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Hot Rod Mod: Deluxe Reverb Bright-Schalter

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Der 65er-Deluxe-Reverb-Reissue auf dem Arbeitstisch meines Amp-Technikers (Bild: Richter)

Heute unternehmen wir mal einen kleinen Abstecher in ein anderes Revier und beschäftigen uns nicht direkt mit Effektgeräten, sondern mit einem Verstärker. Natürlich steht dies auch im Zusammenhang mit meinem aktuellen Projekt: einem Pedalboard für den Fender Deluxe Reverb Reissue. Ich hatte bereits in einer vorherigen Folge angekündigt, dass ich zur optimalen Nutzung des Verstärkers einen kleinen Eingriff in der Abstimmung des Vibrato-Kanals vornehmen möchte, weil der Kanal mit Verzerrern nicht so gut harmoniert. Aber von Anfang an…

kleiner combo – ganz gross

Der Fender Deluxe Reverb war ein Dauerbrenner im 60er- und 70er-Jahre-Programm der Kalifornier und hat auch die CBS-Phase ohne gravierende Änderungen überstanden. Optisch musste 1967 zwar die schwarze Frontplatte (Blackface) der silberfarbenen Frontplatte (Silverface) weichen, aber technisch wurde an dem bis heute beliebten Klassiker bis auf eine „Volume-Boost-Schaltung“ (1977 – 1979) wenig verschlimmbessert.

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Der Deluxe Reverb gehört leistungsmäßig zu den „kleineren“ Verstärkern und leistet 22 Watt aus zwei 6V6-Endstufenröhren. Der Rest des Erscheinungsbildes ist aber ziemlich erwachsen: ein 12er-Lautsprecher und ein großes Gehäuse machten damals schon etwas her. Außerdem hat der Deluxe zwei getrennt nutzbare Kanäle und ist mit Hall- und Vibratofunktion effektmäßig schon mal gut ausgestattet.

Wie in den 60er-Jahren üblich, war der Deluxe als reiner Clean-Amp konzipiert. Seine zwei getrennten Kanäle sind von Verstärkerseite aus nicht umschaltbar, sondern können gleichzeitig betrieben werden. Damals war es nämlich nicht ungewöhnlich, dass sich z. B. ein Bassist und ein Gitarrist, einen Verstärker geteilt haben. Equipment war in den 60er-Jahren im Verhältnis viel teurer als heute und längst nicht jedes Bandmitglied konnte sich einen eigenen Verstärker leisten.

Beide Kanäle sind in Lautstärke, Höhen und Tiefen regelbar. Der mit einem wunderbar klingenden Federhall und einer „Vibrato“-Funktion (die eigentlich ein Tremolo ist, da hier die Lautstärke und nicht die Tonhöhe verändert wird) ausgestattete rechte Kanal war auf die Bedürfnisse von Gitarristen zugeschnitten. Der linke Kanal ist dunkler abgestimmt und kommt ohne weitere Effekte aus – das sollte dem Bassisten wohl genügen.

Spätestens in den 80er-Jahren änderten sich die Ansprüche der Musiker an ihre Verstärker. Gitarristen verlangten zunehmend nach verzerrten Sounds, die der Deluxe Reverb nicht bieten konnte. Auch seine Leistung erschien den Watt-hungrigen Musikern der 80er-Jahre nun zu schwach. Der Deluxe Reverb verschwand aus dem Fender-Programm. Erst als in den 90er-Jahren das Höher-Schneller-Weiter unter Musikern nachließ und auch die Gitarristen sich zunehmend von ihren kühlschrankgroßen Racks und den 100-Röhrenwatt-Boliden verabschiedeten, kam auch die Renaissance des Deluxe Reverb: 1993 wurde der Verstärker als 65er-Reissue mit schwarzer Frontplatte wieder ins Programm genommen.

bright oder nicht bright?

