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Parts Lounge: Blackface überall …

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Blackface-Combos und Stand Alone Reverb aus den Baujahren 1965/66 (Bild: Udo Pipper)

Ich weiß gar nicht, ob es an den unsäglichen Corona-Jahren liegt oder aus einem natürlichen Prozess herrührt. Es vergeht jedenfalls kaum ein Tag, an dem hier nicht jemand anruft und nach einem möglichst kleinen Fender-Combo fragt. Logisch wär’s schon, denn die Pandemie hat uns gezwungen, fast ausschließlich zuhause zu spielen. Und zuhause darf es eben nicht zu laut werden.

Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass die Gebrauchtpreise vor allem für die Amps aus der sogenannten Blackface-Ära buchstäblich durch die Decke gehen. Der letzte Deluxe Reverb, den ich überarbeiten durfte, kostete den Besitzer – in wahrlich perfektem Zustand – satte 7000 Euro, die er offenbar bereitwillig hinblätterte, denn er erzählte mir, dass er so einen Amp seit Jahren vergeblich gesucht hatte. Wo mag das alles also noch enden? Denn schon sind auch die Sammler auf dem Plan, die scheinbar ein gut trainiertes Näschen für solche Schätze haben und daher eine satte Dividende in ein paar Jahren wittern.

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Kurzum: Solche Amps werden leider kaum noch gespielt, sondern in erster Linie gesammelt. Das spüre ich beim Restaurieren. Während die Kunden vor ein paar Jahren noch besten Sound und perfekte Funktion forderten, geht es heute vor allem um Originalität. Die Exemplare mit den üppigsten Preisschildern müssen das komplette Paket liefern: Originaler Speaker, am besten alte RCA Röhren und natürlich die braunen Astron- oder Mullard-Elkos sowie die „Blue Molded“ Ajax-Koppelkondensatoren. Jeder neue Sprague-Orange-Drop-Kondensator im Signalweg wäre da schon ein Frevel.


FENDER HISTORIE

Die Begehrlichkeiten für alte Fender-Verstärker beginnen bei Liebhabern so um 1950, als die Verstärkerteile noch schön simpel in kleinen Tweed-Gehäusen untergebracht waren. Die einst als „Hasenkisten“ verschmähten Amps feierten erstmals ein echtes Rivival, als irgendwer mal entdeckt hatte, dass der Marshall JTM45 einfach eine Kopie des damals noch weniger beliebten Fender-Bassman-Combos war. Dieser Combo war mit 45 Watt und vier ziemlich schwachen Jensen-Alnico-Lautsprechern unter Bassisten gar nicht so verbreitet. Es waren vor allem Gitarristen, die diesen Amp aufgrund seiner Klarheit und Power schätzten. Neil Young und Larry Carlton verhalfen dem kleineren Tweed Deluxe zu großer Berühmtheit, denn der 14-Watt-Combo bot einen satten Overdrive mit reichlich Mitten. Das Flaggschiff war der Tweed Twin mit etwa 80 Watt und 2×12-Bestückung. Ein wahres Ton-Monster, wie wir nicht erst seit Joe Bonamassa wissen. Ähnlich wie bei den Les Pauls war das „magische“ Baujahr für alle Tweed Amps 1959. Denn schon ab 1960 folgte ein komplett anderes Design. Die „Brownface“- Ära wurde geboren, benannt nach der Farbe des jetzt nach vorn zeigenden Frontpanels.

Die größeren Modelle hatten allesamt nach dem Bassman-Vorbild den so genannten Kuhschwanz- oder long-tailed-Phasendreher mit Gegenkopplung. Der Fender-Sound sollte vor allem klarer und sauberer werden. Nur die kleineren Combos wie etwa Princeton oder Deluxe mussten mit nur einem Ton-Regler pro Kanal auskommen, während die größeren Combos nun eine Klangregelung sowie oft auch einen Präsenz-Regler zur Verfügung stellten. Diese Amps waren die Geburtsstunde der Fender-typischen Vorstufenschaltung, die in der Folge millionenfach kopiert werden sollte. Sogar Alexander Dumble griff für seine Konstrukte darauf zurück.

Während der Tweed Bassman noch einen Kathodenfolger mit Extra-Röhre hatte, setzte man bei den Brownface-Amps den Volume-Regler hinter die Klangregelung, weshalb aus diesen Amps auch kaum noch etwas herauskommt, wenn man die Klangregler komplett zudreht. Die Brownface-Ära währte allerdings nur kurz. Die Amps waren zwar schon irgendwie gut, aber für die meisten Musiker immer noch zu dunkel und zu mittig. Zwar schätzte der geniale Brian Setzer seit jeher die Bassman-Piggybag-Version mit braunem Panel für seine Gretsch, ansonsten gab und gibt es jedoch nicht so viele Fans dieser Ära. Ausgenommen sind da der Princeton und der Deluxe, die zahlreiche Musiker vor allem fürs Studio entdeckten.

Darunter etwa härtere Bluesrocker wie ZZ-Top-Gitarrist Billy Gibbons. Schon im Frühjahr 1963, also kaum drei Jahre nach der Einführung der Brownface-Amps stellte Fender einen neuen Katalog vor, in dem – glaube ich – zunächst ein Blackface Deluxe Reverb und ein Vibroverb vorgestellt wurden. Die Amps waren jetzt „modern“ schwarz mit silberner Frontbespannung und den berühmten Tophat-Knobs mit Skala von 1 bis 10. Die Beat-Ära war in vollem Gange, und die Musiker forderten offenbar noch mehr Headroom, Klarheit und feinere Höhen. Die Gegenkopplung wurde bei diesen nochmals drastisch erweitert, wobei der Gegenkopplungswiderstand von 27k oder 56k auf 820 Ohm verkleinert wurde. Außerdem wurde die Treiberstufe mit einer 12AT7 merklich gezähmt.

Im Ergebnis waren diese Amps klarer, etwas leiser und offener als ihre Vorgänger. Immerhin wurden diese Amps nun bis etwa 1968 unverändert so gebaut. Danach wurde zunächst nur das Frontpanel „versilbert“ und ab circa 1970 auch die Schaltung angepasst. Letzteres betraf jedoch nur die größeren Combo-Modelle und Topteile wie Vibrolux, Pro, Bandmaster, Super- und Twin-Reverb. Beim Champ, Princeton und Deluxe blieb die Schaltung auch lange bis in die Silverface-Ära hinein unverändert.


GOLDENE „SCHWARZE“ ZEITEN

Natürlich verdanken wir die Berühmtheit der Blackface-Ära vor allem den Protagonisten, die diese Amps spielten. Mitte der Sechzigerjahre sah man sie auf beinahe allen amerikanischen Bühnen. Sie dienten quasi als Standard-Setup für die Saitenkünstler dieser Zeit. Carlos Santana spielte mehrere Twins, Duane Allman, Dickey Betts, Grateful Dead, B.B.King, Chuck Berry, Freddie King, Bob Dylan, die Beatles, Jimi Hendrix und Eric Clapton verwendeten die neuen Fender Amps, zumindest im Studio. Hohe Zölle und ein träger Vertrieb hinderten zunächst Jim Marshall daran, auch den amerikanischen Markt im Sturm zu erobern. Das sollte noch ein paar Jahre dauern (Marshalls kamen in die USA vor allem durch Cream, Jimi Hendrix und Jeff Beck).


ES WIRD IMMER KLEINER …

Zugegeben, es gab vor nicht allzu langer Zeit noch Heerscharen von Gitarristen, die allein aus der Verehrung für den Gitarrenhelden Stevie Ray Vaughan unbedingt einen Blackface Super Reverb oder Vibroverb haben mussten. Das war nicht nur ein Zeichen für extrem guten Geschmack, sondern auch ein Garant für Klänge wie sie einer der größten Bluesmusiker aller Zeiten etabliert hatte. Eine Stratocaster, ein Tubescreamer und ein Super Reverb wurden weltweit praktisch zur Pflicht-Ausrüstung für Heavy-Blues. Und das ist teils bis heute so geblieben. Derek Trucks, Marcus King, JD Simo und Philip Sayce sind nur einige Beispiele dafür.

Fender Deluxe Reverb (Bild: Udo Pipper)

In unseren Breiten sorgten jedoch immer kleinere Venues und immer größere PA-Systeme dafür, dass vor allem die kleinen Fender-Combos immer gefragter wurden. Versuchen wir zum Beispiel mal heute einen Twin Reverb mit zwei JBL-Lautsprechern zu kaufen … Das ist beinahe unmöglich. Er verlor über die Jahre eindeutig den Wettstreit mit dem kleinen Deluxe Reverb, der leiser, leichter und dank 6V6-Bestückung mit charmanterem Overdrive daherkommt. Für viele Fender-Fans ist der Deluxe Reverb der König aller Amps.

Fender Princeton Amp (Bild: Udo Pipper)

Dicht gefolgt übrigens von dem beinahe baugleichen Princeton Reverb, der statt dem long tailed Phasendreher immer noch den Splitload-Treiber aus der Tweed-Ära eingebaut hat und daher einen ganz eigenen Sound liefert. Jeff Beck hat etwa einen großen Teil des ‚Wired‘-Albums von 1976 über einen Princeton Amp (ja, die Ausführung ohne Reverb) eingespielt. Santana hat sich bekanntlich Anfang der Siebziger bei Randall Smith in einen Princeton verliebt, und Steve Lukather hat mir berichtet, dass er in den Achtzigern einen Großteil seiner berühmten Gastsoli über einen Princeton, den er stets im Kofferraum seines Autos mitführte, eingespielt hat. Der Amp für alle Gelegenheiten quasi.

Fender Champ (Bild: Udo Pipper)

Und seit ein paar Jahren suchen vor allem Sammler nach dem winzigen Champ, der mit 5 Watt und einem 8-Zöller für zuhause immer noch genug Lärm macht und vor allem mit jedem Fußtreter dieser Welt spielend klarkommt. Soll heißen, diese Amps werden nicht nur zum Sammeln gesucht, sondern auch zum Spielen, und wenn auch nur im wohlgeordneten Nichtraucherhaushalt.

Die vier Blackface-Exemplare, die ich für diese Kolumne zusammengetragen habe, sprechen für sich. Man kann tagelang darüber spielen und sich am Ende einfach nicht entscheiden, welcher dieser wunderbaren Combos den Lieblingssound liefert. Für meinen Geschmack lag der Deluxe Amp ohne Reverb (sehr seltenes Modell) einen Hauch vorne, denn dieser klang noch ein wenig rauer und wärmer als das Reverb-Modell. Hier kann es jedoch auch daran liegen, dass dieser Amp einen sagenhaft klingenden Oxford-Speaker an Board hatte.

Fender Deluxe Amp mit Stand Alone Reverb (Bild: Udo Pipper)

Amps dieser Zeit kommen scheinbar willkürlich entweder mit Jensen, Oxford oder Utah-Bestückung. Ich werde zwar immer wieder gefragt, welches Fabrikat ich bevorzuge, habe aber festgestellt, dass es von allen Herstellern außerordentlich gute Speaker gab. Für Sammler ist der heilige Gral ein alter Jensen, und das sicher auch oft zu recht. Im abgebildeten Deluxe tönte jedoch der Oxford einfach magisch. Die Utahs sind tendenziell etwas stabiler und lauter, bieten jedoch etwas weniger Charakter. Schlecht klingt allerdings keiner dieser Lautsprecher. Da entscheiden jeweils die persönlichen Vorlieben.

Wer also noch auf der Suche nach solchen Legenden sein sollte, muss sich beeilen. Der Markt scheint dafür immer kleiner zu werden. Und die Preise steigen rasant. Wo das endet? Da wage auch ich keine Prognose. Ich lag mit solchen Einschätzungen schon allzu oft daneben.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

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