Aber nicht nur Gitarren mussten fürchten, dass ich mit ihnen die Steine unseres Hauses traktiere! Irgendwann modifizierte mir mein Anfang des Jahres leider verstorbener Freund Ralf „Tonehunter“ Reichen (ich vermisse dich so oft!) meinen Tweed Pro Junior – erste Serie, Made in USA. Warum nicht mal den gut gepflegten Tweed-Bezug agen?
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Also schnell Nitrolack besorgt, Lackpigmente, wieder die Nikotin-Kaffeemische ansetzen. Alles schön unregelmäßig verstreichen, zwischendurch ein paar Tage aushärten lassen, wieder eine Schicht drauf. Dann die Ecken und Kanten verdetschen und abschürfen. Ziggie-Burns, Bierbembel-Abdruck – fertig!
Danach die alte Framus 2×12 Box abgeschliffen und mit der Rolle in taxiblond angestrichen. Je nach Location den Junior solo gespielt oder über die 2×12 geschubst. Klang beides richtig gut, aber am meisten habe ich mich gefreut, wenn die selbsternannten Experten hinterher den Sound meines angeblich alten Fender Tweed Champ gelobt haben: „Klingen halt am geilsten, die alten Kisten! Vintage, es geht nicht besser, sag´ ich doch schon immer!“ Ja, nee, is´ klar…!
Je nach Lust und Laune habe ich die Leute aufgeklärt oder in ihrem Glauben gelassen. Es gab aber auch Leute, die die Wahrheit – nämlich dass der vermeintliche Champ ein Pro Junior ist – nicht glauben wollten. Machste nix. Wie sagte meine Oma immer wohlmeinend: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich! „Und wenn sie es nicht gut meinte, dann: „Die Doofen gehen einfach nicht alle!“
WARUM?
Okay, ich habe auch zig Paar Converse-Chucks & Adidas-Sneaker durch die Mangel gedreht runtergerockt, angemalt und auf alt getrimmt. Sogar für viele Freunde. Okay, für ‘ne Gitarre wurde ich noch nicht gefragt… trotzdem frage ich mich ernsthaft: Warum muss man über dieses Thema fast 30 Jahre nach den ersten Fender Relic Gitarren überhaupt noch diskutieren?
Nervt es einige, weil ausgerechnet diese Gitarren oft sehr teuer sind? Und warum machen sich umgekehrt immer noch genug über die schönen „Rechtsanwalt-Arzt-Manager-Modelle“ von PRS und Nik Huber lustig? Was ich übrigens genauso überflüssig finde.
Leben und leben lassen, dass fällt vielen schwer. Auch zu akzeptieren, dass es immer Menschen gibt, die sich teures Equipment leisten können, scheint vielen schwer zu fallen. Warum? Neid macht nicht glücklich. Musik machen macht glücklich – und das geht auch ohne Edelzither.
Ich habe 10 Jahre lang mit einer stinknormalen Standard-Tele (Kaufpreis 1200 Mark) gespielt, bevor ich sie ausgiebig geaged und an meinen Comedian-Kumpel Hennes Bender verkauft habe. Der hat sie immer noch und hält sie in Ehren. Erst dann habe ich mir eine Fender Relic gekauft, die ich heute noch habe und sehr gut finde (siehe meine G & B Blondie-Kolumne!).
Hennes Bender hält meine alte Tele in Ehren.
THE ART OF AGING!
Ich finde es immer noch spannend und inspirierend, Gitarren und Amps zu modden, pimpen und zu bearbeiten. Demnächst werde ich mir mal wieder eine gute, günstige Gitarre kaufen. Wahrscheinlich eine Strat oder Tele. Und dann wird wieder vermackt, gesprayt, gefräst, gepinselt, gemodded und nach Herzenslust geaged. Ich freu mich jetzt schon drauf.
Wer sich jetzt denkt „das würde ich auch gerne mal mit meiner Gitarre machen“, sich aber noch nicht so richtig traut – schreibt mir einfach ne Mail! Ich komme gerne vorbei… und habe so gut wie keine Hemmungen mehr!
Mein Angebot für PRS-Freunde: Wir hängen einfach mal eine gute Private Stock 35th Anniversary Dragon an meine Anhängerkupplung… ich bringe auch Kältespray, Klinkersteine und Teppichmesser mit – das wird ein großer Spaß! Nein, das ist mehr als nur Spaß – ich würde sogar sagen: Das ist Kunst … the art of aging!
(erschienen in Gitarre & Bass 09/2024)
Kommentar zu diesem Artikel
Köchling
Wenn Jagger ohne seine Perücke auftreten würde, sähe er aus wie Tills Zwillingsbruder…)) isso
😇😎👌
Wenn Jagger ohne seine Perücke auftreten würde, sähe er aus wie Tills Zwillingsbruder…)) isso
😇😎👌