Ein kleiner Combo ist nicht nur einfacher zu transportieren, sondern klingt z. B. in einem Club auch besser, weil man ihn weiter aufdrehen kann. Der begehrte Röhrensound kommt bei vielen Verstärkern erst zur Geltung, wenn die Verstärkerendstufe auch frei durchatmen kann und bei 100 Watt ist dieser Punkt nun mal mit deutlich mehr Lärm verbunden als bei 22 Watt. Das macht den Deluxe Reverb heute wieder attraktiv und angesichts des Überangebotes an Verzerrern auf dem Pedalmarkt, wird sich niemand ernsthaft beschweren, dass der Deluxe Reverb keinen Zerr-Sound zu bieten hat.

Allerdings gibt es hier, zumindest für meine Ohren, eine Einschränkung: Während sich nämlich der „Normal-Kanal“ ganz prima mit vorgeschalteten Verzerrern verträgt, klingt ein übersteuerter Vibrato-Kanal nicht so schön. Das liegt an einer dauerhaften „Bright-Schaltung“ die zwar für einen wunderbaren Clean-Sound sorgt, Zerrsounds aber ziemlich „brizzeln“ lässt. Ein Blick in den Schaltplan zeigt schnell, dass die Bright-Schaltung ganz einfach über einen 47 pF-Kondensator realisiert ist, der dauerhaft im Eingangsbereich des Vibrato-Kanals hängt.

Im Schaltplan ist der 47 pF-Kondensator im Eingangsbereich des Vibratokanals markiert. (Bild: Richter)

Der Kondensator lässt die oberen Frequenzen ungehindert durch und sorgt für die Frische im Cleanbetrieb und das unschöne Brizzeln im Zerrbetrieb. In größeren Fender-Verstärkern, z. B. dem Vibrolux oder dem Twin-Reverb war bzw. ist diese Schaltung über einen kleinen Schiebeschalter neben den Eingängen auch abschaltbar. Den zusätzlichen Schalter hat Fender beim Deluxe-Reverb eingespart.

Um den Verstärker nicht mit einer zusätzlichen Bohrung für deinen Schalter zu verunzieren, bieten sich zwei Möglichkeiten an: Zum einen könnte man auf eine der beiden parallel geschalteten Eingangsbuchsen verzichten und die Bohrung für einen Kippschalter nutzen. Die zweite Möglichkeit ist die Verwendung eines Push-Pull-Potis. Das sind Potis mit einer zusätzlichen Schaltfunktion (i d. R. einen DPDT-Schalter), die über das Ziehen der Potiachse aktiviert werden kann. Push-Pull-Potis werden gerne in Gitarren verbaut. Daher gibt es sie v. a. in den 250 k-Ohm und 500-K-Ohm-Varianten. Gut, dass der Treble-Poti des Deluxe-Reverbs ein 250 k-Ohm Poti ist.

einfach aber gefährlich!

Die Umbaumaßnahme ist eigentlich recht einfach: Ein Kondensator und ein Poti sind von der Verstärkerplatine auszulöten und fünf Litzen müssen eingelötet werden. Aber da wir hier einen Röhrenverstärker vor uns haben, ist besondere Vorsicht geboten. In Röhrenverstärkern existieren lebensbedrohliche Spannungen. Mit 300 bis 400 Volt Gleichspannung (!) ist nicht zu spaßen. Und auch wenn die grundlegendsten Sicherheitsmaßnahmen (Netzstecker gezogen und warten bis die Elkos entladen sind) gewährleistet sind, sollte man sich dem Inneren von Röhrenverstärkern mit Respekt nähern.

Daher ist auch das Basteln an dem Deluxe Reverb definitiv nichts für jemanden, der sich mit der Materie nicht auskennt. Also bitte: Hier ist die Hilfe eines versierten Technikers gefragt. Auch ich bin für dieses Projekt zum Amp-Techniker meines Vertrauens gefahren. Die nachfolgende Beschreibung ist daher als Erfahrungsbericht und nicht als Bauanleitung zu verstehen.

