Extended Range Guitars

Digitale Amps: Vom Studio auf die Bühne

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Wir haben uns ja schon mit dem Thema digitale vs. analoge Amps zum Verstärken von Extended-Range-Gitarren beschäftigt, aber heute konzentrieren wir uns mehr auf die Studioanwendungen digitaler Amps.

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Welche Möglichkeiten es heutzutage gibt, schnell, günstig und einfach Gitarren einzuspielen und warum digitale Amps besonders gut mit tiefen Tunings harmonieren, könnt ihr in diesem Teil der Extended Range Kolumne nachlesen.

Besonders interessant ist auch die Frage, ob sich die im Studio erzeugten, digitalen Sounds auch live problemlos reproduzieren lassen und welche Alternativen es zwischen rein digitalen und analogen Verstärkern gibt.

die zeiten haben sich geändert …

Diejenigen unter euch, die schon etwas länger aktiv Musik machen und aufnehmen, werden sich noch an Zeiten erinnern können, in denen wirklich kein Weg an einem professionellen Tonstudio vorbei führte. Der Röhrenamp wurde mitsamt der restlichen Band-Backline ins Studio geschleppt, alles wurde mikrofoniert und der Engineer saß hinter einem großen Mischpult, um euch für mehrere 100 Schleifen am Tag dabei zuzusehen, wie ihr versucht eure Gitarrenparts in möglichst kurzer Zeit möglichst sauber und tight einzuspielen. Und Zeit ist bekanntlich Geld! Daran hat sich bis heute streng genommen nicht viel geändert. Das ist zumindest die halbe Wahrheit. Diese Studios existieren natürlich noch immer und sie machen nach wie vor einen exzellenten Job. Für manch eine Band und bestimmte Musikstile sind sie auch noch immer kaum wegzudenken. Alternativ dazu gibt es mittlerweile allerdings eine ungeheure Menge an digitalen Recording-Lösungen, die oftmals so erschwinglich sind, dass man sich mit ein bisschen Erspartem sein eigenes kleines Studio-Setup im Schlafzimmer ein
richten und damit wirklich amtliche Ergebnisse erzielen kann.

Besonders wir Gitarristen sind in dieser Hinsicht verwöhnt. Angefangen von reinen Software-Amp-Simulationen wie dem Urgestein PODFarm, Positive Grid BIAS oder Guitar Rig, gibt es auch diverse digitale Hardware-Lösungen. Auch in diesem Segment waren Line 6 mit dem Ur-POD Wegbereiter. In den letzten Jahren hat sich besonders das Axe-FX bei modernen Gitarristen im Extended-Range-Sektor etabliert … und die Herren von Kemper haben den Markt mit ihrem Profiler sogar geradezu revolutioniert.

Beide Varianten – reine Software-Lösungen sowie digitale Preamps – haben ihre Vorteile. Die Software ist meistens vergleichsweise günstig, sehr umfangreich, kommt mit diversen Effekten und Sound-Shaping-Optionen und ist darüber hinaus zumeist äußerst intuitiv zu bedienen. Ein in der Regel sehr bildhaftes Design und Layout, welches sich stark an den physischen Vorbildern orientiert, hilft dabei sich schnell zurechtzufinden. Für einen Rectifier-ähnlichen Sound wird man im Interface einer Software-Lösung also zumeist ein Rectifier-ähnliches Abbild eines Verstärkers vorfinden. Dazu kann man bei den meisten Plug-ins verschiedene Cabs und Speaker ausprobieren, zwischen einigen Mikrofonen wechseln und diese im Raum hin und her bewegen. Diese Technologie steckt also längst nicht mehr in den Kinderschuhen und das Vorurteil, dass digitale Gitarrensounds grundsätzlich vollkommen undynamisch und „fake“ klingen, ist mittlerweile längst überholt. Auch wenn das sicher noch nicht bei jedem angekommen ist …

Die großen Brüder der Software-Amp Simulationen, also die digitalen Preamps, werden in der Anschaffung zum Teil natürlich deutlich kostspieliger. Während man im Software-Segment teilweise für unter € 100 schon richtig amtliche Plugins kriegen kann, geht es im Hardware-Bereich ab ca. € 500 los und kann bis jenseits der € 2000 kosten. Das Axe-FX XL II + kostet im heimischen Handel beispielsweise satte € 2699 und ist damit deutlich teurer als der wirklich geniale Kemper Profiling Amp, mit dem man immerhin tatsächliche Röhrenverstärker authentisch „klonen“ kann. Was all diese Geräte darüber hinaus gemeinsam haben ist ihre Live-Tauglichkeit. Die nötigen Ausgänge direkt zum Mischpult sind genauso vorhanden, wie Anschlussmöglichkeiten für Poweramps. Ein digitales Rig kann also wie ein klassisches Amp-Setup mitsamt Full Stack auf die Bühne gestellt werden und einem die Hosenbeine flattern lassen.

