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Repair Talk: Custom-Projekt Traumgitarre – Teil 7

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Selbstklebende Metallfolie zur Abschirmung
Abb. 1: Selbstklebende Metallfolie zur Abschirmung (Bild: M. Doc Schneider)

Da nun die notwendigsten Montagearbeiten am Custom-Projekt durchgeführt wurden, ist der nächste naheliegende Schritt das Aufbauen der Schaltung. Hier möchte ich im Repair Talk nicht zu sehr in die Tiefe gehen, da die Schaltungsvarianten und deren Möglichkeiten zu umfangreich sind und dann auch langweilig werden können.

Da gibt es die klassische übersichtliche Vintage-Schaltung bis hin zur ausgeklügelten Multiswitching-Option, bei der alle gewünschten Spulenkombinationen angesteuert werden können. Es ist zum Aufbau der Wunschschaltung effektiver, auf Diagramme und Skizzen der Hardware-Hersteller (Pickups /Schalter) zu verweisen, als im Rahmen eines Repair Talks nur auf die Vorstellungen einiger weniger Tuner einzugehen.

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Mit Schirm oder besser ohne?

Stattdessen soll dieser Repair Talk ein strittiges Thema angehen, an dem sich die Geister scheiden: Die Abschirmung. Es geht darum, ggf. störendes Leerlaufbritzeln weitestgehend auszuschalten bzw. im erträglichen Rahmen zu halten. Es hilft, wenn man sich im Vorfeld darüber im Klaren ist, dass es (grob strukturiert) zwei Arten von Störgeräuschen gibt. Da ist zunächst das 60-Hz-Brummen. Sehr gut zu erkennen ist dies, wenn man bei geeigneten Instrumenten von Singlecoil auf Humbucker schaltet. Dieses tieffrequente, netzbedingte Störgeräusch (ausgesendet von Transformatoren etc.) lässt sich durch eine reine Abschirmung – wie sie im Anschluss behandelt wird – gar nicht oder nur unzureichend in den Griff bekommen. Da muss schwereres Gerät (meistens eine gegenphasig geschaltete Spule) zum Einsatz gebracht werden – siehe Humbucker.

Merklich reduzierbar ist jedoch das hochfrequente Britzeln, was nervig aus den Lautsprechern tönt, wenn Transformatoren, Neonröhren, oder andere E-Geräte elektrische Störsignale in den Raum strahlen. Gelingt es, diese Signale abzufangen und durch ein Ableiten an Masse mehr oder weniger unschädlich zu machen, kann das störende Britzeln aus dem Lautsprecher wohltuend reduziert werden.

Veto der Großohren

Ein an sich klarer Ansatz, der jedoch kontrovers ist. Da ist auf der einen Seite die Pure-Vintage-Fraktion, denen Britzeln egal zu sein scheint (Hauptsache alles so wie früher) und auf der anderen Seite Elektronik-Freaks, die sich auf der Suche nach Ruhe mit Material und Werkzeug komplett austoben. Da hat jede Fraktion ihren berechtigten Anspruch und häufig auch den zielführenden praktischen Ansatz. Gerade die Vintage-Fraktion ist in diesem Punkt sehr eigen. Nach dem Empfinden vieler „Großohren“ beeinflusst zu viel Abschirmung den mühselig herauspolierten Vintage-Ton negativ. Nachgesagt wird ein Verlust an Höhen und Transparenz.

Diesen Tatbestand auch wirklich zu hören, will ich niemandem absprechen, für mich ist es aber kein Grund – da für mich nicht klangentscheidend – jenseits der Vintage-Vorgaben nach möglichen Verbesserungen zu suchen. Da ich in meiner Werkstatt eher eine ausführende und nicht bekehrende Aufgabe sehe, bin ich quasi ein Fraktionsloser mit beratender Funktion – jede(r) bekommt den Schirm, der zu ihm/ihr passt.

