Till & Tone: Neugierig bleiben!

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Joey Landreth (rechts) und ich

Neulich rief mich mein Freund Dan an. Er baut unter dem Namen DanDrive unglaublich gute Overdrive und Fuzz-Pedale, die hauptsächlich in Amerika, Asien und Europa gekauft werden. Zu seinen Kunden gehören u.a. Doyle Bramhall der Viertel vor Zwölfte (Sorry, den musste ich machen!), Ariel Posen und der ebenfalls unglaubliche Slide-Virtuose Joey Landreth von den Landreth Brothers. Ich habe immer eins von den zwei Custom ‚Tweedy‘-Pedalen, die Dan speziell für mich angefertigt hat, auf meinem Board. Für mich die besten Pedale, wenn man den legendären Fender Tweed-Sound der 50er-Jahre mit Pedalen rekreieren möchte. Dazu aber mehr in einer anderen Kolumne.

Wie immer redeten wir nicht nur über Gear und Sounds, sondern auch über unseren Alltag als Familienväter, bevor er mir in einem Nebensatz erzählte, dass sein guter Kumpel Joey Landreth demnächst vorbeischauen würde, um eine limitierte Anzahl seines DanDrive Signature Fuzz-Pedals, die ‚Bonk Machine‘, zu signieren. Ich war sofort Feuer und Flamme – diesen fantastischen Musiker, Sänger und Gitarristen verfolge ich schon etwas länger und wollte ihn unbedingt kennenlernen, da uns zwei Dinge verbanden: Unsere Begeisterung für Lowell George und Little Feat! Gesagt, getan.

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DanDrive Bonk Machine

LOWELL GEORGE

Also machte ich eines schönen Sonntags auf den Weg in den rauen Norden, um in Dans Soundlabor auf Joey zu treffen. Auf der Fahrt hörte ich meine Little-Feat-Playlisten und ließ noch mal alles, was ich über den Musiker und Gitarristen Lowell George, den charismatischen Litte-Feat-Gründer wusste, Paroli laufen – um es mit Fußball-Legende Horst Hrubesch zu sagen. Schließlich wollte ich mich vor Joey nicht blamieren. Immerhin geht es um Lowell George, dessen Slide-Spiel und großartiger Gesang Inspiration nicht nur für Joey, sondern auch für Bonnie Raitt, Robert Plant und viele andere Stars war. Einige Anekdoten hatte mir früher schon mein lieber Freund Peter „Mr. Rockpalast“ Rüchel zu seinen Lebzeiten noch persönlich erzählt. Zum Beispiel die Story, dass Lowell live nicht gerne sang und gleichzeitig Gitarre spielte.

Dazu äußerte sich Mr. George so: „Frank Sinatra doesn’t play anything when he sings!“ Strike! Dieses Bonmot bestätigte später auch der zweite Little-Feat-Gitarrist Paul Barrere. Für alle Slide-Junkies, die wissen wollen, wie George seinen Trademark-Sound schuf, kommen hier ein paar Ingredienzen: Eine hauptsächlich in Open-A gestimmte Fender Stratocaster mit Telecaster-Pickup in der Bridge, hohe Saitenlage und Flatwound-Saiten, dazu einen Dumble-Amp (Fender tut’s auch, falls das Budget von der Bank oder der Ehefrau nicht bewilligt wird…) und zwei Kompressor-Pedale hintereinander, auch wenn das rauscht wie Hulle! Aber Kompression ist nun mal das wesentliche Sound-Merkmal von Lowell George, er wollte einen hohen, singenden und klaren Sound mit endlosem Sustain. Dazu benutzte er einen stinknormalen 16er-Metall-Steckschlüssel aus dem Werkzeugkasten als Slide. Ein genialer Typ, dieser charismatische Rock’n’Roll Doctor!

JOEY LANDRETH

Joey Landreth, dem ich nach endloser Autofahrt dann im DanDrive-Hauptquartier gegenübersaß, ist ebenfalls ein genialer Gitarrist. Anfangs sprachen wir viel über Little Feat, dann fragte ich ihn, wann er zum ersten Mal einen Gitarrensound gehört hatte, der ihn sprachlos gemacht hat. Seine Erinnerung und Begeisterung war sofort angeschaltet: Joeys Vater, ebenfalls Musiker, hatte für ein Album eine weitere Slide-Ikone gebucht: Sonny Landreth, weder verwandt noch verschwägert. Der gute Sonny schnappte sich eine Strat und stöpselte sie direkt in seinen Amp, einen Fender „Red Knob“ Twin Reverb, besser bekannt auch als „Evil Twin“. Diese Amps waren in den 80ern so beliebt wie eine Tafel Ritter Sport Blutwurst-Marzipan, wobei das oftmals nicht am Sound lag. Nein, dieses Clean- & Gain-Monster ist mit ca. 36kg für normale Menschen nur mit einem Krankengymnastik-Rezept vom Orthopäden genießbar… oder ihr engagiert Ralf „Gladiator“ Möller als personal Roadie.

Joey Landreth signiert Labels für Bonk Machines

Jedenfalls war der junge Joey von Sonny Landreths Sounds so angetan, dass er sich auch der Slide-Gitarre verschrieb. Als Kind hatte sein Vater die Kinder mit Steely Dan, John Scofield, Ry Cooder und vor allem mit Little-Feat-Musik kontaminiert. Dazu Joey: „Als Kind mochte ich Little Feat gar nicht so sehr, erst später, zu Beginn meiner Profikarriere, als mir immer mehr Leute sagten ‚Du singst und spielst wie Lowell George‘, merkte ich, wie die Saat meines Vaters aufgegangen war, ohne dass ich es gemerkt hatte. Und von da an habe ich diese Musik geliebt, aber auch alles getan, um anders zu klingen als meine Heroes Lowell oder Ry Cooder. Ich wollte unbedingt meinen eigenen Sound an den Start bringen, und die Reise, die damals begann, hat bis heute nur eine Überschrift: Neugierig bleiben! Nicht in Routine erstarren!“

Es gibt Musiker, die unternehmen alles, damit Ihr Equipment immer gleich klingt: Spannungswandler garantieren zum Beispiel, dass der Amp auf Tour immer mit der exakt gleichen Volt-Zahl versorgt wird, egal was aus der Steckdose der Location kommt. Joey Landreth ist das keksegal: Er steckt seinen Amp-Stecker einfach in die nächste Steckdose, auch wenn da eventuell nur 225 Volt anliegen. Was dann aus den Speakern ertönt, akzeptiert er als Challenge im Guten wie im Schlechten! Seine Pedalboards sind zum Teil monströs, mit mehreren, oft skurrilen Modulations- sowie unterschiedlichen Fuzz-Pedalen. Diese Effekte stellt Joey so ein, dass sie auch wirklich speziell und inspirierend klingen, damit diese quirky Sounds ihn zu neuen Ufern bringen.

SLIDE-SOUND

Mit dieser Einstellung kann ich mich sehr identifizieren – auch ich habe in den letzten 20 Jahren immer wieder aus Neugier mein Gear umgestellt, verkauft und anderes Equipment ausprobiert. Fresh bleiben, immer auf der Suche nach neuen Thrills. Es gibt viele Musiker, die sagen: „Eine neue Gitarre oder ein interessantes Pedal schreiben meistens ein paar neue Songs.“ Natürlich kenne ich auch Musiker, die 40 Jahre lang nur eine Gitarre und einen Amp spielen – warum nicht? Das kann ich verstehen, wenn man bei AC/DC, Status Quo oder den Amigos spielt. One-Sound-Bands. Aber Typen wie Joey Landreth haben nicht nur ihren eigenen Signature-Sound, sie lassen sich auch gerne treiben und von unterschiedlichem Gear anregen.

Apropos Signature Sound: Joey hat seit ca. einem Jahr einen eigenen Two-Rock Amp, den auf 100 Amps limitierten Joey Landreth Signature Head. Ein 100 Watt/50 Watt Alleskönner-Topteil mit Harmonic Tremolo, Bias Tremolo, röhrengetriebenen Spring Reverb etc. – und vermutlich auch mit einer soliden Aufschäumdüse für einen sämigen Latte Macchiato. Das Biest klingt laut Joey superb, egal ob sein Name darauf steht oder nicht. Er persönlich liebt das 100-Watt-Setting, weil der Amp dann einfach nur groß klingt, egal mit wie vielen Tretminen man ihn traktiert.

Aber hier kommt die gute Nachricht für alle, die beim nächsten Gig im kleinen Blues-Club Mumpshausen nicht mit einem 25kg schweren 100-Watt-Topteil für 8000 Euro aufschlagen wollen bzw. nicht können, weil sie gerade knietief im Dispo waten: Joey Landreth klingt auch mit meinem kleinen, etwas günstiger erstandenem 5-Watt-Tweed-Amp mit einem 10“-Speaker exakt wie… äh… Joey Landreth. Das war die größte Lektion dieses bezaubernden Nachmittags. Dieser Typ schnappt sich meine beste Tele, meinen Amp (mit meiner Lieblingseinstellung), dreht an den Tunern (Open E), steckt das Kabel rein und legt los. Und alles klingt überhaupt nicht mehr nach mir, sondern komplett anders, eben nach Joey Landreth!

Joey Landreth mit meiner Tele

Ich wusste gar nicht, dass mein Amp und meine Gitarre solche Sounds abliefern können. Zehn Minuten später drückte er mir die Tele wieder in Standard-Stimmung in die Hand und ich drosch sofort etwas verunsichert in die Saiten, um die Landreth-Geister wieder zu vertreiben… und es klappte zu unserem Erstaunen sofort! Es klang wieder nach Till, darüber mussten wir alle ziemlich schmunzeln.

