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Blues Bootcamp: Stevie Ray Vaughan

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Greetings and salutations, my dearest Blues Friends! Na, was geht ab bei euch? Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit der letzten Episode über den Gitarristen Josh Smith und einige seiner Konzepte. Erfreulicherweise gefällt offensichtlich vielen Lesern die Variante der letzten Episoden vom Blues Bootcamp, in denen ich etwas näher auf einzelne Gitarristen eingegangen bin.

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Danke für die Zuschriften dazu. In diesem Zusammenhang waren auch einige Themenwünsche dabei. Dabei fiel der Name Stevie Ray Vaughan am häufigsten. Daher geht es in dieser 40. Episode um den legendären texanischen Bluesgitarristen, dessen viel zu früher Tod sich dieses Jahr zum 35. Mal jährt.

WER WAR DIESER STEVIE RAY VAUGHAN?

Ein Aufschrei der Trauer ging durch die Gitarristengemeinde, als am Morgen des 27. August 1990 bekannt wurde, dass in der Nacht zuvor der wohl größte weiße Bluesgitarrist aller Zeiten bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Wie kein anderer Gitarrist zuvor hatte SRV seine Einflüsse, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, genommen, weiterentwickelt und sich in wenigen Jahren einen Platz in der Liga der wichtigsten Gitarristen des letzten Jahrhunderts erspielt.

Sein Durchbruch gelingt ihm 1983 als Sideman bei dem von Nile Rodgers produzierten „Let’s Dance” Album von David Bowie, dessen Welterfolg ihn und sein im selben Jahr erschienenes Debütalbum ‚Texas Flood’ in aller Munde bringt. Der Legende nach sollen Rodgers und Bowie ihn auf einer Party in New York den Rolling Stones ausgespannt haben, mit denen er ursprünglich auf Tour gehen sollte.

Praktisch über Nacht und in einer Ära, in der es in der Gitarren-Szene eher um das Shredden geht, wird aus dem texanischen Geheimtipp ein Weltstar. Die Schattenseite bekommen zuerst nur Freunde mit: Geplagt vom permanenten Tour- und Aufnahmestress, ist er einige Jahre schwer drogen- und alkoholabhängig.

Bevor er sein für viele Fans bestes Album ‚In Step’ aufnimmt, unterzieht er sich 1989 einem Entzug und präsentiert sich in einem völlig neuen Licht, mit vielen Plänen für die Zukunft. In diesem Zusammenhang erscheint es wie ein Wink des Schicksals, dass wenige Wochen vor seinem tragischen Tod bei einem Gig der Hals seiner Hauptgitarre „Number One” durch eine herabstürzende Lichttraverse völlig zerstört wird.

Nach seinem Tod und mit dem im selben Jahr erscheinenden ‚Still Got The Blues’ von Gary Moore sowie Robben Fords ‚Talk To Your Daughter’-Album startet zu Anfang der 1990er-Jahre ein regelrechtes Blues-Revival. Es bringt viele unerwartete Veröffentlichungen und stilistische Neuorientierungen von Gitarristen, die eigentlich durch andere Genres bekannt sind, hervor. Besonders erwähnenswert finde ich ‚Dog Party’ von Scott Henderson und die ersten beiden Alben von Michael Landaus Band Burning Water.

PERSÖNLICHE EINFLÜSSE

SRV ist immens durch Gitarristen wie Albert King und Jimi Hendrix geprägt. Er ist eigentlich die perfekte, moderne Symbiose ihrer stilprägenden Elemente. Will man in den SRV-Style einsteigen, ist es daher eine sehr gute Idee, sich auch intensiv mit diesen beiden Künstlern auseinanderzusetzen und schlichtweg einfach so gut es geht zu imitieren. Darüber hinaus sind es weitere Interpreten des Texas-Blues wie T-Bone Walker und Buddy Guy, die SRV in jungen Jahren prägten.

EQUIPMENT UND SOUND

Wie kaum ein anderer Gitarrist, hat SRV den Geschmack und die Auffassung, wie ein guter, echter Blues-Gitarren-Sound zu klingen hat, bestimmt. Viele Jahre war es quasi Pflicht, eine Strat über einen Tube Screamer in einen oder mehrere Fender Amps zu spielen, wenn man „amtlich” und echt nach Blues klingen wollte. Ob es dabei unbedingt immer hochpreisiges Vintage-Equipment sein muss – wahrscheinlich nicht. Aber es könnte durchaus helfen.

In diesem Zusammenhang kommen auch immer wieder verschiedene Diskussionen auf: Dicke vs. dünne Saiten, hohe Bünde vs. flache, hohe Saitenlage vs. bequem … Ohne jetzt die gefürchtete Dose voll Würmer aufmachen zu wollen – hier sind meine persönlichen Ansichten zu diesen Themen:

SRV hatte für seine restliche Statur eher überdimensional große, kräftige Hände, was einfach schon mal − alleine durch die Körpermasse − anders klingt, als wenn man sehr dünne, filigrane Finger hat. In Phasen seiner Karriere, die stark durch Drogenkonsum geprägt waren, hat er Saitenstärken von .015 – .072 gespielt, was trotz Eb-Tuning absurd hart und eigentlich nicht wirklich spielbar ist.

Die eigene Anatomie und auch der Stil bestimmen die Stärke, die man spielen kann und auch langfristig körperlich verträgt. Es ist KEINE Schande, dünne Saiten zu spielen, wenn es die Hände nicht hergeben.

Es gibt viele Gitarristen, die auch mit dünnen Saiten sehr gut klingen (Brian May, Eddie Van Halen, Billy Gibbons, Steve Lukather, BB King, Albert King und VIELE mehr). Dünne Saiten haben einen schnelleren Rebound und sind einfach sensibler im Handling und erfordern etwas mehr Fingerspitzengefühl.

Der Punkt ist ja, durch den Anschlag die Saite zu einer gewissen Reaktion und dem damit verbundenen Klang zu bringen. Manche Player schaffen das nur mit dünnen Saiten, andere brauchen dafür dicke Saiten, weil sie sonst wegen zu viel Kraft die Saite aus der Stimmung dreschen würden.

Das Gleiche gilt für die Bundhöhe. Jumbo-Bünde klingen definitiv anders als flache Bünde. Sie erfordern ein sehr präzises und wohldosiertes Greifen exakt vor dem Bundstäbchen, sonst sind Intonationsprobleme vorprogrammiert. Greift man exakt an dieser richtigen Stelle, ist der produzierte Ton übrigens überraschend voller. Mehr Bass und einfach mehr Substanz im Ton. Das macht so einen großen Unterschied!

Zum Thema Saitenlage – ich mag es gerne flach. Ich mag auch flachere Bünde lieber als hohe und habe eher Hände für .009er-Sätze. Alles andere geht mir einfach auf die Knochen. Entscheidender als das Material ist meiner Meinung nach der Punch, der aus der rechten Hand kommt.

HART ANSCHLAGEN – WEICH GREIFEN

Was uns zu einem interessanten Punkt bringt: Irgendwie gibt es eine ungewollte Verbindung zwischen der rechten und der linken Hand. Unwillkürlich greift man mit links automatisch fester, wenn man mit rechts richtig Gas gibt. Das ist eigentlich nicht gut und nebenbei bemerkt auf vielen Ebenen eher von Nachteil: Schmerzen in der Hand, hoher Verschleiß an den Bünden, suboptimale Geschwindigkeit … Und es klingt garantiert NICHT besser, wenn man links zu hart greift.

Hier ist eine kleine Übung die das korrigieren kann:

Schritt 1: Spiele eine beliebige Tonfolge, in unserem Fall ist es ein Ausschnitt aus der Durtonleiter (Beispiel 1a). Wie viel Kraft wendest du auf, damit die Töne kommen, bei maximaler Anschlagsstärke?

Schritt 2: Nimm die gesamte Kraft aus der Hand, so dass man anstelle der Töne nur ein „Plöck” hört (Beispiel 1b). Weiterhin maximal hart anschlagen!

Witzig wie sich das anfühlt, oder? Schritt 3: Gib nun in kleinen Schritten etwas mehr Druck auf die linke Hand, auch z.B. dadurch, dass du den linken Arm minimal näher an den Körper bringst.

Weiterhin maximal hart anschlagen. Wann kommt der Ton? Wie viel Kraft ist wirklich nötig? Wie viel Unterschied im Kraftaufwand zu Schritt 1 spürst du? Und dann einfach immer wieder diese Schritte wiederholen.

CHARAKTERISTISCHE STILELEMENTE

Wie schon bei den Künstlern der letzten Episode, lässt sich der Gitarrenstil von SRV nur sehr schwer in dem hier vorhandenen Platz und in nur einem Solo darstellen. Fangen wir mal bei Aspekten an, die vollkommen unwichtig sind: Was das verwendete Tonmaterial betrifft, bleibt es bei SRV eigentlich fast ausschließlich bei der guten, alten Blues-Skala, vorrangig in diesen beiden Fingersätzen (Beispiel 2).

Dabei startet er fast immer mit dem ersten Pattern und rutscht direkt in die obere Lage − siehe auch Beispiel 3a. Ich sage gerne, dass SRV nicht mehr tonale Optionen benötigte, weil er einfach so unfassbar expressiv gestalten konnte.

Den ganzen anderen heißen Scheiß der letzten Monate brauchen wir diesmal also nicht. Mal davon abgesehen, dass es sowieso fast unmöglich ist, wie er zu klingen, liegt der Schlüssel − zumindest feelingmäßig in die gleiche Richtung zu spielen − darin, ziemlich ungeschliffen und temperamentvoll mit der Gitarre umzugehen.

Also Einzelnoten auch gerne mal aus dem ganzen Arm anschlagen und nicht nur galant mit minimalen Bewegungen. Das bedeutet natürlich, dass man sich sehr ums Abdämpfen mit der linken Hand kümmern muss, aber irgendwas ist halt immer …

Die Art und Weise wie SRV Saiten zieht, ist sehr stark von Albert King beeinflusst (der übrigens .009er-Saiten auf C# runtergestimmt gespielt hat). Man findet viele mikrotonale Bendings, die eine Blues-Skala zum Leben erwecken und die insgesamt ja für den Blues stilprägend sind.

Einfach mal auf jeder Note ausprobieren, nicht nur wie gewohnt bei der kleinen Terz. Abgesehen davon sind es natürlich die „Big Bends” von bis zu zwei Ganztönen, die typisch für SRV sind. Ganz besonders gut kann man das bei dem Titelsong seines Debütalbums ‚Texas Flood’ hören. Auch sein weites, schnelles Vibrato und dieser fast gewalttätige Anschlag sind bei diesem Song besonders eindrucksvoll.

Hier sind ein paar sehr typische Slow-Blues-Licks im Stile von ‚Texas Flood’. Dran denken – maximale Anschlagshärte rechts (Beispiel 3 a – d)!

WAS KANN MAN VON STEVIE RAY VAUGHAN LERNEN?

It’s not what you play – it’s how you play it. So könnte man vielleicht den Spielansatz von SRV auf den Punkt bringen. Ganz nüchtern betrachtet, verfügt er definitiv nicht über ein sehr ausladendes Repertoire an Licks und Lines. Ähnlich wie das Grundvokabular der ganzen Stilistik Blues überschaubar ist, im Vergleich mit anderen Stilistiken wie Jazz oder Rock, und sich eigentlich in den letzten 50+ Jahren nicht substanziell verändert hat.

Aber die Gestaltungsmöglichkeiten dieses überschaubaren Vokabulars sind einfach fast unendlich. Und das macht auch das Spiel von SRV so attraktiv, weil er es einfach versteht, aus einer Handvoll Licks durch sich immer wieder leicht verändernde Gestaltung das Maximale rauszuholen.

Klar kann man im Blues so ziemlich jedes theoretische, noch so abgehobene Konzept anwenden und finden, und das ist ja auch gerade das Tolle an ihm. Aber – man muss es nicht. Das zeigt SRV eindeutig. Das Solo für diesen Monat (Beispiel 4) ist ein Double Feature. Ein Chorus Rhythmusgitarre und ein Solo-Chorus für einen etwas schnelleren Texas Blues in E.

Zur Rhythmusgitarre ist zu sagen, dass in der Regel alle hörbaren, gespielten Noten Abschläge aus dem ganzen Arm angeschlagen sind. Alle Ghost Notes sind Aufschläge. Das Solo enthält jede Menge kleiner Blues-Perlen, die man so oder so ähnlich in vielen SRV-Soli finden kann. Zusammen mit den Licks aus Beispiel 3 hat man schon mal einen ganz guten Grundstock an SRV-Licks.

Dran denken – hart anschlagen, weich greifen.

So viel für diesen Monat und Episode 40 vom Blues Bootcamp. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer. PS: Die korrespondierende Spotify-Playlist ist übrigens auch mal wieder gefüttert worden.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2025)

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