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Repair Talk: Custom-Projekt Traumgitarre – Teil 3

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Abb. 1: Sollen montiert werden – Vintageorientierte Mechaniken für das Projekt (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Nachdem im letzten Repair Talk das Vibrato montiert wurde, geht es in dieser und der nächsten Folge an das andere Ende der Saite. An der Projektgitarre werden die Mechaniken montiert.

Ähnlich wie beim Vibrato könnte man meinen, dass diese Montage ein handwerklicher Spaziergang sein wird. Könnte es auch, aber wie so oft wird daraus ein Hindernislauf, wenn versteckte Stolperfallen den schnurgeraden Durchmarsch verhindern. Damit diese nicht zum Frust oder gar Abbruch führen, werden die beiden nächsten Repair Talks die Montage der Mechaniken begleiten und parallel dazu Hintergrundinfo rund um dieses Thema liefern.

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Pressen oder schrauben?

Abb. 2: Mechanik mit Presshülse (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Beim Projekt hat sich der Kunde für Vintage-Style-Mechaniken mit Presshülsen entschieden (Abb. 1). Die Namensgebung erklärt die Abb. 2. Die eigentliche Mechanik sitzt auf der Rückseite der Kopfplatte und wird dort mit zwei Schrauben gehalten (so wie es in den Anfängen der Gitarrentechnik üblich war).

Die drehbare Achse zur Saitenbefestigung wird auf der Front der Kopfplatte durch eine geriffelte Hülse geführt, damit sie möglichst gerade läuft und sich ohne zu verkanten bewegen lässt. Die geriffelte Hülse wird in das Loch gepresst (Presshülse) und dort nur durch die Klemmwirkung (Lochdurchmesser/ Hülsenmaß) gehalten. Obwohl viele Vintage-Mechaniken auf der Rückseite mit einer Kappe verschlossen sind, würde ich sie dennoch in die Kategorie „offene Mechanik“ – also nicht gekapselt – einordnen.

Abb. 3: Offene Mechanik mit Kappe (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Die Grundlage für die Einordnung ist auf Abb. 3 zu erkennen. Die Mechanikwelle mit Schnecke liegt offen und wird nur durch 2 gebogene Metalllaschen gehalten. Diese offene Konstruktion ist leicht aber im gezeigten Beispiel auch anfällig gegen mechanische Beanspruchung (Verschleiß) und arbeitet häufig nicht besonders direkt – hat also mechanisches Spiel, was in verschiedenen Situationen (z.B. bei Vibratonutzung) zu Verstimmungsproblemen führen kann.

Abb. 4: Mechanik mit Schraubhülse (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Etwas anders gelagert ist die Situation bei Mechaniken, die mit Schraubhülsen befestigt werden (Abb. 4). Bei diesem Mechaniktyp, der häufig gekapselt ist, wird die Mechanik an der Kopfplatte festgeklemmt. Auf dem Mechanikgehäuse sitzt eine kleine Röhre mit Innengewinde. Diese nimmt die Gewindehülse auf und klemmt so beim Anziehen der Mutter die Mechanik an der Kopfplatte fest. Die zusätzliche Schraube seitlich am Gehäuse dient in erster Linie dazu, ein Verdrehen des Mechanikgehäuses unter Saitenzug zu verhindern. Die eigentliche Montagearbeit übernimmt die Schraubhülse mit ihrer Klemmwirkung.

Abb. 5: Gekapselte Mechanik, hier mal geöffnet (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Die meisten Mechaniken mit Schraubhülse sind gekapselte Mechaniken (Abb. 5), bei denen ein massives Gehäuse Achse und Schnecke lagert. Dieser Mechanik-Typ ist robuster bei weniger mechanischem Spiel aber mit höherem Gewicht. Zudem sorgt die häufig laut Herstellerangabe vorhandene „Dauerschmierung“ (also etwas Fett im Bereich Schnecke/Zahnrad) für eine möglichst leichtgängige Arbeitsweise.

Lochmass beachten

Man könnte an dieser Stelle noch unzählige Pros und Kontras für den jeweiligen Mechaniktyp anführen. Das würde aber von einer grundlegenden Problematik ablenken: Die Montagelöcher für die Mechaniken auf der Kopfplatte nehmen nicht jeden Mechaniktyp ohne Weiteres auf.

Während Schraubhülsen üblicherweise in einem durchgängigen 10 mm Loch befestigt werden, sitzt die Presshülse in einem Loch von ca. 8,8 mm Durchmesser. Das sind zwar nur ca. 1,2 mm aber diese gering wirkende Differenz verhindert ein Pressen der Hülsen und somit einen kraftschlüssigen Sitz der eventuell ausgewählten Vintage-Style-Mechaniken. Natürlich gibt es fast immer einen Ausweg (dübeln, Reduzierhülsen, etc.) aber das sind dann Nebenarbeiten, die sich auch schon mal unerwartet und frustrierend ausweiten – und unter Umständen dann noch nicht einmal so richtig gut funktionieren. Besser ist es, vorab alle relevanten Parameter zu checken und dann die passende Hardware zu bestellen und ggf. zu montieren.

Maßnehmen

Der Projekthals ist jungfräulich und schnell vermessen. Bei einem gebrauchten Hals stören aber ggf. schon verbaute Hülsen das genaue Maßnehmen. Bei Schraubhülsen ist die Demontage einfach und selbsterklärend. Die Presshülsen hingegen nehmen ihre Aufgabe oftmals zu wörtlich und lassen sich ohne beherztes Überreden und die Zuhilfenahme von Werkzeug nicht aus den Löchern bewegen.

Abb. 6: Lösen der Presshülse durch „rotierende Massage“
Abb. 7: Herausdrücken der Presshülsen

In solchen Situationen funktioniert bei mir ein handelsüblicher breiter Körner ganz gut. Den Körner setze ich von oben in die zu lösende Hülse (Abb. 6) und bewege den Körner hin und her. Alternativ rotiere ich das Werkzeug in der Hülse und löse diese somit von der Wandung der Bohrung. Das funktioniert ganz gut und die Hülse kann anschließend herausgedrückt werden (Abb. 7). Bei einigen Mechanik-Serien der Firma Gotoh liegt – alternativ zum Körner – der „Stempel“ aus Abb. 8 den Mechaniken bei.

Abb. 8: Nützlich und gut zu haben – spezieller Stempel (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Ein nützliches Werkzeug, da es die Hülse sauber packt und somit ein präzises Arbeiten ermöglicht. Tipp: Wenn möglich, in den persönlichen Werkzeugpark überführen – es ist wirklich ein nützliches kleines Hilfsmittel. Sind die Löcher von den Hülsen befreit, kann gemessen und die Situation gesichtet werden. Beim Projekthals messen die Löcher ca. 8,8 mm (Abb. 9). Die Hülsen der ausgewählten Vintage Mechaniken messen ca. 9,2 mm (Abb. 10). Das ist schonmal gut, da ein eventuell notwendiges Vergrößern der Löcher leichter machbar ist als das Verkleinern vorhandener Löcher.

Abb. 9: Nachmessen des Lochdurchmessers…
Abb. 10: …und des Außendurchmessers der Presshülse

Es stellt sich die Frage: Wie groß soll der Lochdurchmesser sein, um die Hülse festzuklemmen ohne durch einen zu engen Sitz ggf. die Kopfplatte zu beschädigen (Rissgefahr). Kein Lehrbuch gibt eine Antwort oder Formel. Hier muss der Handwerker mit Augenmaß vorgehen. Das harte Ahornholz des Projekthalses scheint nicht flexibel genug, um die ca. 0,4 mm Differenz zu tolerieren.

Das macht auch ein erster „Eindrucktest“ deutlich. Beim ersten Versuch, eine Hülse einzudrücken, tut sich nichts – man spürt: Das ist zu eng. Um mehr Platz zu schaffen und für eine entspannte Montagesituation zu sorgen, bohre ich in 0,1 mm Schritten die Löcher von 8,8 mm auf 9 mm auf (Abb. 11). Es reicht, die Mechaniklöcher nur im oberen Bereich (also auf Länge der Presshülsen) nachzuarbeiten. Ein komplettes Durchbohren ist nicht notwendig.

Abb. 11: Kann problematisch sein – Aufbohren der Mechaniklöcher (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Bohren unter Angst

Absolut notwendig hingegen ist ein Fixieren des Halses beim Bohren (Abb. 11). So banal die drei Worte „Aufbohren der Mechaniklöcher“ auch klingen, so schwierig kann die Ausführung sein. Ruckzuck greift der Spiralbohrer (Zentrierspitze nicht möglich) eine Holzfaser, verkantet und kreiert so einen ungewollten Krater. Mit etwas Handwerkerpech kann, vorwiegend beim Freihandbohren, das Ausreißen extrem sein. Um solche Szenarien zu vermeiden, ist also Vorsicht geboten.

Den Projekthals habe ich fixiert, die Löcher sehr genau anvisiert und dann in 2 Stufen um 0,2 mm erweitert. Das lief gut. Ergebnis: Saubere Mechaniklöcher ohne Holz- oder Lackausriss.

Abb. 12: Weniger Risiko, aber auch weniger Präzision – Nacharbeiten mit dem Senker (Bild: M. 'Doc' Schneider)

Alternativ und zum Beispiel bei Hälsen, die sich nicht so leicht und überzeugend fixieren lassen, kann auch ein Senker (Abb. 12) zum Einsatz kommen. Dieser schneidet das Loch größer (ein Ausriss ist sehr selten). Dieser Ansatz hat aber zwei Probleme: Zum einen verläuft der Senker in weichen Hölzern recht leicht – folgt also nicht exakt der Bohrung – und Senker gibt es nicht in unendlich vielen Größen. So muss dann ggf. doch noch mit Bohrer oder Feile nachgearbeitet werden. Durch diese Einschränkungen ist der Senker nicht die Allroundlösung mit Erfolgsgarantie aber gut als Option für die handwerkliche Trickkiste.

Beim Projekt kann die Trickkiste erst einmal geschlossen werden. Die Löcher sind sauber aufgebohrt und warten auf die Presshülsen. Diese werden dann beherzt aber mit Gefühl im nächsten Repair Talk eingetrieben.

 

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

Produkt: Fender Stratocaster
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