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Hot Rod Mod: Hughes & Kettner Warp Factor

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Mit Hughes & Kettner verbindet mich bereits eine langjährige Beziehung. Immerhin kommen die Produkte aus meiner saarländischen Heimat, keine 30 km von mir entfernt. Schon seit Mitte der 80er-Jahre verfolge ich begeistert die Entwicklung der Firma Stamer zu einem Global Player im Amp- und PA-Bereich und über die Jahre haben sich auch schon viele Produkte aus St. Wendel in meinem Keller wiedergefunden.

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Ob Transistorklassiker der ATS-Serie, Röhrenboliden wie der Triamp oder digitale Modelling-Verstärker wie der Zentera – viele Innovationen, die Hughes & Kettner uns immer wieder beschert hat, haben mich zumindest auf einem Teil meines Musikerweges begleitet. Die Freundlichkeit und der Service, den ich schon mehrmals erleben durfte, hat mich dabei genauso überzeugt, wie viele der innovativen und qualitativen hochwertigen Produkte selbst.

Ich erinnere mich noch, wie ich vor Jahren einfach mal beim Service angerufen habe und nach einem Hughes-&-Kettner-Schriftzug für meine heißgeliebten und stark benutzten GL112-Boxen gefragt habe. Als Antwort bekam ich die Einladung, doch einfach mal vorbeizukommen. Nach einem netten Gespräch verließ ich das Fabrikgelände mit zwei weißen Plastikschriftzügen, ohne dass man dafür etwas haben wollte. Ein anderes Mal endete mein Betreuungslehrer-Besuch eines Schülers, der bei Hughes & Kettner ein Schülerpraktikum machte, mit einer gut zweistündigen spontanen Werksführung, die mich unter anderem staunend vor dem Bestückungsautomaten und den Röhrentestautomaten stehen ließ.

SCHWARZER UNDERDOG

Nur schade, dass Hughes & Kettner bislang mit der Entwicklung von Effektgeräten eher zurückhaltend war. Bekannt sind neben der Red-Box-Lausprechersimulation wohl noch die Tube Tools: Tubeman, Tube-Factor, Rotosphere und Replex. Aber darüber hinaus hat man meines Wissens in St. Wendel lediglich einmal versucht, auf dem Pedalmarkt Fuß zu fassen. Das war Anfang der 2000er mit dem Warp Factor.

Der tiefschwarze Distortion im Design einer Tellermine begleitete eine kleine Verstärkerserie, die dem damals angesagten Nu-Metal-Sound die passenden Werkzeuge liefern sollte. Allerdings war der Erfolg eher begrenzt. Bereits nach kurzer Zeit gab es den Warp Factor zum Ausverkaufspreis bei den einschlägigen Händlern und bis heute bekommt man ihn für zum Teil lächerliche Schnäppchenpreise auf dem Gebrauchtmarkt.

Die geballte Missachtung der Gitarristengemeinde hat er aber wahrlich nicht verdient. Das mattschwarze Pedal ist zwar technisch und optisch etwas eigenwillig, aber durchaus interessant. Das Eigene beginnt schon bei der Belegung der Buchsen. Anders als üblich ist bei Hughes & Kettner die linke Buchse der Effekteingang und die rechte Buchse der Effektausgang. Wegen der kompletten Schwarzfärbung, die auch die Beschriftung gut tarnt, ist das erst mal gar nicht so leicht zu erkennen und es dürfte sich schon der ein oder andere gewundert haben, warum bei der „normalen“ Buchsenbelegung kein Sound zu hören ist.

Bei Hughes & Kettner ist die Belegung der Buchsen etwas eigenwillig. Links ist der Eingang, rechts der Ausgang.

Also, bevor man einen Defekt des Pedals unterstellt, erst mal prüfen, ob der Warp Factor korrekt angeschlossen ist. Defekte dürften eh nicht sehr wahrscheinlich sein, denn die Bauteilequalität und Verarbeitung sind über jeden Zweifel erhaben. Das mattschwarze runde Metallgehäuse würde von einer anglophonen Firma sicher mit dem Slogan „built like a tank“ beworben werden. Genauso solide wie die Verarbeitung ist dann auch der Sound: Alles „Heavy Metal“.

Die Umwandlung der Wechselspannung in Gleichspannung wird im Gerät vorgenommen. Darum auch die vielen dicken Elkos auf der großen Platine.

Klanglich liefert das Pedal ein heftiges Brett, Verzerrung und vor allem Bassfundament sind im Überfluss vorhanden. Das wissen Bassisten übrigens besser zu schätzen als die konservative Gitarristenschar. Bei den Kollegen der tiefen Fraktion ist der Warp Factor schon längst kein Geheimtip mehr und wird gerne mal als potenter Bassverzerrer genutzt. Der „Warp“-Schalter bringt das Pedal nämlich mit einem gewaltigen Boost in den Frequenzkeller und der Headroom des Pedals ist dank der für Pedale ungewöhnlich hohen Betriebsspannung sehr ansehnlich.

Dafür will der Metal-Verzerrer aber auch mindestens mit einem 12-Volt-AC-Netzteil gefüttert werden. Das mitgelieferte Originalnetzteil, schafft sogar 15 Volt, die über eine interne Gleichrichtung und Spannungsteilung für 15 Volt plus und 15 Volt minus sorgt. Wer sich nach einem Warp Factor umschaut, sollte also sicherstellen, dass das originale Wechselstrom-Netzteil dabei ist. Mit den für Effektpedale üblichen 9 Volt Gleichstrom kommt man beim Warp Factor nicht weiter.

Das Netzteil ist wichtig: Mindestens 12 Volt Wechselspannung möchte der Warp Factor haben. Ersatz gibt es aber noch im Einzelhandel

MEHR MITTEN!

Aber auch Gitarristen ohne Sieben-, Acht- oder Nochmehrsaiter können mit dem Warp Factor deutlich mehr Spaß haben, wenn man ihn etwas zurückhaltender einstellt. Das Pedal ist durchaus für Rocksounds gut, wenn der Warp-Schalter deaktiviert bleibt und man die Distortion im ersten Drittel des Potiweges belässt. Dann klingt das schwarze Monster schon deutlich zahmer und nähert sich einer klassischen Marshall-Zerre an. Wegen der unterbelichteten Mitten kommt der Sound zwar etwas zu glatt daher, aber die Grundsubstanz stimmt. Für Bedroom-Sounds passt das schon mal.

Will man den Distortion im Bandgefüge nutzen, sollte man allerdings Hand anlegen. Sonst besteht die Gefahr, dass man im Keyboard-Meer ertrinkt oder von der zweiten Gitarre gegen die Wand gedrückt wird. Um den Warp Factor auch für jene Personen nutzbar zu machen, die sich in bunten Klamotten auf die Bühne trauen, genügen drei kleine Eingriffe in die durchaus komplexe Schaltung.

Erster Ansatzpunkt ist der Widerstand R19. Je geringer man den Wert wählt, desto mehr Mitten bekommt der Warp Factor. Hier geht von Drahtbrücke bis zu einem 1-k-Widerstand einiges, was den Klang verbessert. Wer das Optimum ausloten will, sollte einen Poti statt des Originalwiderstandes einlöten. Der Empfehlung aus dem Netz folgend, habe ich hier 330 Ohm verbaut und finde das auch richtig gut so. Die Suche nach einem Platz für einen Mittenpoti spare ich mir daher, um die Originaloptik zu bewahren.

Der Austausch der Widerstände R18 und R19 bringt dem Warp Factor die verlorenen Mitten zurück.

Ein zweiter Ansatzpunkt ist der kleine Kondensator C41 direkt neben dem rauscharmen NE5532-IC links oben. Mit ihm werden in der Originalschaltung die Höhen reduziert. Der originale 220 nF darf gerne ersatzlos gestrichen werden, denn dadurch kann man den Gesamt-Sound transparenter und ausgewogener machen. Einfach auslöten und fertig!

Der Kondensator C41 kann ersatzlos entfernt werden, um den Sound zu verbessern.

Wer jetzt noch R18 durch 22 k ersetzt, bekommt kräftige Distortion mit ausdrucksstarken und breiten Mitten, der bei Bedarf mit dem Warp-Schalter auch noch genügend Wumms verpasst werden kann, um den Bassisten in der Band zu ärgern.

Drei kleine Bauteile, die den Unterschied machen

GEHT SONST NOCH WAS?

Nee, mehr würde ich nicht machen. Meine Versuche mit den Clipping-Dioden, die im Warp Factor in Form von Zener-Dioden daherkommen, sind nicht empfehlenswert. Bilder im Netz zeigen einen Warp Factor, bei dem D1 und D2 durch eine LED und eine Powerdiode ersetzt wurden. Die Änderung an den Dioden klang für mich nicht wirklich überzeugend. Änderungen an den ICs dürften wenig Sinn machen – zumal der originale NE5532 gegenüber möglichen Tauschpartnern (z. B. TL072 oder JRC4558) mit deutlich besseren Audioeigenschaften auftrumpft. Diskutiert wird im Netz noch, ob sich Änderungen an R24 lohnen. Meines Erachtens kann man sich diese Versuche schenken, denn der originale Wert passt schon ganz gut und manchmal ist weniger einfach mehr.

Die oben beschriebenen drei kleinen Änderungen in der Schaltung genügen nämlich meiner Meinung nach vollauf, damit sich der Warp Factor aus dem Hause Hughes & Kettner von einem kaum beachteten Nischenprodukt zu einem absolut empfehlenswerten, flexiblen und gut klingenden Distortion-Pedal mit vielerlei Einsatzmöglichkeiten entwickeln kann.

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hello,
    Mein Deutsch ist nicht gut.
    Kan jemand mir sagen was
    C19 ist? Ich sehe keine zahl c19 auf den foto.

    Vielen dank!
    Bjorn

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. hey bjorn,
      ich hoffe, die antwort ist noch hilfreich.
      es ist nicht c19, sondern r19. r=resistor
      dazu kann man c41 entfernen. c=capacitor

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