank fürs Gespräch.

 

DISCOGRAFIE

Welcome To The Cruel World (1994)
Fight For Your Mind (1995)
The Will To Live (1997)
Burn To Shine (1999 mit Innocent Crimnals)
Diamonds On The Inside (2003)
There Will Be A Light (2004 mit Blind Boys Of Alabama)
Live At The Apollo (2005, mit den Blind Boys Of Alabama)
Both Sides Of The Gun (2006 mit Innocent Criminals)
Live At Twist & Shout (2007, mit Innocent Criminals)
White Lies For Dark Times (2009 mit Relentless 7)
Live From Montreal Jazz Festival (2010, mit Relentless7)
Give Till It’s Gone (2011)
By My Side (2012)
Get Up! (2013, mit Charlie Musselwhite)
Childhood Home (2014, mit Ellen Harper)
Call It What It Is (2016, mit Innocent Criminals)

 

www.benharper.com

 

 

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