Workshop

Effektiv! Treble-Bleed-Schaltungen

Anzeige
Grafik #1

In der vergangenen Folge dieser Reihe hat sich gezeigt, dass aufgrund des Innenwiderstands des Volume-Potis und der immer existierenden Kabelkapazität sich beim Zurückdrehen des Volume-Reglers ein Höhenverlust einstellt.

Das muss nicht zwingend als Nachteil gesehen werden – wenn der Gitarrist sich damit arrangieren kann, ist alles in bester Ordnung.

Anzeige

Aber wenn zum klassischen Einstellen des Crunch- oder Clean-Sounds häufig mit dem Volume-Poti gearbeitet wird, sieht die Sache etwas anders aus! Einen solchen Höhenverlust will man dann oft nicht hinnehmen – eine technische Lösung ist also gefragt.

Ansatz

Zur Lösung stößt man sehr schnell, wenn man sich das Ersatzschaltbild des Corpus Delicti aufzeichnet (Grafik #1). Es handelt sich um einen komplexen Spannungsteiler, dessen untere Hälfte einen Tiefpass bildet, die obere Hälfte arbeitet frequenzneutral.

Dieses Arrangement ist zunächst einmal ein „Allerweltsgebilde“, aber es erinnert einen sofort an die Grundlagen der Messtechnik, Stichwort: Tastkopf beim Oszilloskop. Dort wird zur Eingangsimpedanzerhöhung oder zum Herabsetzen der Empfindlichkeit ein sehr hochohmiger Messwiderstand (zB. 9 MegOhm) dem Scop-Eingang vorgeschaltet.

Durch die Eingangskapazität des Oszilloskop-Eingangsverstärkers entsteht in Verbindung mit dem Anschlusskabel des Tastkopfes ein Tiefpass, der zum exakten Messen im höherfrequenten Bereich eigentlich wenig taugt.

Also wird parallel zu diesem sehr hochohmigen Mess-R (in Grafik #1 der R1) ein kleiner Trimmkondensator verbracht, integriert im Griff des Tastkopfes und von außen via Loch erreich- und einstellbar.

Damit wird dann das ganze Gebilde – ohne nähere Angabe dieser Prozedur, auf Frequenzneutralität abgestimmt.

Grafik #2

Von diesem Wissen machen wir jetzt bei dem Gitarren-Volume Gebrauch. Um den Höhenverlust am Ausgang des Volume-Potis zu reduzieren, wird jetzt in der oberen, rein ohmschen Hälfte seines Ersatzschaltbildes eine kleine Kapazität eingelötet. Der Verlust der Höhen lässt sich rein formal nur in einer bestimmten Volume-Stellung exakt kompensieren, aber wir begnügen uns mit einer sinnvollen Reduktion.

Daraus erkennt man auch, dass es dann keine exakte mathematische Dimensionierungsvorschrift bei Volume-Potis geben kann. Häufig geistert in den entsprechenden Foren die „perfekte“ Dimensionierung rum, die gibt es aber leider nicht, sondern höchstens Werte, die anscheinend viele Gitarristen eines Genres anspricht.

Dieser kleine Kondensator (100pF bis 2,2nF), der dem Volume-Poti zwischen Ein- & Ausgang zugelötet wird, tritt in der Praxis meist zusammen mit einem Parallelwiderstand (150k bei der Strat) auf. Diese beiden Bauelemente zusammen heißen „Treble Bleed“-Arrangement.

Grafik #3

…etwas Theorie

Ohne Treble Bleed Arrangement – nachfolgend kurz TBA genannt – wird beim Zurückdrehen des Volume-Reglers auch die Kabelkapazität abgekoppelt, mit der Folge, dass die Betriebsresonanzfrequenz verschwindet und bei kleinen Volumewert-Einstellungen stattdessen die Leerlauf Resonanz erscheint (siehe letzte Folge, Grafik#3).

Diese Betrachtungsweise muss jetzt hier mit dem TBA modifiziert werden. Man erkennt im Ersatzschaltbild, dass ein kapazitiver Weg von der PU-Induktivität über das C des TBA zu der Kabelkapazität existiert.

