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Repair Talk: Custom-Projekt Traumgitarre – Teil 2

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Abb.1: Kritisches Verhältnis – der Abstand Lochreihe zu Kante

Nachdem im letzten Repair Talk Hals und Korpus miteinander verbunden wurden, soll nun die Stegeinheit montiert werden. In diesem Punkt hat sich der Kunde für ein typisches Vintage-Tremolo mit 6-Punkt-Befestigung entschieden.

Da der ausgesuchte Korpus 6 vorgebohrte Schraublöcher an passender Stelle und im korrekten Abstand aufweist, könnte man meinen, dass es ein ganz simples „drauflegen, festschrauben, fertig“ sein könnte. Möchte man das Vibrato eigentlich gar nicht benutzen, und sieht es mehr als optisches Feature, könnte das angedachte „Quickie“ sogar zum gewünschten Resultat führen. Möchte man jedoch die Hardware aktiv und präzise einsetzen, lohnt es sich, die Befestigungs- und Lagersituation der in diesem Fall beweglichen Hardware genauer unter die Lupe zu nehmen und ggf. zu optimieren.

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kippeln auf der kante

Neben den ganz offensichtlichen Parametern wie Lochabstand, Bauform, etc. sind es auch die kleinen Details, die in der Summe über die Funktion und Präzision des Systems entscheiden. Ein amerikanischer Hardware-Hersteller weist auf seiner Homepage darauf hin, dass die Bohrungen der Lochreihe (Abb.1/A) für die Vibrato-Befestigung nie über die Kippkante (Abb.1/B) hinausreichen sollten. Diesen Hinweis habe ich lange ignoriert, bis ich – auf der Suche nach Lösungen für Verstimmungsprobleme – ihn mal etwas intensiver hinterfragt habe.

Abb.2: Vintage-Vibrato in Funktion beim Kippeln

Die Abb.2 zeigt die typische Funktionsweise eines Vintage-Vibratos anhand einer aufgeschnittenen Grundplatte. Das Vibrato wird an den Schrauben gehalten und kippelt bei der Tonmodulation auf der Kante (Abb.1/B). Im Ruhezustand (Abb.3) hält der Schraubenkopf die Grundplatte in einer relativ klar definierten Nullstellung. Dadurch, dass die Grundplatte bei diesem Vorgang am Schraubenkopf „abtaucht“, behindert dieser die Kippbewegung im normalen Einsatzbereich nicht.

Abb.3: Vintage-Vibrato in der Ruheposition (hier aufliegend)

kippeln mit einschränkung

Anders stellt sich die Situation bei vielen Economy-Systemen dar. Hier wird häufig die Kippkante als Mittellinie der Schraublöcher definiert (Abb.4).

Abb.4: Die mittige Lochreihe auf der Kante kann Probleme machen.

In der Abb.5 wird die dann hergestellte Situation zur Verdeutlichung etwas übertrieben dargestellt. Wird bei einer hinter der Kante angeordneten Schraube eine Nullposition gemäß Abb.3 eingestellt, verhindert der hintere Teil des Schraubenkopfes ein Kippeln auf der Kante.

Abb.5: Problematisch – der Schraubenkopf hindert beim Kippeln.

Man bekommt solch ein System gangbar, wenn man die Schraube etwas weiter aus dem Korpus herausschraubt (Abb.6/oben). So hat man aber keine klar definierte Nullposition mehr, da die Grundplatte nun an den Schrauben rauf und runter wandern kann (Abb.6/unten). Dies kann und wird bei etwas anspruchsvollerer Arbeit am Vibrato zu Verstimmungsproblemen führen.

Abb.6: Der höher gesetzte Kopf gewährleistet keine klar definierte Ruheposition.

Nicht ganz so gravierend sind die Folgen, wenn die Schrauben zu weit vorne in Richtung der Vorderkante der Grundplatte sitzen. Dann stört zwar der Schraubenkopf nicht, jedoch gleitet die Grundplatte beim Kippeln einen verhältnismäßig langen Weg an der Schraube auf und ab, was zu einer höheren Reibung führt. Da auch dies ein Grund für Verstimmungsprobleme werden kann, sollte für ein gut funktionierendes Vibrato-System die Lochreihe gemäß Abb.1 positioniert sein.

Was sich hier knackig schreibt und recht schnell liest wird mit Sicherheit etwas Zeit zum Sackenlassen und Verstehen benötigen. Wer jedoch einen hohen Anspruch an die Funktion seines Vibrato-Systems stellt, sollte sich die Zeit nehmen, um die Infos zu verarbeiten und die ausgesuchte Hardware dahingehend zu überprüfen. Das ABM-System des Custom-Projekts ist in diesem Punkt über jeden Zweifel erhaben.

loch mit klemmgefahr

Wer nun meint, alle Hürden in Richtung gut funktionierendes Vibrato genommen zu haben, hat die Reise ohne eine genauere Inspektion der Befestigungsschrauben angetreten. Wer einmal eine Schraube gemäß Abb.7 in das System einsetzt, wird feststellen, dass diese nur wenige Zehntel Millimeter Luft im Loch hat. In einer idealen Welt sind die Löcher exakt positioniert und die Schraube läuft im rechten Winkel zum Korpus durch die jeweilige Bohrung. Leider bietet die Realität nicht immer solche optimalen Vorgaben.

Abb.7: Wenig Spiel bei einer Lagerschraube in der Grundplatte

Die Abb.8/unten zeigt, wie schief auch bei in Serie produzierten Bodies die Schrauben aus dem Korpus laufen können. Das beobachte ich recht häufig. Bis dato fast immer quer zur Holzfaser.

Abb.8: Der Verlauf der Vibrato-Schrauben ist nicht immer gerade

In Richtung der Holzfaser finde ich selten Probleme (Abb.9). Ich vermute, dass beim Vorbohren die Bohrer „verlaufen“ und der Holzstruktur folgen. Gerade harte Esche-Bodies haben häufig das Problem der verlaufenden Schrauben. Diese werden deshalb zum Manko, weil sich durch die geringe Toleranz Schraube/Loch häufig eine Situation ergibt, bei der die Schrauben die Grundplatte einklemmen und so beim Kippeln wie eine Bremse wirken. Dann läuft das Vibrato im Gebrauch recht schwergängig und findet auch nur gelegentlich verstimmungsfrei die Nullposition.

Abb.9: Ein Schraubenverlauf in Richtung Holzfaser macht selten Probleme

Die Bohrungen des Projektbodys machen aber einen sehr brauchbaren Eindruck (Abb.8/9) und so geht es nun an die Montage des Systems.

schlockern soll es

Zunächst fixiere ich das System mit den zwei äußeren Schrauben. Diese drehe ich soweit in den Korpus, bis sie das Vibrato gemäß Abb.10/oben fixieren. Wenn die Schrauben beim Eindrehen anfangen, die Grundplatte anzuheben, etwas zurückdrehen bis die Grundplatte wieder plan auf dem Korpus aufliegt. Danach führe ich einen Kipptest gemäß Abb.10/unten durch. Das System muss leichtgängig kippeln und ohne „Bremse“ in die Nullposition (hier aufliegend) zurückfallen. Ist dies nicht der Fall, berührt ggf. der VibratoBlock das Holz oder eine Lacknase in der Federkammer. In dieser Phase nützt es nichts, Probleme zu ignorieren und auf Selbstheilung zu hoffen.

Abb.10: Beim Montieren und Überprüfen sollte es locker gehen

Das System muss bremsfrei kippeln und auch etwas Spiel an beiden Schrauben haben (Abb.11). Es muss leichtgängig und dreidimensional „schlockern“. Sollte es beim Test-Schlockern noch etwas hakeln, ist es sehr zu empfehlen, vor weiteren Montageschritten die Ursache der Bremse zu lokalisieren und entsprechend zu entschärfen.

Abb.11: Etwas Spiel sollte sein – es darf „schlockern“

Auch eine wie im Vorfeld beschriebene schiefe Schraube kann die Ursache für ein gebremstes System sein. Selbst wenn sich unter Saitenzug und durch die Nutzung des Systems noch so einiges einspielen kann, würde ich bei einer zu großen Beeinträchtigung der Leichtgängigkeit das Schraubenloch verdübeln und mit der nötigen Ruhe an einer stabilen Standbohrmaschine nacharbeiten. Vom Freihand-Arbeiten mit Akkubohrer etc. würde ich eher abraten – dann lieber Kollegen mit dem nötigen Werkzeug mit ins Boot holen, denn hier geht es um wirklich präzise Bohrungen.

Geben die beiden äußeren Schrauben dem System die gewünschte Lagerung, setze ich die übrigen Schrauben. Unter Umständen wird beim Eindrehen der restlichen Schrauben etwas Gängigkeit ausgebremst. Das ist nicht optimal, kann aber in einem gewissen Rahmen akzeptiert werden. Sollte das Ausbremsen zu ausgeprägt sein, würde ich dann das entsprechende Loch ebenfalls verdübeln und dann neu bohren.

Ich habe festgestellt, dass die Schrauben zur Vibrato-Montage oftmals alles andere als gerade sind und durch ihren krummen Verlauf aus der Flucht laufen. Wenn ein Vibrato also mal klemmt, könnte – mit etwas Glück – eine Vierteldrehung an der Schraube die störende Bremse etwas lösen. Bei den vier mittleren Schrauben lasse ich die Schraubenköpfe etwas über der Grundplatte stehen, da sie nicht wie die beiden äußeren Schrauben das System exakt positionieren müssen (Abb.12).

Abb.12: Fertig montiertes Vintage-Vibrato

Somit ist die Vibrato-Montage abgeschlossen. Ich montiere noch die Federklaue mit Massekabel und fixiere das System mit einer Feder (Abb.13). Hält man die Federspannung niedrig (Klaue möglichst weit in Richtung Tremolo-Block) kann auch schon mal etwas „trockenmoduliert“ werden, indem mit eingedrehtem Hebel das System bewegt und weiter getestet wird, um auch noch die ggf. vorhandene letzte versteckte Bremse zu erkennen und außer Kraft zu setzen.

Abb.13: Die montierte Federklaue mit Feder hält das System in Position.

Bei dem Custom-Projekt macht alles einen brauchbaren Eindruck, sodass es dann im nächsten Repair Talk mit der Montage der Mechaniken weitergehen kann. n Bis dann, der Doc.

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