Den größten Aufwand bei dem Projekt stellt das Freilegen der Platine mit den Potis dar. Zuerst muss das Verstärkerchassis aus dem Gehäuse raus, dann sind alle Potiknöpfe und Potis zu lösen – auch der Bias-Poti an der Unterseite muss raus. Hat man die Poti-Platine vor sich, ist der Bright-Kondensator mit der C10-Beschriftung schnell identifiziert. Er sitzt zwischen Eingangsbuchse und Volume-Poti des Vibrato-Kanals.

Der Bright-Kondensator sitzt zwischen Eingangsbuchse und Volume-Poti. (Bild: Richter)

Der einfachste Weg, die Bright-Schaltung loszuwerden, wäre es, ein Bein des Kondensators durchzuknipsen. Damit würde der Kondensator in der Luft hängen und wäre wirkungslos. Aber dann muss man dauerhaft ohne den schönen „crispy“ Cleansound auskommen. Also wird der 47-pF-Kondensator ausgelötet und kommt an einen Schalter. In meinem Fall an einen Push-Pull-Poti, mit dem ich das Treble-Poti ersetze.

Die Sorge, dass das Push-Pull-Poti wegen seiner Größe nicht mehr in das Chassis hineinpasst, erweist sich als unbegründet. Wenn es gelegt wird geht es gerade so. Allerdings muss das Poti mithilfe von Litzen frei verdrahtet werden – eine direkte Montage auf der Platine ist natürlich nicht mehr möglich. Da das Poti mit seiner Überwurfmutter direkt am Chassis befestigt ist, hält es auch ohne festen Platinenkontakt problemlos.

Die Montage der Platine in das Chassis und die des Chassis in das Verstärkergehäuse ist wieder ähnlich „frickelig“ wie die Demontage. Lohn der Mühe ist aber ein unauffällig schaltbarer Bright-Sound. Beim Ausprobieren stellt sich ein kleiner Nachteil des verwendeten Push-Pull-Potis heraus: Die Poti-Achse ist deutlich leichtgängiger als die Achse der Originalpotis. Daher verstellt sich der justierte Treble-Wert gerne, wenn das Poti gezogen wird. Und auch, dass der geriffelte Potiknopf für 6 mm Knöpfe und nicht für 6,3 mm Knöpfe ausgelegt ist, stört optisch etwas. Der Potiknopf hält dank seiner Madenschraube zwar gut, aber er eiert ein wenig. Das nächste Mal würde ich beim Kauf des Push-Pull-Potis besser achtgeben.

Bis die Platine freiliegt, ist eine durchaus aufwendige Demontage zu bewerkstelligen. (Bild: Richter)
Auch der Bias-Poti an der Chassis-Unterseite muss raus. (Bild: Richter)
Ein Entlötkolben erleichtert die Arbeit enorm. Es geht aber natürlich auch mit Entlötpumpe oder Entlötlitze. (Bild: Richter)
Links das Push-Pull-Poti aus dem Gitarrenzubehör, rechts das Original-Pot (Bild: Richter)
Wenn das Push-Pull-Poti gelegt wird, passt es gerade so. (Bild: Richter)
Das Push-Pull-Poti hält auch ohne direkten Platinenkontakt bombenfest. (Bild: Richter)
Der Kondensator ist geschaltet, wenn die Poti-Achse gezogen ist. Bei gedrückter Poti-Achse besteht kein Durchgang und der Kondensator hängt wirkungslos in der Luft. (Bild: Richter)
Das frei verdrahtete Push-Pull-Poti samt Kondensator (Bild: Richter)
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ein kleiner Tippfehler hat sich eingeschlichen: “ …der einfachste Weg wäre… ein Bein des Potis durchzuknipsen…” das wäre fatal, richtig ist hier … ein Bein des Kondensators…..

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    1. Danke für den Hinweis! Beste Grüße aus der Redaktion

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