Workshop

Repair Talk: Das Locking-Vibrato Teil 5

Anzeige

Wie schon im letzten Repair Talk angekündigt, folgt mit dieser Folge die praktische Umsetzung der bis hierhin gelieferten Theorie rund um das Locking-System. Aufbauend auf die im Vorfeld gelieferten Fakten, soll nun ein Locking-System komplett eingestellt werden.

Bewusst werden bei diesem Vorgang einige Details oder Handgriffe als gegeben angenommen, da sie bereits erklärt wurden. So kann sich diese Folge auf das eigentliche Setup konzentrieren, ohne sich mit zu vielen Nebenarbeiten oder Erklärungen aufzuhalten.

Anzeige

VERTRAUTER BEGINN

Am Anfang der Locking-Vibrato-Serie stand eine Charvel, die ein wenig Geschmeidigkeit in punkto Bespielbarkeit vermissen ließ. Hier war die Aufgabe: Bünde abrichten mit anschließendem Full Setup. Das wird in diesem Umfang nicht jede Double-Locking-Gitarre benötigen, aber die erste Handlung ist systemübergreifend vertraut: Die alten Saiten müssen runter. Dazu werden die Klemmschrauben am Sattel gelöst (Abb. 1), die Klemmböckchen nebst Schrauben entfernt und sicher beiseitegelegt.

Abb. 1: Lösen der Klemmschrauben zum Entfernen der Saiten (Bild: M. "Doc" Schneider)

Nun können die Saiten an den Mechaniken heruntergestimmt und abgenommen werden. Beim Herunterstimmen wird das freischwebende Vibrato nach hinten wegkippen und schräg im Korpus versinken. Danach wird die Gitarre gewendet, und in der Federkammer können die Federn vom Vibratoblock gelöst werden. Die eine Hand löst die Federn, während die andere Hand den Block festhält. So kann er, einmal völlig losgelöst, durch die Blockfräsung herausgeführt werden, ohne dass er unkontrolliert aus dem Body fällt.

Anschließend setze ich das System in einen kleinen Schraubstock (Abb. 2). So sitzt es sicher und leicht zugänglich. Durch das Lösen der langen Klemmschrauben lösen sich die kleinen Klemmböckchen im Saitenreiter und geben die Saiten frei, die dann entsorgt werden können.

Abb. 2: Eingespannt und fertig für die Inspektion: das Locking-System (Bild: M. "Doc" Schneider)

Das immer noch im Schraubstock fixierte System kann nun auf morsche Bauteile bzw. Funktionalität überprüft werden. Auch ein Reinigen kann nicht schaden, da Handschweiß, Staub und Co. erklärte Gegner einer guten Funktionalität sind.

KNIPSEN UND SPANNEN

Hat das System die Funktionsprüfung durchlaufen und bestanden, können die neuen Saiten fixiert werden. Der Großteil der Double-Locking-Systeme nimmt das Ballend einer Saite nicht auf. Messerscharf hergeleitet muss dieses dann bei einigen Systemen abgeschnitten werden. Für eine saubere Aufnahme im Saitenreiter wird aber nicht nur das Ballend abgeschnitten sondern auch die Verdickung der Saite vor dem Ballend. Abb. 3 zeigt die korrekte Schnittstelle.

Abb. 3: Ballend und Verdickung müssen entfernt werden (Bild: M. "Doc" Schneider)

Man könnte meinen, die verdickte Saite kurz vor dem Ballend bietet im Saitenreiter mehr Halt beim Klemmen. Das mag in der Theorie stimmen, in der Praxis liegt aber die dann nicht ganz klar definierte Saite nicht gut in der Rille des Saitenreiters. Für den guten Ton schneidet man die Saite gemäß Abb. 3 ab. Die nun glatte Saite hat genügend Halt im Reiter und liegt sauber in der Führung. Wie in Abb. 4/oben zu sehen, wird so die Saite bis auf den Grund des Reiters geführt und dann mit der langen Klemmschraube handfest fixiert.

Abb. 4: Mit Gefühl gesteckt und geklemmt: Die Saitenaufnahme (Bild: M. "Doc" Schneider)

Da die Gefahr besteht, das kleine Klemmböckchen zu „sprengen“, ist zu viel Kraft auch an dieser Stelle kontraproduktiv. Zwar kann das nicht gerade kostspielige Bauteil ersetzt werden, jedoch ist es auch für den Rest des Systems schonender, wenn rohe Kräfte auch hier nicht sinnlos walten. Man merkt mit etwas Übung übrigens deutlich, wenn das Material zur Mäßigung aufruft. Sind alle sechs Saiten fixiert (Abb. 4/unten), streiche ich noch etwas Fett auf die Messerkanten (Abb. 5). Dieses schmiert die Verbindung Kante/Bolzen, wirkt aber auch schützend gegen z. B. Handschweiß.

Abb. 5: Kann nicht schaden: Etwas Fett schmiert die Messerkanten (Bild: M. "Doc" Schneider)

Nach dieser Vorbereitung kann das System zunächst einmal beiseitegelegt werden. Widmen wir uns stattdessen noch einmal den Vorgaben des Gitarrenhalses, bei dem die Bünde abgerichtet und der Klemmsattel in der Höhe angepasst wurden. Da am Hals somit alles vorbereitet ist, kann nun das System wieder auf die Gitarre gesetzt werden.

Zunächst setze ich das System in die Rillen der Bolzen und bringe die beiden äußeren Saiten an den Mechaniken auf Spannung. Dadurch kippt das System nach vorne und die Messerkanten werden im Bolzen fixiert (Abb. 6/oben links). Die nächste Aktion sieht auf Papier komplexer aus, als sie in der Praxis ist. Als Rechtshänder drückt die rechte Hand (gemäß Abb. 6/oben rechts) das System nach unten. Der Daumen findet Halt auf der Rückseite des Instruments, so dass man das System und die Gitarre im Griff hat.

Abb. 6: Das System wird wieder eingesetzt (Bild: M. "Doc" Schneider)

Unterstützt von der linken Hand am Hals wende ich nun die Gitarre, sodass sie auf dem Vibrato liegt. Der Hals findet auf meiner Werkbank einen sicheren Platz in einem handelsüblichen „Neck Rest“. Das Eigengewicht der Gitarre drückt nun das System in Richtung Korpus, während der Saitenzug sicherstellt, dass die Messerkanten im Bolzen bleiben.

Der Freigängigkeit beraubt, sitzt nun das System berechenbar in der Federkammer, so dass die Federn eingehängt werden können (Abb. 6/unten links). Um Mensch, Instrument und Umwelt vor umherfliegenden Federn zu schützen, kann ein im Handel erhältliches Spezialwerkzeug (zum Beispiel „The Spring Thing“ von Rockinger) helfen. Sind die Federn eingehängt, ist das System montiert (Abb. 6/unten rechts), aber noch nicht justiert.

DER KEIL FÜR KLARE VERHÄLTNISSE

Ein freischwebendes Double-Locking-System lässt sich im schwebenden Zustand nur schwer oder in meinen Augen gar nicht gut einstellen. Präziser und schneller geht das Justieren von der Hand, wenn das System vorübergehend festgesetzt wird.

Die Abb. 7 zeigt einen kleinen Keil, der mir dabei hilft. Den Keil schiebe ich zwischen Vibratoblock und Korpusholz.

Abb. 7: Ein Keil fixiert das System… (Bild: M. "Doc" Schneider)

Durch das Anziehen der Federn an der Klaue (Abb. 8/oben) wird der Keil fest eingeklemmt. Je nachdem, wie tief der Keil eingeschoben wird, verändert sich die so bestimmte Ruheposition des Vibratos.

Abb. 8: … und bestimmt dessen Position (Bild: M. "Doc" Schneider)

Die Abb. 8/unten zeigt die typische Ruheposition eines Floyd-Style-Systems: Grundplatte parallel zur Korpusebene. Das funktioniert bei mir gut – ist auch Standard – lässt aber Spielraum für persönliche Präferenzen in die eine oder andere Hubrichtung. So fixiert kann die Gitarre ein komplettes Setup durchlaufen. Die Arbeitsschritte sind die gleichen, wie bei einer Non-Vibrato-Gitarre. Halskrümmung, Sattel, Saitenlage, etc. können auf die persönlichen Vorgaben eingestellt werden. Da gilt das bereits Geschriebene aus vorangegangenen Repair Talks.

DAS FEHLENDE ZEHNTEL

Abweichend von einem Knochensattel verbirgt ein Klemmsattel jedoch ggf. die ein oder andere Problematik im Detail. Gemäß des Repair Talks 07/2020 wurde der Klemmsattel bereits montiert und in der Höhe justiert. Lineale dienten zur Kontrolle. Die aufgezogene Saite wirkt dann doch noch etwas genauer und verzeiht keine Diskrepanz vom Radius des Sattels zum Radius des ersten Bundes. Bei aufgezogenen Saiten war die e-Saite perfekt – die G-Saite am Sattel etwas zu hoch. Durch ein weiteres Reduzieren der Sattelhöhe könnte die G-Saite optimiert werden, die e-Saite wäre dann aber zu tief.

Auf der Suche nach einer perfekten Einstellung habe ich mich dazu entschlossen, die G-Saite zu optimieren und die dann zu tiefe e-Saite am Sattel etwas zu unterfüttern (Abb. 9). Zunächst säubere ich die Sattelnut. Dann träufele ich etwas dünnflüssigen Sekundenkleber in die Nut und fülle mit etwas Grafitpulver auf. Anschließend träufele ich nochmals eine kleine Menge Sekundenkleber auf das Grafit. Wenn der Verbund durchgetrocknet ist, feile ich die aufgefüllte Nut nach (Abb. 9/rechts) bis sie die korrekte Höhe und Oberfläche hat. Das Auffüllen sehe ich nicht als „Pfusch am Bau“ sondern als eine zielführende und lang erprobte Lösung, um eine optimale Bespielbarkeit aus dem Instrument herauszukitzeln.

Abb. 9: Bringt das fehlende Zehntel: Aufgefüllte Nut (Bild: M. "Doc" Schneider)

UNGEWOHNTES SCHRAUBEN

Sind Sattelhöhe und Halskrümmung im Setup-Protokoll abgehakt, folgt das Einstellen der Saitenlage. Das im Radius vorgegebene System (vgl. auch Repair Talk 10/2020) lässt sich nur an den beiden Bolzen in der Höhe einstellen (Abb. 10). Mit einem Inbus lässt sich so die gewünschte Saitenlage aufs Zehntel genau einstellen – ggf. Herstellerhinweise beachten.

Abb. 10: Die beiden Bolzen regulieren die Saitenlage (Bild: M. "Doc" Schneider)

Filigran und etwas fummelig gestaltet sich das Einstellen der Intonation (Abb. 11). Die Saitenreiter sitzen geklemmt auf der Grundplatte und können nach einem Lösen der kleinen Klemmschraube verschoben werden. Dadurch ändert sich die Schwingungslänge der Saite und die Oktavreinheit kann eingestellt werden.

Abb. 11: Einstellen der Intonation (Bild: M. "Doc" Schneider)

Der Markt bietet zwar kleine Hilfswerkzeuge an – mit denen bin ich aber nie so richtig warm geworden. Daher läuft bei mir der Einstellvorgang „Old School“ und damit recht zeitintensiv ab. Saite stimmen, Oktavreinheit prüfen. Bei Bedarf Saite wieder herunterstimmen, Schraube lösen und dann den Reiter verschieben. Reiter klemmen. Saite stimmen – Oktavreinheit erneut prüfen. Diesen Vorgang von Saite zu Saite wiederholen, bis die Oktavreinheit stimmig ist. Das dauert erschreckend lange – wer aber bei der gleichen Saitenstärke bei gleicher Stimmung bleibt, wird feststellen, dass so ein Floyd, wenn es einmal korrekt eingestellt ist, recht lange ziemlich pflegeleicht funktioniert.

PROBESPIELEN

So langsam geht das Setup in die Zielkurve. Gestimmt und eingestellt, können schon mal testweise die Lieblingslicks gespielt werden. Ein zu starkes Ziehen der Saiten sollte zu diesem Zeitpunkt noch vermieden werden, da eventuell das Vibrato kippt und den Keil nicht mehr klemmt – die festgelegte Ruheposition wäre verloren.

Ist die Bespielbarkeit okay, können die Saiten am Sattel geklemmt werden. Obacht: Die Richtung der hohlen Unterseite beachten! (Abb. 12).

Abb. 12: Beim Klemmen beachten: Hohle Unterseite der Böckchen (Bild: M. "Doc" Schneider)

Verstimmen sich die Saiten beim Klemmen, werden sie an den Feinstimmern nachgestimmt. Auch in diesem Stadium kann ein Probespielen eventuelle Einstellungsprobleme noch aufdecken. Alles eingestellt, die Gitarre spielt, ist aber durch den geklemmten Keil noch geblockt – Ziel also noch nicht erreicht. Am eingesteckten Vibratohebel moduliere ich nun die Tonhöhe des Systems einmal scharf nach unten, wodurch sich das System neigt und der Keil nach unten herausfällt.

Lässt man den Hebel los, kommt das System wieder in Richtung Ruhelage, wird aber komplett nach oben verstimmt sein, da die überspannten Federn das System über die Ruhelage hinaus tonal nach oben ziehen.

Das erforderliche Nachstimmen erfolgt nun aber nicht an den Feinstimmern (die Mechaniken sind eh aus dem Spiel), sondern gemäß Abb. 8/oben an der Federklaue. Durch das Lösen der Schrauben verringert sich die Federspannung, das System kommt nach oben in die Ruhelage. Mit einem Auge am Stimmgerät wird die Federspannung so eingestellt, dass die vorher festgelegte Ruhelage erreicht ist und die Gitarre somit wieder in Stimmung ist.

Und dann kann es losgehen mit den Dips and Dives and Bombs – von der völligen Erschlaffung bis kurz vor den Saitenriss. Ein gut eingestelltes Double-Locking-System kann eine Menge Spaß machen. Der Trick mit dem Keil macht – so nebenbei erwähnt – auch Non-Locking freischwebende Systeme berechenbarer und leichter einstellbar.

Soweit genug vom Klemmen, Keilen und Fixieren. Jetzt erstmal Pause machen. Aufräumen, lüften, reinen Tisch schaffen, bevor es dann im nächsten Repair Talk weitergeht.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Im Test: Jackson American Series Soloist SL3 +++ Maybach Little Wing +++ Taylor 514ce V-Class +++ Sandberg California II TT BassTheWorld +++ Blackstar Amped 1 +++ British Pedal Company Dallas Rangemaster +++ Ashdown ABM 600 & 410H +++ Höfner 500/1 63 Artist +++ Source Audio Atlas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren