Q&A of today

Gitarrenlack lädt sich statisch auf?

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Gibson Les Paul

Q: Meine Gibson Les Paul Traditional von 2015 leidet unter statischer Aufladung des Lacks. Recherchen in diversen Foren haben ergeben, dass das häufiger vorkommen soll und nicht nur bei den günstigeren Modellen. Angeblich soll es etwas mit der Art zu tun haben, wie Gibson möglichst effizient lackiert. Bei mir ist es immerhin nicht der Hals und auch nicht die Decke, die sich statisch aufladen, sondern nur die Korpusrückseite und die Zargen, die auf Berührungen empfindlich reagieren. Am empfindlichsten ist die Stelle genau unter dem Hals-Pickup. Bei mehr Gain kommt aus dem Verstärker ein deutlich hörbares Kratzen.

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Eine Lösung, die in einem Forum genannt wurde, funktioniert merkwürdigerweise: Abreiben mit einem Trocknertuch (Lenor Aprilfrisch!). Das hält beim Spielen auch eine ganze Weile an, am nächsten Tag muss ich jedoch wieder nachpolieren. Antistatische Putztücher für Fotokamerabedarf oder Schallplatten helfen hingegen gar nicht. Mal abgesehen davon, dass das sicher nicht im Sinne des Erfinders ist, ist die chemische Ausrüstung von Trocknertüchern auf Dauer aber sicherlich auch für den Lack nicht gut. Ist zu diesem Phänomen etwas bekannt, möglicherweise gar eine Lösung?

Martin Ring (G&B-Leser)

A: Elektrostatische Knisterprobleme häufen sich in den Wintermonaten. Die Luft ist trocken, es wird kaum elektrostatische Aufladung über die Luft abgeleitet und von daher sucht sich die Aufladung den nächsten einfachen Weg, um sich irgendwo gegen Masse zu entladen. Bei der Gitarre stellen alle mit Masse verbundenen Metallteile die Entladungspunkte dar. Trifft die Ladung auf Masse, knistert es.

Abhilfe verspricht eine möglichst kurze Wegstrecke, damit sich zur Entladung weniger Spannung aufbauen muss und diese leiser bis möglichst unbemerkt abfließt. Bei Fender-ähnlichen Instrumenten verspricht die komplette Abschirmung des Schlagbretts Linderung bis komplette Beseitigung der Symptome. Bei Gibson-ähnlichen Modellen ist da oft wenig möglich. Etwas Linderung bringt aber auch hier die komplette Abschirmung von E-Fach- und Schalterfachdeckel. Wichtig ist dabei, dass diese abgeschirmten Platten dann auch wirkungsvoll mit Masse verbunden werden, sonst hat die Aktion keinen Sinn.

Die Abschirmung erfolgt in zwei Schritten:

1.) Schlagbrett bzw. Deckel auf der Rückseite komplett mit Graphitlack besprühen (Kontakt Chemie 33 Graphitspray) und trocknen lassen.

2.) Die Fläche mit selbstklebender Kupferfolie (http://noll-electronic.de/shielding) abkleben. Dabei darauf achten, dass eine Lage dicht neben der anderen verlegt und mit einem Hammer fest gehämmert wird. Danach Folienbahn für Folienbahn mit einem winzigen, ganz kurz angesetzten Lötpunkt miteinander verbinden. Diese Lötpunkte können nach erkalten auf ein Minimum abgeschliffen werden. Zwar verspricht der Hersteller eine leitende Verbindung des Kupfers auch durch den Klebefilm, was sich aber in der Praxis immer wieder als Irrtum herausstellt.

Nun zur Ursache, also der Entstehung der elektrostatischen Aufladung. Wer mit einem Plastikkamm durch die Harre fährt kennt das Problem: Die Haare bleiben am Kamm hängen. Nichts anderes passiert an der Gitarre: der lackierte Korpus wird durch Bewegung über die Kleidung aufgeladen. Nun könnte man versuchen, beim Haarekämmen einen Metallkamm zu benutzen – oder beim Gitarre spielen eine Kleidung ohne Kunstfasern und ohne Wolle. Beides ist jedoch besonders bei Winterkleidung häufig vorhanden. Kleidung komplett aus Baumwolle lässt das Problem jedoch kaum entstehen.

Weiterhin hilft es, Schuhe ohne Gummi- oder Plastiksohlen zu tragen. Denn diese leiten kaum elektrische Ladung. Weiterhin sollten man nicht auf Teppichboden stehen … und wenn doch, dann wenigstens auf antistatisch behandelten Teppichböden, die es ja auch gibt. Schon ein simpler Luftbefeuchter könnte ebenfalls das Problem minimieren.

Problem Lack: Ja, das ist Kunststoff … wie ein Kunststoffkamm. Reibt man dran, lädt er sich elektrostatisch auf. Gibson verwendet Einkomponentenlacke, sogenannte Nitrolacke, und die haben keine komplett geschlossene glatte Oberfläche. Diese Oberfläche ist also so beschaffen, dass sich allerlei Schmutzpartikel daran festhalten. Da Einkomponentenlacke nicht säurefest sind, verschmelzen Schmutz und Lack schon gerne mal zu einer Art „Lackoxydschicht“. D. h., die Oberfläche wird matt und relativ rau. Und alles, was besonders rau ist und mit Kunstfaserklamotten „gerieben“ wird, lädt sich elektrostatisch besonders leicht auf.

Jetzt könnte man natürlich der Firma Gibson zurufen: Nehmt keinen Nitrolack! Aber gerade das ist ein besonderes Feature von Gibson – und nicht nur von denen. Auch lässt sich Nitrolack weder besonders effektiv noch besonders schnell verarbeiten, das geht mit modernen Zweikomponentenlacken allemal schneller und billiger. Aber auch Gitarren, die mit Polyurethan oder Polyester lackiert werden, kennen diese Probleme, wenn auch seltener. Nichtlackierte Instrumente, also solche mit geölter Naturholzoberfläche, kennen das Problem indes überhaupt nicht.

Was man tun kann, liegt also, abgesehen von den o. g. Abschirmmaßnahmen, auf der Hand: Polieren! Und zwar mit einer richtigen Lackpolitur, etwa dem Dunlop Restore Polish, oder dem Planet Waves Restore Finish oder mit Nigrin-Lackreiniger für verwitterte Lacke aus dem Baumarkt. Diese leicht abrasiven Polituren entfernen alle auf dem Lack anhaftenden Partikel. Anschließend mit Dunlop Guitar Polish & Cleaner bzw. dem Gibson HiGloss Guitar Polish drüber polieren. Dann sollte für einige Zeit Ruhe sein. Vielleicht haben wir dann auch das Ende der Heizperiode und damit die Zeit der erhöhten Luftfeuchtigkeit erreicht, bei der das Phänomen genau so unmerklich verschwindet, wie es gekommen ist.

André Waldenmaier

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Interessant, dass das auch bei Humbuckern auftritt. Ich hatte das Problem erst zweimal in 40 Jahren und das war jeweils eine PRS Silver Sky. Die Lenor-Tücher funktionieren tatsächlich eine Stunde lang, dann fängt das Knistern wieder an. Ist also keine Lösung.

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  2. Interessanterweise tritt das Phänomen bei den neuen Gibson les Pauls ab der 2019er Serie häufiger auf, ich hatte zwei zum Testen zuhause, bei beiden trat das knistern auf, wenn man mit der Hand über den Korpus gefahren ist, und das war nicht in Winter und hatte mit der Heizung nichts zu tun, auch im Geschäft trat das knistern bei 8 von 10 getesteten Gibson s auf, bei älteren Gibson hatte ich das noch nie, und ich hatte schon einige, wie man so hört, verwendet Gibson bei der neuen Serie zwar Nitrolack, wird aber wohl mit einem System aufgetragen.

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  3. Hi, Kunststofflacke sind prinzipiell und speziell in klar transparent eigentlich nicht leitfähig. KU ist ein hervorragender Isolator prinzipiell. Der KU lädt sich natürlich elektrostatisch durch das Spielen auf der Gitarre auf und dies Ladung geht über den empfindlichen Tonabnehmer dann in die Verstärker MAP Anlage und wird, natürlich und sinnvoll, laut verstärkt. Polieren etc. oder besprühen mit z.B. Anti-Static Kunststoffspray hilft nur kurzfristig und schadet Holz und der Gitarre, macht also keinen wirklichen Sinn. Ferner verschwindet das Spray dann auch wieder. Wir prüfen gerade final noch, ob eine hochwertige DI Box zwischen Klinke und AMP das Knistern wegnimmt. Ursache bleibt beim Lack und der nicht abgeführten statischen Oberflächenspannung, ganz einfach Konstruktions- oder Qualitätsfehler bei Gibson durch Lackumstellung etc. GGF. kann man vielleicht durch eine kleine Schaltung, die Spannung an Masse der Klinke ableiten, danach braucht man aber sicherlich on Top eine gute DI Box, sonst geht auch der AMP im Eingang kaputt durch die entladene Überspannung. Auch dieses Prinzip beleuchten wir gerade im Detail. Ich habe mich als Kunststoffexperte mit EMI und Shielding von KU Oberflächen beschäftigt und weiss genau, was man in den Lack packen muss, damit der permanent – in Theorie – elektrostatisch ableitend wird und bleibt. Problem damit ist aber auch die geforderte klare Transparenz des Metallicklackes als Coating. Dies macht man durch Carbon Fibers oder andere Spezialadditive, die dann in den Lack gehören. Ähnliches Problem herrscht z.B. auch bei Automobilarmaturenbrettern, Rasiern etc. Dipl.-Ing. Polymers, Manfred H. Buechel

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