Vor gar nicht langer Zeit erinnerte ich mich an einen TV-Auftritt mit Till & Obel Anfang der 90er-Jahre in München beim ZDF. Dort trafen wir, die jungen, wilden „Musikkabarettisten“ (das Wort Comedian war noch nicht erfunden für deutsche Komiker) auf die Jule-Neigel-Band. Der Gitarrist Andreas Schmidt-Martelle, mit dem ich heute noch freundschaftlich verbunden bin, erwähnte in der Aufzählung von guten Gitarristen einen gewissen Stefan Stoppok. Den kannte ich zwar vom Namen her, wusste aber nicht, wie sehr ich seine Künste und Songs mal schätzen würde.
1995 hatten wir dann in Wilhelmshaven am Südstrand vor ca. 10.000 frenetischen Till-&-Obel-Fans buchstäblich die Wiese gemäht, die der gute Stefan mit seiner Band dann trotz eines alten, abgerauchten Vox AC30 noch höllisch gut in die Scheune verbracht hat. Da war ich schon Fan und Stoppoks Musik längst ein ständiger Begleiter – ob im Tourbus oder zu Hause. Mehrfach habe ich ihn noch live gesehen, ab und zu haben wir uns getroffen um zu prüfen, ob man was gemeinsam schreiben könnte. Fast forward: 20 Jahre später, Dezember 2024 nahm ich wieder Kontakt zu Stefan auf. In unserem Podcast Musik ist Trumpf, der von Gitarre & Bass präsentiert wird, hatten Henning (Wehland) und ich des Öfteren ein Loblied über Stoppoks Songs gesungen. Warum ihn nicht gleich einladen für eine Stargast-Folge? Und eine Kolumne müsste ich eigentlich auch mit ihm machen! Gedacht, gesagt, gefragt.
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EIN ABEND MIT VOORMANN UND STOPPOK!
Anfang April telefonierten Herr Stoppok und ich zwecks Terminfindung. Beiläufig erwähnte er, dass er am 25.April mit Klaus Voormann in Weilheim (Oberbayern) einen Talk- & Liederabend machen würde, was mich sofort in hysterische Alarmbereitschaft versetzte: WTF? Mit wem? Mit Klaus Voormann, Bass-Ikone, Grammy-Winner, Produzenten- und Grafiklegende? Dem Bassisten von Manfred Mann, Plastic Ono Band, George Harrison, John Lennon, Randy Newman, Carly Simon etc.? Dem Producer der ersten Trio-LP, die für mich zu den besten fünf deutschen Rock-Alben aller Zeiten gehört? Dem Schöpfer des Revolver-Covers der Beatles? Ich war elektrisiert, konnte es nicht fassen. Trocken wie Löschpapier meinte Stefan nur: „Komm’ doch vorbei, wenn du Klaus so toll findest. Ich lad’ dich herzlich ein. Dann können wir uns ja auch mal wieder sehen.“ Also schwang ich mich am 25.4. mit meinem Herzenskumpel Mülli ins Auto und bretterte nach Weilheim.
Voormann und Hoheneder (Bild: Christian Müller)
Dieser Abend sollte noch besser werden, als ich es mir im Vorfeld je hätte träumen lassen. Stefan erwies sich als charmanter Türöffner, seine langjährige Freundschaft zu Klaus Voormann gab uns bei jenem einen kleinen Vertrauensvorschuss – und so durften wir Backstage mit am Esstisch sitzen, was für mich schwer auszuhalten war. Denn ich hätte Klaus am liebsten tausend Fragen gestellt über sein musikalisches Schaffen mit all diesen Rockikonen. Das legendäre Bass-Intro von Carly Simons ‚You’re So Vain‘, sein sparsames, wirkungsvolles Spiel auf dem Plastic-Ono-Band–Album, das Concert for Bangladesh, Toronto Rock and Roll Revival Festival, seine Arbeit mit Dr. John etc. … aber ich habe mich (für meine Verhältnisse) zurückgehalten und aufmerksam zugehört, wenn dieser unglaublich sympathische, bescheidene Mann die eine oder andere Anekdote zum Besten gegeben hat.
VORNAMEN GENÜGEN!
Um sich darüber klar zu werden, in welcher Liga Klaus Voormann musikalisch einzuordnen ist, sollte man sich die Aussage von einem der wohl „most recorded“ Drummer der Welt, Jim Keltner, zu Gemüte führen: „Am liebsten habe ich mit Klaus gespielt.“ Und noch was ging mir durch Mark und Bein, inklusive Hühnerpelle: Wenn Klaus Voormann von John, Eric, George, Paul, Jimi, Mick, Bob oder Chuck erzählt … dann musst du nicht fragen „Jimi wer, Eric who?“. Du weißt sofort, wer gemeint ist. Die Größten der Großen. Vornamen genügen. Unglaublich, oder? Irgendwann bin ich mutig geworden und habe Klaus gefragt, wie sein sparsames und trotzdem so stilsicheres Basspiel auf dem Plastic Ono Band Album entstanden ist. Die Antwort war typisch Voormann: „Wenn du mit Ringo und John (mit Ringo und John!!!! – da wollte ich schon vor Aufregung hyperventilieren) im Studio sitzt, dann hörst du der Musik zu und spielst nur das, was die Songs auch wirklich brauchen und keine Note mehr als nötig! Reduce to the max – oder, wie es so schön heißt: Noch wichtiger als das, was du spielst, ist das, was du nicht spielst!“
Plakat an der Tür des Café Krönner (Bild: Till Hoheneder)
Um 20 Uhr ging es dann auf die Bühne. Die Show, der Musik-Live-Talk von Stoppok und Klaus war ebenfalls ein Hochgenuss. Die Atmosphäre in dem kleinen, wunderbaren Café Krönner war so beseelt wie Stoppoks Performance. Stefan spielte rein akustisch ein paar seiner besten Songs, schon der melancholische Opener ‚Sansibar‘ ging mir für die nächsten zwei Wochen nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin Herrn Stoppok auf ewig dankbar für diesen sensationellen Abend, den ich nie vergessen werde. Bei Klaus habe ich mich später auch noch mal schriftlich bedankt. Seine freundliche, liebe, trocken humorvolle Antwort habe ich ausgedruckt und gespeichert: „Hallo Till, dass ihr so eine lange Reise auf euch genommen habt, weiß ich zu schätzen. Der Abend war toll und ihr wart auch nicht schlecht. Alles Liebe, Klaus.“ Für mich als Künstler, Musikliebhaber, Fan und Musiker kann ich nur sagen: Besser wird’s nicht mehr. Danke, Klaus Voormann.
Soundcheck Stoppok (Bild: Till Hoheneder)
DER MANN MIT DER ORANGEFARBENEN BRILLE
Mitte Mai war es dann endlich soweit. Die „Musik ist Trumpf“-Podcast-Folge mit Stoppok war im Kasten, jetzt fehlte nur noch mein Besuch auf Tour, genauer gesagt auf Teil 3 der „Teufelsküche“-Konzertreise. Ich setzte mich in mein altes 230 Coupé und machte mich auf den Weg nach Billerbeck, um Stefan plus Band ein paar Stunden „unterwegs zu erleben“. Wollte mir den Soundcheck anhören, mit ihm über Gitarren, seine Vorbilder und seine lange Karriere reden. Billerbeck war der zweite Tour-Tag, deswegen waren alle gut drauf und entspannt. Bei einem entspannten Soundcheck klärte die Band letzte Details und Änderungen. Neben Stoppok an der Gitarre stand selbstverständlich sein langjähriger Bassist Reggie Worthy, Multiinstrumentalist Sebel bediente die Gitarre, das Keyboard oder eine echte B3-Hammond (geil!).
Sebel, Stoppok und Worthy (Bild: Till Hoheneder)
Am Schlagzeug trommelte der groovige Leo Lazar und ich war vom Bandsound sofort angefixt. Die Chemie stimmte, dass klang alles kompakt, zusammen und einfach nur richtig. Irgendwann war alles angespielt sowie ausgecheckt: Der Mann mit der orangefarbenen Brille begrüßte mich herzlich und wir gingen zurück auf die Bühne, um sein „Zeuch“ zu begutachten.