Die neuen Jensen-Silverbird-Modelle (Bild: Udo Pipper)
Es gibt so ein paar Erlebnisse, die jedem Gitarristen früher oder später begegnen, und die man einfach nicht aus dem Kopf bekommt. Damit sind Sounds gemeint, die sich irgendwie einzubrennen scheinen und nach denen man dann ein Leben lang sucht. Mir geht das so bei den ‚Abbey Road‘- und ‚Let It Be‘-Aufnahmen der Beatles. Da sind ein paar klare bis crunchige Gitarren-Sounds zu hören, die für mich Meilensteine geworden sind.
Doch bin ich diesen Klängen niemals mit irgendeiner Gitarre oder einem Amp begegenet bis ich Ende der Neunziger in einem Vintage-Shop stand und einen 66er Fender Blackface Vibrolux hörte, der genau diesen knochentrockenen und warm-punchigen Sound lieferte. Leider war der schon an einen Kunden verkauft und wartete nur noch auf den Versand. Der Amp klang im wahrsten Sinne magisch. UPS machte jedoch keinen guten Job und schaffte es irgendwie, den Amp während des Transports zu schreddern.
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Wochen später hörte ich den Amp dann im gleichen Laden komplett repariert, aber der Zauber war absolut dahin. Woran konnte das liegen? Die Antwort war einfach. Beim ersten Besuch hatte der Amp noch die originalen Jensen-C10N-Speaker mit goldbraunem Aufkleber verbaut. Die gingen aber beim Transport kaputt. Und nun waren neue C10N „Made in Italy“ drin, die zwar immer noch gut klangen, aber mit aufdringlicheren Höhen, dünneren Mitten und einem leicht aufgeblähten Bass.
Moderner Jensen C12N (Bild: Udo Pipper)
Gut, nach langer Einspielzeit kann man auch mit diesen Speakern sehr gut leben. Die modernen C12N und C10N sind in zahlreichen Fender Reissues verbaut. Aber sie erreichen nicht ganz die Wärme und den buchstäblich hölzernen Charakter der alten Vorbilder aus den Sechzigern. Daher suche ich solche Speaker seither mit Eifer auf allen möglichen Verkaufsportalen. Doch man scheint fast nie einen zu finden. Einmal gelang es mir doch. Ich hatte Glück, denn als ich das gelieferte Paket öffnete, strahlte mir ein beinahe neuwertiger C12N entgegen. Nie reconed oder repariert. Ich trug ihn (zu) hastig in meine Werkstatt. Unterwegs fiel er mir aus der Hand und knallte auf den Steinboden. Der Aufprall war so heftig, dass die Spule verbeulte, die Membran abriss und sich sogar der Korb verbog. Der Speaker war nur noch Schrott.
Das Vorbild aus den 60s: Jensen C12 N (Bild: Udo Pipper)
Einen zweiten C12N vermachte ich an Jörg Sander − Gitarrist bei Udo Lindenberg − weil er in seinem Tweed Deluxe so unvergleichlich schön klang. Ich dachte, ich könnte mir einen neuen besorgen, aber das habe ich bis heute nicht geschafft. Larry Gragg, Tontechniker von Neil Young, nannte mir den Grund dafür schon vor Jahren in einer Email. Sein „Chef“ hat ihm den Auftrag gegeben, alle verfügbaren, gebrauchten C12N-Modelle weltweit sofort aufzukaufen, weil Young diesen Speaker so liebt und buchstäblich hunderte von Tweed Deluxes damit ausstatten möchte.
Einmal noch habe ich die Speaker wieder gehört. Das war in einem Brownface Super Amp. Aber der war hier nur ein paar Tage zur Reparatur.
Seither empfehle ich meinen Kunden Celestions (Creamback oder G12-65) für ihre Reissues. Den meisten gefällt das dann auch recht gut. Aber mit diesen Speakern bekommt man immer diese Brit-Rock-Färbung in die Amps, was jedoch den weltberühmten Fender-Chime nicht so gut durchlässt.
Ein guter Ersatz waren bisher die Eminence GA-12 64 „Alessandro“-Speaker, deren Sound schon recht nah am alten Original ist. Aber manchen Kunden ist dieser Speaker schon ein wenig zu warm und zu „honky“ in den Mitten. Dann brachte Jensen vor ein paar Jahren den Jensen Blackbird 40 heraus. Einen Alnico Speaker mit 40 Watt, der vor allem im Tweed Deluxe eine echte Punktlandung ist. Seitdem wollte kaum noch ein Kunde einen Celestion Blue in seinem Tweed, weil ich immer beide Speaker zur Wahl stelle. Ich dachte schon damals: „Warum um alles in der Welt gibt es keine Keramik-Version davon?“
SILBER IST DAS NEUE GOLD
Aber nun scheint mein Flehen erhört, denn vor ein paar Wochen lieferte der Tube Amp Doctor in Worms zwei neue Silverbirds (10 und 12 Zoll) zum Test. Ich testete voller Neugier beide Speaker sofort − den 12er in einem Blackface Deluxe Reverb und den 10er in einem 1965er Princeton Amp.
Jensen Silverbird 12 (Bild: Udo Pipper)
Beide Lautsprecher gefielen mir im Test auf Anhieb außerordentlich gut, denn sie lieferten die gewünschten milderen Höhen, prägnante Mitten, die fast ein bisschen an einen Electro-Voice-Speaker erinnern, und sehr, sehr klare Bässe. Letzteres ist für die „scooped“ Abstimmung der meisten Fender-Amps ein riesiger Vorteil. Vor Jahren habe ich bei Meetings mit Philip Sayce oder JD Simo gesehen, dass sie den Bass-Regler bei ihren Super Reverbs auf Nullstellung hatten. Also kein Bass! Dennoch war ihr Ton fett und mächtig. Mit dem Silverbird konnte ich die Fender-Amps locker mit halb aufgedrehtem Bass-Regler spielen. Bei höheren Lautstärken – weil die Bässe so zunehmen – dann vielleicht auf Stellung „4“ oder „3“. Die Bässe tönen dann ein bisschen Piano-like wie bei den Beatles, obwohl die in ihren Alu-Frame Twin Reverbs sicher andere Speaker verwendeten. Es ist aber auch so, dass man diese warme und hölzerne Abstimmung auch als „american sound“ bezeichnet und wir alle ein bisschen davon geprägt sind. SRV- oder John-Mayer-Licks gelingen so wesentlich besser als über einen Celestion Greenback. Laut Hersteller war tatsächlich der Blackbird Alnico 40 auch Vorbild für die Abstimmung. Man wollte aber mit insgesamt 70 Watt Leistung den Lautsprecher auch für härtere Gangarten, sprich High-Gain ausstatten. Und das ist meiner Meinung nach perfekt gelungen. Man kann damit auch richtig Gas geben, ohne das die Höhen zu kalt oder harsch werden, während die Bässe knackig bleiben. Hier macht der Speaker dem dafür beliebten Vintage 30 von Celestion Konkurrenz.
Natürlich hatte ich wie so oft nicht genug Zeit, die Lautsprecher über einen längeren Zeitraum einzuspielen. Mich hätte brennend interessiert, wie sie nach ein paar Monaten klingen. Aber auch „out of the box“ haben mich die Lautsprecher schon restlos überzeugt. Im Vergleich zu den Emience-GA-64-Modellen klingen sie sogar ein klein wenig offener und transparenter, was die Wahl für einen Kunden in Zukunft umso schwieriger machen wird. Besonders überzeugt hat mich das beim 10-Zoll-Modell, weil die Auswahl hier, etwa für einen Fender Princeton, schon ziemlich begrenzt scheint. Die meisten Gitarristen setzen heute auf kleinere Amps, erwarten aber von einem 10er die gleiche Klangfülle wie vom großen Bruder. Und das schafft der neue Jensen mit Bravour. Dank der höheren Leistung bleiben diese Speaker auch schön stabil und klar. Von der Abstimmung kleinerer Amps weiß ich, dass dieser Headroom gerade für leistungsschwächere Combos oft ein Vorteil ist.
Wer die Sounds von Gregor Hilden in seinen zahlreichen Videos liebt, wer John Mayer oder SRV mag, mit einer Les Paul so trocken und clean Blues spielen möchte wie Peter Green oder Mick Taylor bei den Stones, dem fetten Blues-Ton von B.B. King nacheifert oder mit der Stratocaster „gilmourish“ schöne Melodien abliefern möchte, sollte diese Speaker unbedingt probieren. Mein Eindruck ist auf jeden Fall, dass da ein großer Wurf gelungen ist und es der C12N aus gleichem Hause in Zukunft recht schwer haben wird. Mit 99,- Euro für den 10er und 119,- Euro für das 12er-Modell ist der Preis auch deutlich geringer als bei manchem Mitbewerber. Insgesamt ein richtig guter Allrounder, mit dem in der Tat auch nach Herzenslust gerockt werden darf!
Bis zum nächsten Mal! ●