Einige der digitalen Preamps kommen zwar mit einer dazugehörigen Software, die den Prozess des Tone-Shapings und Tweakens vereinfachen soll, aber grundsätzlich sind reine Amp-Modeling-Plugins definitiv etwas einfacher zu bedienen. Wer sich ans erste Mal Tweaken am Axe-FX erinnern kann, wird mir beipflichten können: Das Gerät ist unfassbar komplex und die hakelige Bedienung in Verbindung mit den unzähligen Untermenüs und dem kleinen Front Display ziemlich mühselig. Allerdings kommt das Gerät mitsamt Software – man ist also immerhin nicht gezwungen, alles am Gerät selbst zu erledigen. Der Kemper-Amp hat mich hingegen mit seiner intuitiven Bedienung und übersichtlichen Menüführung von Anfang an überrascht. Das Amp-ähnliche Front-Panel-Layout erleichtert die Orientierung ungemein und man findet sich schnell zurecht. Wie dem auch sei … es ist alles eine Frage des Budgets und des geplanten Einsatzbereiches. Und machen wir uns nichts vor – viele Extended-Range-Gitarristen sind BedroomPlayer. Wenn das auf euch zutrifft, ihr eure Musik nicht unbedingt auf die Bühne bringen wollt und weitestgehend im Home Studio musiziert und aufnehmt, reicht eine gute Plugin-Amp-Simulation für
die meisten von euch sicherlich aus. Den Schritt zur Hardware sollte man dann machen, wenn man sicher auch live oder im Proberaum spielen möchte. Besonders auf der Bühne macht sich ein aufgeklappter Laptop mit Amp-Simulations-Plugin nicht so gut wie ein verstärkter, digitaler Preamp – auch wenn Steven Carpenter von den Deftones zur ‚Diamond Eyes‘-Tour eine Zeit lang mit einem Macbook und Guitar Rig unterwegs war. Für mich wäre das nichts … und es wird wohl einen Grund haben, warum sich dieses Setup bei ihm auch nicht lange gehalten hat.

Meine eigene digitale Ton-Reise führte mich von einem Line-6-Top über den POD X3 Live, den ich zunächst mit einem Rocktron-Transistor-Poweramp und später mit der Endstufe eines Peavey 5150 verstärkte, bis hin zu einem Kemper Profiling Amp vor einer Engl Röhrenendstufe. Letzteres ist natürlich streng genommen etwas doppelt gemoppelt, da der Kemper beim Erstellen der Profile bereits die Endstufen-Charakteristik des Röhrenamps der Wahl mit klont, aber in der Praxis haben sich dadurch keinerlei Nachteile ergeben. Im Gegensatz dazu ist mein alter POD X3 Live mithilfe der Endstufenröhren eines 5150 aber erst so richtig aufgeblüht. Ich wage es kaum das zuzugeben, aber das finale War From A Harlots Mouth Album ‚Voyeur‘ habe ich damals im Home-Studio mit PODFarm eingespielt. Live konnte ich den Sound mit der Hardware Version des PODs 1 zu 1 reproduzieren, abgeschmeckt mit einer extra Prise Biss dank Röhrenverstärkung. Das hat dann doch sehr viel Spaß gemacht und vor allem Sinn ergeben.

Diese Kompatibilität zwischen Software und Hardware findet man sonst nicht wahnsinnig oft. Positive Grid haben kürzlich zwar den BIAS Head – der ausgezeichnet mit der Software zusammenarbeitet – auf den Markt gebracht, aber weder das populäre Axe-FX, noch der Kemper Profiler haben reine Software-Plug-in-Pendants. Digitale Preamps lassen sich aber natürlich trotzdem einwandfrei im Studio benutzen. Das Axe-FX kann via USB direkt als Interface betrieben werden. Zwischen Kemper und Computer muss man zwar noch ein externes Interface platzieren, aber auch mit diesem ist digitales und verlustfreies Direct Recording möglich – S/PDIF sei Dank! Und im Gegensatz zu Software Plug-ins haben Hardware-Lösungen integrierte Prozessoren und belasten die Performance eures Studio-Computers demnach kaum.

best of both worlds

Aber gibt es eigentlich zwischen reinen Digital- und AnalogLösungen noch eine Alternative? Eine Schnittstelle zwischen beiden Welten? Die gibt es in der Tat! Stellt euch vor, ihr könntet selbst im kleinsten Home Studio unter enormem Platzmangel problemlos mit einem Röhrenverstärker aufnehmen – und zwar ohne dass der Omi nebenan das gute Porzellan aus der Vitrine fällt.

Möglich wird das durch das geniale Two Notes Torpedo Live – eine Loadbox mit integrierten, wirklich hochwertigen GuitarCab-Simulationen. Ihr müsst lediglich einen Verstärker eurer Wahl ans Torpedo Live anschließen, das Gerät digital oder analog mit eurem Interface verbinden und ab geht es! Der unschlagbare Vorteil ist, dass ihr so einen absolut authentischen Röhrensound auf eure Aufnahme bannen könnt, ohne dabei auf Studio-Räumlichkeiten und -Equipment zurückgreifen zu müssen. Das Torpedo Live kommt mit zwei Plug-ins, die die Auswahl der Cabinets und Mikrofone noch leichter machen und im Gegensatz zum Display an der Hardware selbst natürlich viel anschaulicher visualisieren, was man denn an den Parametern so alles verändern kann. Das Mikrofon der Wahl kann auf zwei Achsen bewegt werden, es lassen sich zwei verschiedene Cabinets gleichzeitig betreiben und selbstverständlich miteinander mischen und es gibt sogar eine Röhrenendstufen-Simulation mit mehreren verschiedenen Röhren zur Auswahl. Solltet ihr also einen Transistor-Amp zu Hause haben, lässt sich diesem auch noch ein bisschen Röhren-Feeling unterjubeln. Die Möglichkeiten sind also wirklich umfangreich und machen das Two Notes Torpedo Live zu einer absoluten Allzweckwaffe für den Gitarristen im Studio. Darüber hinaus kann man das Gerät natürlich auch live benutzen, um zum Beispiel ein direktes Signal mit Speaker-Simulation ans Mischpult zu schicken. Auch so kann man sich Mikrofone auf der Bühne sparen!

fazit

Der eine oder andere wird jetzt vielleicht sagen, dass er heute nichts gelernt hat, das nicht auch für Gitarristen mit sechssaitigen Gitarren gilt. Das ist zwar korrekt, aber das Thema Home Recording ist in der Extended-Range-Szene seit jeher heiß diskutiert und von großem Interesse. Das mag daran liegen, dass sich beides recht parallel zueinander entwickelt hat. Die ersten jungen Extended-Range-Gitarristen, die bereits zu MySpace-Zeiten auf sich aufmerksam machen konnten, haben überwiegend auf digitale Lösungen zurückgegriffen, um ihre kreativen Ergüsse schnell, einfach und preisgünstig zu veröffentlichen.

Und diese Entwicklung ist durchaus nachvollziehbar. Meiner Erfahrung nach kann man als Extended-Range-Player mit Plug-ins und digitalen Preamps wirklich sehr gute Ergebnisse erzielen. Unter anderem ist das Low End bei Amp-Simulationen oft von Hause aus etwas tighter als bei einem tatsächlichen Amp, ob
nun Tube oder Solid State. Die zusätzliche Möglichkeit, Overdrives, Noisegates, detaillierte EQ-Kurven und mehr in den Gitarren-Sound integrieren zu können – und zwar ohne haufenweise Stompboxes kaufen und vor den Amp hängen zu müssen – ist ein Vorteil, der Software- und Digital-Hardware-Lösungen zu wirklichen Allzweckwaffen macht.

Sich für das richtige Plug-in oder den passenden digitalen Preamp zu entscheiden kann aufgrund der Fülle von Angeboten schwierig sein. Im Mittelpunkt sollte bei der Kaufentscheidung in erster Linie der Anwendungsbereich stehen. Wer nicht live spielt, muss nicht unbedingt über € 2000 für ein Axe-FX ausgeben und kann mit einem guten Plug-in vielleicht schon sehr gute Ergebnisse erzielen. Der Vorteil von Hardware-Lösungen liegt allerdings auf der Hand: Der Einsatzbereich ist um ein vielfaches flexibler und kann im kleinen Home Studio genauso wie auf der Festivalbühne professionelle Ergebnisse erzielen.

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