Diese beiden Cs (formal in Reihe) ergeben eine Ersatzkapazität, die übrigens kleiner als die kleinste Einzelkapazität von Kabel-C und TBA-C ist. Diese Ersatzkapazität bildet in jedem Falle zusammen mit der PU-Induktivität wieder eine wenig bedämpfte Resonanz mit leichter Überhöhung – Grafik #4.

Grafik #4

Jetzt zu dem R im TBA: Dieser ist der oberen Hälfte des Volume-Potis einfach parallel geschaltet und vermindert so die ohmsche Last des PUs bei zurückgedrehtem Volume.

Das hat zur Folge, dass die Resonanzspitze, die sich aufgrund von PU-Induktivität und Ersatzkapazität ausbildet, insbesondere bei kräftig reduziertem Volume eine geringere Überhöhung erfährt, sodass der Ton dort nicht schrill wird.

Die tiefergehende Analyse der komplexen Geschehnisse hier lohnt nicht, die grafische Darstellung ist übersichtlicher und vielsagender.

TBA, Serien-Schaltung Stellenweise wird in den entsprechenden Foren nicht nur die häufig anzutreffende Parallelschaltung von R&C als Treble Bleed propagiert, sondern auch eine RC-Reihenschaltung genannt (130k + 1n).

Fender propagiert seit neuestem diese R+C-Lösung als „Treble Bleed Circuit“ mit Namen „Fender Tone Saver“. Es ist leicht einzusehen, dass diese Lösung zu anderen Ergebnissen führt, denn die rein kapazitive Verbindung von PU-Induktivität zu der Kabelkapazität über die TBA-Kapazität verliert in diesem Falle ihre Gültigkeit.

Man könnte jetzt für einzelne diskrete Frequenzen eine Serien-Parallel-Transformation des Serien TBA durchführen, das ist aber viel Rechenarbeit und lohnt auch nicht. Wir stellen es also wieder als Graphen dar (Grafik #5).

Grafik #5

Man erkennt, dass beim Zurückdrehen des Volume die Resonanzspitze zunehmend verflacht – es bleibt ein „Resonanz-Buckel“. Interessant, denn die Betriebsresonanz ändert hier ihren Wert nicht – im Gegensatz zu der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Parallel-Lösung. Die Reihen-Lösung klingt dann in vielen Ohren etwas ausgeglichener.

Fazit

Man kann nach Sichtung der Kurvenscharen final nicht sagen, welche der beiden propagierten TBAs die akustisch bessere wäre, einzig lässt sich feststellen, dass die Parallel-Lösung bei zurückgedrehtem Volume die brillantere ist, denn es bleibt eine Resonanzüberhöhung bestehen, die über der üblichen Betriebsresonanz bei max aufgedrehtem Volume liegt.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Im Test: Jackson American Series Soloist SL3 +++ Maybach Little Wing +++ Taylor 514ce V-Class +++ Sandberg California II TT BassTheWorld +++ Blackstar Amped 1 +++ British Pedal Company Dallas Rangemaster +++ Ashdown ABM 600 & 410H +++ Höfner 500/1 63 Artist +++ Source Audio Atlas

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Beitrag stammt aus der November-Ausgabe 2018. Für die folgende Ausgabe, das müsste ja dann die Dezember-Ausgabe 2018 sein, wird eine Treble-Bleed-Schaltung für Les Pauls in Aussicht gestellt. Leider ist dieser Beitrag bis heute (März 2019) nicht erschienen… sehr schade.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo Andreas,
      die Heftartikel werden in regelmäßigen Abständen online gestellt.
      Der Beitrag zur Treble-Bleed-Schaltung für Les Pauls folgt also demnächst. Wir bitten um noch etwas Geduld, vielen Dank!
      Grüße aus der Redaktion!

      Auf diesen Kommentar antworten
      1. Ist denn der besagte Beitrag zur treble bleed Schaltung bei Les Pauls mittlerweile überhaupt irgendwo erschienen?? Der ist weder in Heften noch online zu finden…
        Vielen Dank und Beste Grüße!
        Dennis

        Auf diesen Kommentar antworten
        1. Hallo Dennis, du hast recht – der angekündigte Beitrag ist damals aus organisatorischen Gründen leider nicht zustande gekommen.

          Grüße aus der Redaktion!

          Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren