Geschichte & Workshop

Guitar Tuning: Udo Pipper über Saiten

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(Bild: Udo Pipper)

Zu beinahe jedem Interview mit Gitarristinnen und Gitarristen gehört die Frage, auf welchen Saiten sie ihre Kunst ausüben. Manche antworten knapp und kurz, andere beginnen ausgiebig zu philosophieren. Das deckt sich in etwa mit dem, was man beobachtet, wenn es um unseren eigenen Umgang mit den Stahldrähten geht. Saiten sind manchen völlig schnuppe, Hauptsache es sind sechs Stück und sie sind preiswert, für andere sind sie so wichtig wie der Reifensatz eines Formel-1- Boliden.

GESCHICHTE

Wir alle kennen den Kassenbereich großer Musikgeschäfte, wo sich hinter der Ladentheke teils riesige Regalwände emportürmen, die prall mit allen möglichen Saitenfabrikaten gefüllt sind. Das war gewiss nicht immer so. In den Sechzigerjahren war die Auswahl für E-Gitarren noch relativ gering. Vor allem wenn es um „slinky“ Sets ging. Das sind Saiten, die so dünn sind, dass man mühelos Bendings spielen kann. E-Gitarren wurden damals noch mit .012er oder .013er Saiten einschließlich umwickelter G-Saite ausgeliefert.

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Hinzu kam, dass diese Gitarren meist recht flache Bünde und manchmal einen kleineren Griffbrettradius besaßen (bei Fender-Gitarren 7,25″). Für String-Bendings war das natürlich kaum geeignet. So geschah es, dass den frühen Rock-‘n’-Roll-Helden das Fabrikat meist egal war, Hauptsache die Saiten waren dünn. Je dünner, desto besser. Alles, worauf man aus war, waren leicht zu bespielende Sets und flache Saitenlagen. Wenn man so will, war die geringe Saitenstärke die Voraussetzung für moderne Gitarren-Stilrichtungen.

Der amerikanische Gitarrist James Burton war einer der ersten, der durch extremes und elegantes Saitenziehen bekannt wurde. Die englischen Gitarristen bewunderten ihn, und Hank Marvin von den Shadows ließ sich aus den USA von Cliff Richard eine Strat mitbringen, weil er dachte, damit wäre das möglich. Damals durften US-Instrumente nicht nach England importiert werden. Die Strat klang toll, hatte aber auch dicke Saiten, und so ging lange Zeit die Mähr um, dass die Amerikaner dank anderer Ernährung einfach kräftiger seien. Niemand wusste, dass Burton die Standard Saitensets mit einer dünnen Banjo-Saite als hohe E-Saite manipulierte. Außerdem spielte James Burton eine Tele. Wenn man bedenkt, wie viele Gitarrist:innen Hank Marvin beeinflusst hat, nicht auszumalen, wenn Cliff Richard ihm damals eine Tele anstelle der Strat mitgebracht hätte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Eric Clapton und Jimmy Page berichten etwa, dass auch sie in den Sechzigern normale Sets modifizierten, in dem sie die Saitenstärken um eine Position veränderten. Sie kauften ein .012er Set und spannten dann die A-Saite in die Position der tiefen E-Saite, die D-Saite auf die Position der A-Saite und so weiter. Die fehlende hohe E-Saite wurde dann durch eine möglichst dünne Banjo-Saite ersetzt. So erhielten sie ein Light Gauge-Set, mit dem man Saiten mühelos um einen Ganzton ziehen konnte. Und natürlich boten diese Sets auch den erwünschten Spielkomfort.

Der professionelle Pedal-Steel-Spieler Ernie Ball eröffnete in den 50er-Jahren in Kalifornien einen Gitarrenladen. 1962 reagierte er auf die Wünsche seiner Kunden, und bot erstmalig Ernie Ball Super Slinky Strings an, Saiten die dünner waren als alle anderen auf dem Markt. Er wurde extrem erfolgreich damit, diese Saiten sind heute noch auf dem Markt. Später folgten viele andere Hersteller mit Light Gauge oder Ultra Light Gauge Sets auf den Markt. Beliebt waren vor allem die Pur-Nickel-Saiten von Fender.

Früher waren die Umwicklungen aus reinem Nickel. (Bild: Udo Pipper)

Auffällig daran war, dass Fender ein .010er Set anbot, das jedoch in den Bass-Saiten recht geringe Stärken hatte. Die tiefe E-Saite war mit .038 recht schlank. Die Ummantelung der Bass-Saiten hatte einen hohen Nickelanteil, wodurch die Saiten auch etwas leiser sind als moderne Stainless Steel oder vernickelte Stahlsaiten.

Obwohl Fender schon ein .009er-Set anbot (das spielte Eric Clapton während seiner Zeit bei Cream), blieben viele Gitarristen bei dem mit der Banjo-Saite modifizierten 8er-Set. Jeff Beck spielte zu Beginn seiner Karriere etwa „so dünn und so flach wie möglich“. Carlos Santana und Jimmy Page taten es ihm gleich und spielten auf ihren ersten Alben ebenfalls .008er. Brian May oder Tony Iommi von Black Sabbath verwenden auch diese Stärke.

Mit dünnen Saiten sind extreme Bendings möglich, hier ein .008er-Set. (Bild: Udo Pipper)

Zwar kann man diese Saiten sehr leicht ziehen, kämpft zuweilen aber auch mit ihrer Instabilität bei der Intonation und beim Stimmen. Auch reißen diese Saiten schneller. „It was a nightmare on stage,“ gibt Jeff Beck zu. „They didn’t stay in tune.“ Jimi Hendrix drängte ihn daher zu .009er-Sätzen, da diese einen fetteren Sound hätten. Wobei er, wie SRV, seine Gitarre auch etwas tiefer stimmte und der Saitenzug dadurch geringer wurde. Stevie Ray Vaughan hätte sich darüber wahrscheinlich nur gewundert. Ihm waren auch bisweilen seine .013 – .058er-Sätze noch zu dünn. Seit er seine Saiten-Vorlieben in einem Interview von 1983 kundtat, wurde dies als der Weg zum SRV-Sound interpretiert, woraufhin viele Gitarrist:innen wieder nach dicken Saiten suchten.

Bald spaltete sich das Lager der Saiten-Fetischisten in zwei Lager. Während die Bending- und Hammer-On-Virtuosen wie Eddie van Halen oder Yngwie Malmsteen weiterhin auf ihre dünnen Drähte vertrauten, verpönten die „echten“ Blues-Rocker diese Vorliebe und vertraten die These, ein dicker Ton lasse sich nur mit dicken Saiten erreichen. Dass dem nicht so sein muss, bewies Billy Gibbons, der die meiste Zeit seiner Karriere ebenfalls .008er spielte und seit ein paar Jahren sogar .007er-Sätze benutzt. Ist der nun verrückt, unwissend oder einfach nur faul? Jedenfalls hat auch er einen fetten Ton. Ein bisschen hat das auch mit Mode oder Trends zu tun, wie das Beispiel mit Stevie Ray Vaughan zeigt.

Ursächlich für die Saitenwahl sind meist zwei Parameter:

  • Wie fühlen sich die Saiten an (Spielkomfort)?
  • Wie klingen die Saiten?

Das „Anfühlen“ wird durch die Stärke und das Material bestimmt. Dann spielt es natürlich eine Rolle, welche Gitarre ich spiele. Wie lang ist die Saite (etwa bei Gitarren mit Bigsby-Vibrato)? Welche Mensur hat sie? Welche Bünde werden verwendet?

Und letztlich bestimmt auch die Spielweise die Auswahl. Rhythmus-Giganten mit hartem Anschlag wie Pete Townshend oder Malcolm Young verwenden sehr dicke Saiten, weil es ihrer Spielweise entgegenkommt. Kontrollierte Griffbrettzauberer wie van Halen oder Steve Lukather (beide .009 – .042), die hohe Geschwindigkeiten lieben, können mit dicken Drähten wenig anfangen.


VERSUCH MACHT KLUG

Auch die Gewohnheit oder Ausprägung der Spielpraxis spielt eine große Rolle. Als ich etwa 1973 anfing Gitarre zu spielen, suchte ich nach möglichst dünnen Saiten. Bei Picato gab es ein .008er-Set, das mir aber auch als Anfänger schon zu dünn war. Also spielte ich das selbst im „Blockflöten-Laden“ in der nordhessischen Heimatstadt erhältliche Fender-Set (.009 – .038), und war damit lange Zeit zufrieden. 1979 empfahl mir Peter Coura in Frankfurt ein 10er-Set. Damit tat ich mich anfangs zwar noch schwer, aber ich liebte schnell den in der Tat etwas mächtigeren Sound dieser Saiten. Außerdem konnte ich erst mit diesen Saiten meinen Wechselschlag entwickeln. Mit den dünneren Saiten spielte ich immer nur Down-Strokes.

Dann begann eine Zeit, in der ich regelmäßig und viel spielte. Und bald mussten 11er-Saiten her, denn auch die 10er waren mir zuweilen zu „plinky“. Da ich recht flache Saitenlagen liebe, aber Fret-Buzzing hasse, konnte ich mit dem höheren Saitenzug der 11er-Sätze viel bessere Saitenlagen einstellen.

So blieb das dann sehr lange, bis ich vor sieben oder acht Jahren wieder zu 10er-Sätzen wechselte. Das ist heute der wohl am meisten verwendete Standard. .010 -.046 ist das am weitesten verbreitete Saiten-Set dieser Tage.

Im Zuge meiner BillyGibbons-Kolumne habe ich aber mal wieder experimentiert und auf meine Les Paul ein .008-Set gespannt. Ich war sehr überrascht, dass das sogar ganz gut funktionierte. Die Gitarre klang recht schlank damit, was dem Distortion-Sound an weit aufgedrehten Amps zugutekam. Irgendwie klingen diese Saiten schmatziger und knackiger. Sogar die Saitenlage war dank Plek-Behandlung meiner Les Paul atemberaubend flach.

Auch bei dünnen Saiten kann man eine extrem flache Saitenlage einstellen, selbst mit einem 8er-Set. (Bild: Udo Pipper)

Nur mein Plektrum war für diese Saiten einfach zu dick. Also griff ich wieder zu meinen dreieckigen und ultradünnen Hermida-Nylon-Plektren und konnte so wieder recht gut spielen. Der Wechselschlag ist zwar nun eine schwierige Sache, aber Billy-Gibbons-Riffs oder gar Santana-Melodien kommen so authentischer. Im Grunde spiele ich zwangsläufig mit diesen Saiten ganz anders Gitarre.

Das hat mir gezeigt, dass das Saitenmaterial auch starken Einfluss auf die Spielweise hat. Ich habe auch Versuche in umgekehrter Richtung gemacht. Als großer JohnScofield-Fan habe ich mir ein .013 – 052-Set besorgt und getestet. Auch hier ergab sich ein völlig anderer Sound auf meiner Les Paul. Die Noten kommen dicker, weniger schmatzig und etwas stumpfer. Man spielt unwillkürlich nur noch verkürzte Akkorde, weil die Gitarre einfach recht mächtig klingt. Die Bässe dreht man raus (Billy Gibbons dagegen dreht alle Bässe rein) und erhöht den Presence-Anteil am Amp. Saiten ziehen fällt schwer, daher spielt man eher einfachere Skalen und etwas melodiöser. Sprich: Man erfindet sich in gewisser Weise neu.

Solche Versuche können sehr inspirierend sein, auch wenn ich mittlerweile wieder ein 10er-Set aufgespannt habe. Es gibt aber auch Zeiten in einem Gitarristen-Leben, in denen man genau diese Inspiration braucht. Sei es, dass man sich weiterentwickeln möchte, von den eigenen Spielgewohnheiten gelangweilt ist oder sich einem neuen Stil verpflichten möchte.


WER NICHT FRAGT, BLEIBT DUMM

Noch eine nette Anekdote: Vor ein paar Jahren stöberte ich durch die Threads in einem amerikanischen Gitarristen-Forum. In einem der Threads ging es um Saitenstärken. Und da meldete sich tatsächlich Eric Clapton persönlich und fragte nach Tipps zur Schonung seiner Fingerkuppen-Hornhaut. Er sei nur noch selten auf Tour oder im Studio und in längeren Ruhephasen mit seiner Yacht in Mittelmeergefilden unterwegs. Nicht selten könne sich das über ein paar Monate ganz ohne Gitarre hinziehen.

Wenn er dann wieder nach Hause kommt, seien seine 10er-Sätze auf den Stratocasters – von den Akustik-Gitarren mal ganz zu schweigen – viel zu schwergängig. Er klagte über Kraftlosigkeit in den Fingern und vor allem schnitten die harten Stahlsaiten schmerzend in die Fingerkuppen, denn die Hornhaut sei durch den langen Badeurlaub abhandengekommen. Gäbe es da Tricks, etwa durch das Tragen von wasserdichten Handschuhen? Oder vielleicht wieder auf 9er wechseln?

Die Foren-Teilnehmer reagierten wie erstarrt. War das nun wirklich der Gitarren-Gott, der da schrieb oder ein Scherz-Keks? Nach kurzem Thread-Wechsel ergab sich der Hilfesuchende tatsächlich als Clapton und bekam anschließend reichlich Tipps. Einer schrieb: „Du musst eben wieder regelmäßig üben. Dann hast Du auch wieder Hornhaut!“


WORKSHOP

Befassen wir uns mal näher mit dem Umgang mit unterschiedlichen Saiten-Materialien und vor allem mit Tipps für ein stabiles Tuning.

Wie schon erwähnt, bestehen E-Gitarren-Saiten stets aus Metall. Da die Pickups mit einem Dauermagneten ausgestattet sind, der ein magnetisches Feld um die Saite legt, benötigen wir natürlich ein magnetisches Material, um während der Schwingungsphase der Saite eine schwache Spannung zu erzeugen.

In den Anfangstagen der Elektrogitarren waren die Saiten meist aus purem Nickel (oder genauer: einer Legierung mit hohem Nickelanteil). Der Ton dieses Materials ist weicher und wärmer als der heutiger Stahlsaiten (Stainless Steel). Da Nickel weniger magnetisch als Stahl ist, erzeugen diese Saiten auch etwas weniger Lautstärke. Bei einer E-Gitarre ist das allerdings nicht so wichtig, denn man kann den Verstärker ja weiter aufdrehen oder die Pickups näher an die schwingende Saite schrauben.

ZEITEN ÄNDERN SICH

Damals waren die Saitenkerne (oder die „Seele“) der umsponnenen Bass-Saiten noch rund, wohingegen sie heute meist hexagonal beziehungsweise sechseckig sind. Das hat den Vorteil, dass die Umwicklung enger am Saitenkern anliegt. Zudem geben die sechs Kanten der Umwicklung auch einen stabileren Halt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass sich bei meinen Bass-Saiten früher häufig die Umwicklung gelöst hat. Eine lockere Umwicklung war zwar zunächst nicht zu sehen, man konnte das aber hören, da die Saiten dann flach und rasselnd klangen.

Betrachten wir den typischen Sound der Nickel-Saiten einmal im weiteren Kontext der damaligen Bedingungen, wird schnell klar: Früher klang alles dunkler! Gitarristinnen und Gitarristen verwendeten meist die damals üblichen Spiralkabel mit deutlich höherer Kapazität als beispielsweise ein modernes Spectraflex– oder VoVox-Kabel. Dann war das Stromnetz weniger durch Verzerrungen verunreinigt, die Pickups klangen mit ihren schwächeren Magneten etwas wärmer, die Röhren-Fabrikate hatten die gleiche Eigenschaft, die Kondensatoren im Verstärker, die Lautsprecher und so weiter.

Man kann das zu Hause leicht nachstellen, indem man mal Gitarre mit solchen Zutaten spielt und den Sound mit modernerem Equipment vergleicht. Das saubere Stromnetz kann man mit einem Netzfilter nachstellen. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Netzspannung in den Sechzigern noch deutlich niedriger war als heute. Damals waren das 210 bis 220 Volt, während heute in meinem Musikzimmer meist 235 Volt Netzspannung aus der Dose kommen. Mehr Spannung an den Röhren bedeutet aber auch einen helleren Klang.

Liest man also ein Interview mit Johnny Winter von 1972, in dem er erwähnt, dass er den Treble-Regler seines Amps stets voll aufdreht, sollte man den Kontext nicht außer Acht lassen. Mit welchen Saiten, welchem Kabel und welchen anderen Bedingungen hat er das damals getan? Vermutlich natürlich mit Nickel-Saiten, einem Spiralkabel und so fort.

Entscheidet man sich also für Pure-Nickel-Saiten, kann man den heutigen Standards, die für ordentlich mehr Treble sorgen, entgegenwirken. Gott sei Dank gibt es seit geraumer Zeit diese Saiten wieder von verschiedenen Herstellern, sogar mit runder „Seele“.

Der Klang der Saite hängt natürlich auch von der Mensur des Instruments, der Tonhöhe und dem Durchmesser ab. Vereinfacht könnte man sagen, dass der Klang umso tiefer ist, je größer ihre Masse, ihr Durchmesser und je geringer ihre Spannung ist. Um eine dicke Saite also auf die gleiche Tonhöhe wie eine dünnere Saite zu bringen, muss man diese stärker spannen. Bei einer längeren Mensur müsste die gleiche Saite stärker gespannt werden, um die gleiche Tonhöhe zu erreichen.

Daher fühlt sich ein .010er Satz auf einer Stratocaster mit 650 mm Mensur etwas härter an als etwa auf einer Les Paul mit einer Mensur von nur 625 mm. Und aus diesen Gründen sind Bass-Saiten eben dicker und länger. Würde man die Saiten eines E-Basses auf eine Les Paul spannen, müsste man mit einer sehr geringen Spannung arbeiten, um wirklich tiefe Töne zu erzeugen. Sehr genau nachlesen kann man diese Schwingungs-Theorien mit weitreichendem Formelwerk und aussagekräftigen Messkurven in einer im Internet veröffentlichen Forschungsarbeit aus dem Jahre 2009 zum Thema „Physik der Elektrogitarre – Grundlagen zur Saitenschwingung“ von Prof. Dr.- Ing. Manfred Zollner von der Hochschule in Regensburg. Grundlagen-Schriften wir diese gibt es leider viel zu wenig.

Dies ist für mich die beste Untersuchung zu diesem Thema, weil sie sich in jeder Weise den Schwingungseigenschaften einer Gitarren-Saite widmet. Ausführlich und sehr kompetent!


Doch nun zurück zur Materialgeschichte: Die heute weit verbreiteten „Stainless Steel“- Saiten mit hexagonalem Kern bei den Bass-Saiten sind also lauter, heller und daher obertonreicher als ihre Vorgänger aus den Sechzigern und Siebzigern. Dünne Saiten klingen gegenüber dickeren Saiten leiser und heller und müssen daher weniger stark gespannt werden und lassen sich somit besser dehnen oder ziehen. Soweit unsere an dieser Stelle stark vereinfachte Bestandsaufnahme. Das soll uns zunächst genügen. Welche Saiten ich letztendlich verwende, bleibt meinem Geschmack überlassen.

Einen großen Unterschied zwischen vernickelten Stahlsaiten und reinen Stahlsaiten kann ich übrigens nicht ausmachen. Die vernickelten Saiten fühlen sich allenfalls etwas anders an. Klanglich liegen sie je nach Fabrikat sehr nah beieinander. Es kursieren bezüglich der Saitenauswahl derart zahlreiche Meinungen und Auffassungen, dass ich mir sparen möchte, eine weitere Meinung hinzuzufügen. Zu sehr sind die Vorlieben (und daher auch die meinen) von Gewohnheiten und den typischen Ritualen abhängig. Zum Glück können wir zwischen beinahe unzähligen Marken und Stärken wählen.


GUTES SETUP Worauf achten?

Es gibt aber einige Beobachtungen, die wir durchaus teilen können. Wie lange halten die (neuen) Saiten ihre Qualität, auch wenn sie mal nicht reißen? Wie bekomme ich eine stabile Stimmung und Intonation? Schon öfter habe ich an dieser Stelle beschrieben, wie wichtig die Behandlung von Sattel und Brücke für ein gutes Setup sind. Das gilt natürlich auch für die Einstellung eines Instruments für eine bestimmte Saitenstärke. Da dünne Saiten weniger Spannung als dicke Saiten haben, empfiehlt sich nach einem Stärkenwechsel die Halskrümmung zu kontrollieren. Als ich für diese Untersuchung meine Les Paul mit 008er-Saiten bespannt habe, musste ich den Halsstab etwas lösen, um den gleichen Spielkomfort zu erreichen.

Genau genommen hätte ich nun auch den Sattel wechseln müssen, da die Saiten mit geringerem Durchmesser nun lose in den vom dickeren Satz aufgeweiteten Sattelkerben schlackern. Umgekehrt können die Saiten in einer zu engen Sattelkerbe klemmen und sich daher verstimmen. Das Gleiche gilt für die Brücke, wobei das Problem durch den meist höheren Saitenwinkel oder Saitendruck nicht ganz so gravierend ist.


FRISCHEGEFÜHL

Obwohl ich meist keine schwitzenden Hände habe, kann ich schon nach wenigen Tagen einen klanglichen Verschleiß bei meinen Saiten feststellen. Sie werden stumpfer, lebloser und verlieren auch ihre Klangreinheit. Das heißt, sie klingen stets etwas verstimmt. Nun bin ich nicht so streng wie manche Profis, die ihre Saiten schon nach einem Konzert wechseln. Dennoch liebe ich einen frisch aufgezogenen Saitensatz. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, die frischen Saiten so aufzuziehen, dass ich diese Vorzüge auch sofort genießen kann. Von Jimi Hendrix wird berichtet, dass er sich vor einem Konzert mit seiner Stratocaster zurückzog und neue Saiten aufzog. Dafür benötigte er etwa zwei Stunden. Das Saitenwechseln selbst dauert vielleicht nur ein paar Minuten.

Dabei ist eigentlich nur darauf zu achten, dass man die Saiten so aufzieht, dass sie nicht „schlupfen“ können. Gemeint ist damit die Art und Weise, wie man die Saite um die Achse der Mechanik wickelt. Ich bevorzuge etwa drei Umwindungen, um der Saite auch genügend Halt zu geben. Bei der tiefen E- und A-Saite sind meist wegen der Achsenlänge nur zwei Umwindungen möglich. Man könnte auch eine Schlaufe bilden, um die Saite zusätzlich festzuklemmen.

Saitenlänge anpassen mit Dreifinger-Trick
Mechanik nach dem Aufziehen
Saiten dehnen

Um diese drei Umwindungen zu erreichen, lege ich drei Finger unter die nicht gespannte Saite im ersten Bund. Dieser Abstand definiert etwa den Wickelleerlauf, den ich dafür brauche. Danach wird die Gitarre gestimmt. Dann folgt die Dehnung jeder Saite. Und das geschieht so lange, bis sich die Saite durch weitere Überdehnungen nicht mehr verstimmt.

Hinter der Mechanik abknicken
Hinter der Brücke abknicken

Dazu gehört auch, dass man alle Knickstellen, etwa an der Mechanik, am Vibrato und an der Brücke nochmals durch sanften Druck verstärkt. Erst jetzt „setzt“ sich die Saite richtig in die Position, die für einen stimmstabilen Gebrauch nötig ist. Das dauert eine ganze Weile, funktioniert aber so gut, dass die Gitarre sogar mit ganz frischen Saiten die beste Stabilität und Intonation bietet.

Vibrato-Kralle anpassen (Bild: Udo Pipper)

Das Vibrato einer Stratocaster stelle ich an der Feder-Kralle übrigens so ein, dass auf alle Federn etwa der gleiche Saitenzug ausgeübt wird. Diesen Trick erklärt Carl Verheyen in einem Youtube-Video:

Ich bin seinem Rat gefolgt und habe danach zum ersten Mal mit einer Stratocaster mit Standard- Vibrato eine wunderbar stimmstabile Gitarre kreiert.

Manchmal ist auch ein neuer Saitensatz untauglich. Die tiefe E-Saite klingt etwa stumpfer als sonst, die G-Saite ist immer verstimmt oder die hohe E-Saite zu dünn und kraftlos. So etwas gibt es übrigens bei allen Fabrikaten. Ursache sind geringere Material-Toleranzen oder eine zu lange Lagerung der Saiten. Leider können die Drähte auch in der normalen Verpackung schon altern. Daher bevorzuge ich Saitensätze, die in Kunststofffolie eingeschweißt werden. So können sie zumindest keine Feuchtigkeit ziehen.

Ball-End verlöten (Bild: Udo Pipper)

Ein guter Tipp ist auch, dass Ball-End der hohen E-Saite zu verlöten. Hier kann die Saite leicht brechen und reißen. Seit ich das praktiziere, ist mir praktisch nie mehr eine hohe E-Saite gerissen.


(erschienen in Gitarre & Bass 09 und 10/2013)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich habe in den reichlich 40 Jahren, die ich E-Gitarre spiele, immer mal wieder meine Saitenstärken-Philosophie und mithin die Dicke der von mir bevorzugten Spieldrähte verändert. In den 80ern spielte ich Saitensätze von 09 auf 36, Anfang der 90er, nach einer kurzen 08-38er Phase, kamen dann etwa zehn Jahre 09-42. Danach hatte ich, weil ich eine noch tiefer eingerichtete schepperfreie Saitenlage erzielen wollte, meine 11er Phase, die etwa 15 Jahre dauerte. Doch irgendwann waren mir Bendings um einen Ganzton auf der hohen E-Saite vor allem auf meinen Strats und Teles doch zu beschwerlich. Also stieg ich vor etwa fünf Jahren komplett auf 10-46 um. Aber eine 10er Saiten lässt sich nicht so viel leichter ziehen als eine 11er, zumindest auf einer Gitarre mit 648er Mensur. Die Lösung war, den Auslieferungszustand in Punkto Saiten bei den von mir gespielten Fabrikaten beizubehalten bzw. wieder herzustellen: Fender 09-42, Gibson 10-46 und PRS 10-46. Ich muss sagen, das war eine kluge Entscheidung. Auch wenn ich die Saitenlage bei einigen meiner Fenders um ein oder zwei Zehntel erhöhen musste, spielen sich die längeren Mensuren jetzt fast identisch wie die kürzeren, wenn es um Bendings, Legato und so weiter geht. Und ich kann auch nicht sagen, dass meine Strats jetzt dünner klängen als vor 15 Jahren mit 11er Saiten.

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Hallo. Jens beschreibt seine Erfahrungen, die ich etwas modifiziert teile: bei Fender gehe ich 09-46, weil mir die tiefen Saiten beim 09-42 einfach zu schepper-anfällig sind und ich dort etwas markigeren Ton mag.

    Ich möchte aber folgende Erfahrung bei Scalloped Strats beisteuern. Ich habe über viele Jahre div. Scalloped besessen und kürzlich eine Malmsteen-Signature-Strat erworben. Sie ist mit einem 08-46 Satz original bespannt gewesen. Das hatte ich zunächst als Witz angesehen, denn ich habe meine Scalloped immer mit 11-52 ausgestattet (Gründe siehe weiter unten). Der Gitarre war aber ein Malmsteen-Saitensatz von Fender beigefügt, eben auch diese 08-46. Gegoogelt fand ich heraus, dass Malmsteen tatsächlich damit spielt.

    Weshalb schreibe ich das? Schon beim ersten Antesten dieser Malmsteen-Strat rutschte ich permanent mit der 08-Saite von den mega-fetten Bünden runter. Auch die anderen Saiten waren viel zu weich und führten zu dem Effekt, den viele Erst-Tester solcher Strats bemängeln: das Scalloping begünstigt bei hohem Saitenandruck durch die Greifhand Verstimmungen ohne Ende.

    Eben das ist einer von zwei Hauptgründen, weshalb ich Scalloped Strats, die ich mit besonderen Schaltungen seit langem immer mal auf Musikerflohmärkten privat oder in ebay verkaufe, mit den dicken Saiten 11-52 bestücke. Da stimmt jeder mit normalem Druck gegriffene Ton so, wie man es bei einer normalen Strat mit 09-46 gewohnt ist. Zweiter Grund, und da habe ich eine andere Klang-Empfindung als Jens (erster Kommentar oben): Das Klangvolumen ist mit dem dicken Saitensatz nach meinem Ohr um Meilen ausgeprägter.

    Und was ist mit den Bendings?

    Tja, das ist eben der immense Vorteil einer Scalloped Strat: da man quasi wie auf Eisenbahnschienen spielt, lässt sich der 11-52-Satz dort in etwa genauso ziehen wie ein 09-46 auf einer normalen Strat. Diverse meiner Käufer, die immer zunächst sehr skeptisch waren, haben das anerkannt und als Alleinstellungsmerkmal und Vorteil der Scalloped, so ausgestattet, erlebt: vollerer Ton und trotzdem Saitenziehen wie gewohnt oder besser, denn Scalloped ist für mich gerade in den höheren Lagen einfach mein Favorit.
    Also wer die Chance hat, das einmal auszuprobieren, sollte es tun! Es ist mit nichts anderem vergleichbar.
    Mit musikalischen Grüßen
    MrHKBlues – aka gitte-varii (letzeres googeln, in YT gibt es Sound-Demo Scalloped von mir) 🙂

    Auf diesen Kommentar antworten

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