DanDrive VoCooder

Zum guten Ende probierten wir noch ein neues Prototyp-Pedal von DanDrive namens „VoCooder“. Beim Basteln an einem seiner Pedale entdeckte Dan, dass er dem dreckigen, knarzig-filzigen Tweed-Sound von Ry-Cooder-Songs wie ‚All Shook Up‘ und ‚I Can Tell By The Way You Smell‘ sehr nahe kommt. Ich kann euch jetzt schon berichten, dass das Teil der Hammer ist für alle, die diesen Sound lieben. Zwei Regelknöpfe, mehr braucht der VoCooder nicht, um ein bisschen zu boosten oder einen furiosen, vulkanartigen Tweed-Raucherhusten-Ausbruch zu entfesseln. Genial.

Am Ende waren Joey und ich uns einig: Die wichtigsten Dinge, um einen eigenen Sound zu etablieren, sind Neugier und herauszufinden, wie man die Einflüsse seiner Vorbilder kanalisieren kann, um daraus etwas Eigenes zu machen. Dann ist es auch egal, was man benutzt – denn das, was man hat, klingt dann einfach nach einem selbst. Schön, oder?


Till Hoheneder

geb. 1965, begründete mit seiner Gruppe Till & Obel Anfang der Neunziger die Neue Deutsche Comedy. Heute ist der dreifache Träger des Deutschen Comedypreises ein gefragter Bestseller-Autor, Podcaster, Comedian und Musiker. Seine erfolgreichen Podcasts „Zärtliche Cousinen“ (mit Atze Schröder) und „Musik ist Trumpf“ wurden schon millionenfach gestreamt. Wenn seine knappe Freizeit es zulässt, spielt der leidenschaftliche Sänger & Gitarrist mit seinen Bands „The Slowhand All Stars“ und den „Rockafellers“ auf.

▶ www.till-hoheneder.de


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. „Tolle“ Sache mit den Effekt-Pedalen,-aber faktisch machen die Finger eines Gitarristen/einer Gitarristin immer noch die Musik!

    Wer wirklich daran glaubt,daß ausschließlich Bodentreter Pedale den besten Sound bieten,der scheint leider noch nicht zu wissen,wie traumhaft ein top eingestellter Boutique Vollröhren-Combo Amp ohne Halbleitertechnik mit 40 Watt und 12“ Cannabis T.Rex Emminence Lautsprecher klingen kann!

    Ich hatte vor etwa 10 Jahren das immense Glück einen ehemaligen Fachmann für alte Radio-TV-und Röhrentechnik in Berlin kennenzulernen,der mir seinen selbstgebauten sauber handverdrahteten Vollröhren Gitarren Verstärker aus zahnverleimtem massiven Pinienholz mit Tweed-Bezug und Röhrenbestückung vom Tube Amp Doktor zum Kauf anbot.

    Dieser besagte Fachmann ist heute (leider!) bereits im wohl verdienten Ruhestand,aber er war bis weit über die Grenzen Berlins für seine sehr akkurat klingenden und enorm sauber verarbeiteten Boutique Valve Amps bekannt,die er stets in Eigenregie mit extrem viel Liebe und Herzblut ausschließlich für sehr gute Freunde anfertigte.

    Mit Stolz darf ich behaupten,daß ein guter Vollröhren Combo Amp aus Meisterhand das absolute non-plus-ultra darstellt,und mit keinem anderen Valve Amp aus der seriellen Fertigung zu vergleichen ist.

    Effekt-Pedale spielen für mich persönlich darum heute nur noch eine eher untergeordnete Nebenrolle. Die Ausnahmen: das in Germany von der Manufaktur Vahlbruch gebaute Reverb/Hall Effekt-Pedal mit der schlichten Typenbezeichnung „Pipeline“,-sowie das alte Original Marshall „Guv‘nor“ Distortion Pedal aus massivem Metall (made in Great Britain),das vor kurzem,allerdings in veränderter Technik wieder neu auf dem Markt zu haben ist. Was braucht man da noch mehr an Bodentretern?

    Das war‘s.

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    1. Angus Young hat (vor ca. 100 Jahren) in einem Interview mal gesagt: “jr mehr “Zeug” man benutzt, desto mehr kann schief gehen…” Hab ich mir gemerkt. Ich geh gern einfach mit der Gitarre los und versuche mit dem Amp klar zu kommen, der gerade da ist… Gruß R.

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    2. Klingt gut und kann ich nachvollziehen.
      Wer in einem Kontext spielt, in dem die Lautstärke niedrig sein muss, quasi 0dB Pegel, der muss sich das abschminken und eine total andere Lösung wählen!
      Und die gibt es! 👌

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  2. Joey Landreth muss man sicher nicht mehr vorstellen, wie oft war der schon bei TPS? Vier Mal? Fünf Mal? Habe die Landreth Brothers im November noch im Luxor gesehen und es war wirklich ein tolles Konzert, erster Teil akustisch, zweiter elektrisch. Zudem sehr sympathisch! Überrascht hat mich der Altersdurchschnitt des Publikums, der meiner Vermutung nach ca. 25 Jahre unter dem der G&B-Leser lag (vermute ich einfach mal, aufgrund der anstrengenden Boomer-Kommentare hier – bin selbst Boomer). Fand ich sehr erfrischend.

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