Aus meiner Erfahrung heraus kann eine korrekte Abschirmung dienlich sein, britzelige Situationen (Gig/Proberaum etc.) zu entschärfen, was dann auch das Gitarrespielen angenehmer machen kann. Ohne andere Fraktionen auch nur im Geringsten verbessern zu wollen, beschreibt dieser Repair Talk meinen Ansatz zur Abschirmung, der – durch vernichtend geringe Reklamationsquoten – nicht allzu verkehrt zu sein scheint. Und der nachgesagte Verlust an Höhen und Transparenz konnte noch nicht allgemeingültig attestiert werden.

Eine Antenne als Schirm

Ich betrachte die Abschirmung weniger als Schirm oder Käfig, der die Gitarrenelektronik umgibt, sondern sehe die Abschirmung eher als Antenne, die ausgelegt wird, um Störsignale aufzufangen und dann an Masse abzuleiten. Folgender Versuch verdeutlich meinen Ansatz, bei dem eine Vintage T-Caster ein sehr dankbarer Proband ist. Zunächst der Aufbau: Die Gitarre liegt auf der Werkbank, ist aufgedreht an einen ebenfalls gut aufgedrehten Amp angeschlossen und britzelt so vor sich hin. Damit kein Feedback zusätzlich stört, dämpft ein aufgelegtes Tuch die Saiten ab. Angewählt ist der Stegtonabnehmer. Wenn man nun (ohne einen Massepunkt zu berühren!) die Hand langsam Richtung Stegpickup führt, wird sich das Britzeln bei sehr kurzer Distanz (Hand/Pickup) erhöhen. Bei höheren Gain-Einstellungen erhöht sich das Britzeln auch, wenn man zum Beispiel die Neckplate berührt oder den Korpus im Bereich der Ausgangsbuchse abtastet. Sobald die andere Hand einen Massepunkt berührt, nimmt das Britzeln merklich ab. In Absprache mit einigen kundigen E-Fachleuten lässt sich das Phänomen dadurch erklären, dass der Körper des Spielers wie eine große Antenne wirkt, Störgeräusche auffängt und weiterleitet. Ist eine empfangswillige Gitarrenelektronik in der Nähe, wird diese die Störsignale aufnehmen und an den Amp weiterleiten. Sobald die „Antenne“ an Masse gelegt wird, werden aufgefangene Störsignale abgeleitet und dringen nicht störend bis zum Amp durch.

Genau in dieser Funktion sehe ich auch die Metallplatte auf der Rückseite von Schlagbrettern bei Vintage-Gitarren, und die verbauten Metallteile im E-Bereich von Jaguar, Mustang und einigen Fender-Bässen. Aufbauend auf diesen Ansatz rate ich, bei nicht festgefahrenen Fraktionsmitgliedern zu einem Mix aus Lack und Folie, um effektiv „Antennen“ auszulegen.

Kreativer Antennenbau

Der Handel bietet geeignete selbstklebende Metallfolien an, mit denen gerade Flächen (zum Beispiel das Schlagbrett) gut verkleidet werden können (Abb. 1/2). Mit einem Skalpell lassen sich die Folien gut und präzise in die notwendige Form bringen (Abb. 3). Da nicht alle Kleber leitend sind, ist darauf zu achten, dass eine leitende Verbindung zwischen etwaigen Teilstücken der Folie gewährleistet ist. Dies kann eine beidseitig leitende Folie oder aber auch ein Bauteil aus Metall (etwa Schalter) sein (Abb. 4). Wichtig ist nur, dass alle gelegten Antennen auch ihren Weg zur Masseverbindung (später Poti mit Lötstelle) finden können. Eine nicht an Masse gelegte Antenne ist eher kontraproduktiv, da sie schonungslos Aufgefangenes direkt in die immer empfangsbereite Gitarrenelektronik einstreut.

Abb. 2: Komplette Schlagbrett-Innenseite mit Folie belegt
Abb. 3: Zuschnitt mit dem Skalpell
Abb. 4: Wichtig: Teilstücke müssen miteinander leitend verbunden sein

Während auf geraden Flächen die Folie eine leicht zu montierende Antennenoption sein kann, ist das Anbringen im Inneren der Gitarre recht fummelig. Besser geeignet sind dort leitende Lacke bzw. Farben. Aufgelöste Graphitpartikel (Abb. 5) hinterlassen nach dem Austrocknen einen leitenden Überzug. Zunächst sollte die E-Fräsung von Staub und zurückgebliebenen Poliermittelresten befreit (ausgesaugt) werden, da die Lacke auf ihnen keine gute Haftung finden (Abb. 6). Anschließend wird im kompletten E-Fach der Lack satt und mehrmals aufgetragen. Ich ziehe den Lack leicht über die Kanten der Fräsung, damit dort die Berührung mit dem ableitenden Schlagbrett möglich ist (Abb. 7). Zusätzlich lege ich aber auch (wie auch große Hersteller) ein Kabel zur Masseverbindung (Abb. 8). Kniffelig aber sehr wichtig ist in meinem Ansatz zur Abschirmung die Auskleidung der Bodyfräsung für die Ausgangsbuchse. Hier liegt die Ausgangsbuchse mit dem „heißen“ Gesamtsignal und ist sehr anfällig gegen Einstreuungen.

Abb. 5: Abschirmlack mit aufgelösten Graphitpartikeln
Abb. 6: Notwendige Vorarbeit: Reinigen/Aussaugen des E-Faches
Abb. 7: Fertig ausgekleidetes E-Fach
Abb. 8: Ohne Masseverbindung keine Ableitung

Der hochohmige Graphitlack ist OK aber die leitende Folie stellt in diesem Bereich die empfangsstärkere Antenne. Mit den Fingern moduliere ich die Form in die Folie (Abb. 9/10) bevor ich sie entsprechend ausschneide und auf den Grund der Fräsung klebe. Die Seiten beklebe ich mit passend zugeschnittenen geraden Streifen. Sehr wichtig ist auch in diesem Arbeitsschritt, dass alle verwendeten Teilstücke an Masse gelegt werden. Ggf. nachmessen und mit entsprechender Folie verbinden.

Abb. 9
Abb. 10: Modulieren der Klebefolie nach Body-Vorgaben

Da die gelegten Antennen aber nicht zwischen ungewolltem Störsignal und gewolltem Ausgangssignal unterscheiden, ist es ratsam – um einen Kurzschluss mit totaler Ruhe zu vermeiden – den vorderen Teil der ausgekleideten Fräsung mit Isolierband zu bekleben, damit -die Spitze des Klinkensteckers nicht die Folie berührt (Abb. 11).

Abgeschirmtes Buchsenfach
Abb. 11: Fummelig aber effektiv: Abgeschirmtes Buchsenfach (Bild: M. Doc Schneider)

Die Abb. 12 zeigt den fertig „abgeschirmten“ Projektbody. Um die Elektronik noch besser zu schützen, habe ich ebenfalls den Bereich des E-Faches mit leitender Folie ausgekleidet. Abschließend wird alles an Masse gelegt (z. B. Abb. 8) und die Antennen sind einsatzbereit.

Projekt-Body
Abb.12: Der Projekt-Body komplett „abfangbereit“ (Bild: M. Doc Schneider)

Inwieweit der einzelne Gitarrentuner den Antennenansatz verinnerlichen möchte, ist projekt- und unbestritten auch philosophieabhängig. Bei mir funktioniert der aufgezeigte Weg und ich möchte auch nicht mehr ungeschützt in den Proberaum. Weniger strittig und anschauungsabhängig geht es nach diesem Elektro-Talk im nächsten Heft weiter mit Tipps und Tricks zur Montage der restlichen Hardware, da man auch auf der Schussfahrt ins Ziel noch so einiges verreißen kann.


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2019)

Produkt: Gitarre & Bass 6/2022 Digital
Gitarre & Bass 6/2022 Digital
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