Im Interview

Steve Stevens: Der Klangmaler

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(Bild: Bruno Talledo)

In diesem Jahr ist er 66 Jahre alt geworden. Das schönste Geburtstagsgeschenk hat sich Steven Bruce Schneider, besser bekannt als Steve Stevens, zweifellos selbst gemacht: Mit seinem Beitrag zum neunten Album von Busenkumpel Billy Idol – ‚Dream Into It’.

Ein Werk, das wie der kleine Bruder von ‚Rebel Yell’ klingt und Platz 2 der deutschen Charts erreicht hat. Nicht schlecht für ein Duo, das seit 44 Jahren aktiv ist, sämtliche Höhen wie Tiefen der Marke Showbiz er- und vor allem überlebt hat und noch lange nicht ans Aufhören denkt.

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Steve, inwiefern unterscheidet sich die heutige Produktion eines Billy-Idol-Albums von den goldenen 80ern, als es noch große Budgets gab – die auch mit beiden Händen ausgeben wurden?

Für uns ist es – glücklicherweise – gar kein so großer Unterschied. Der einzige ist wohl, dass wir jetzt selbst dafür verantwortlich sind, was wir ausgeben. (lacht) In den 80ern war es eher so, dass wir uns zwar durchaus bewusst waren, wie viel Geld wir verpulvern, aber es hat uns nicht wirklich gestört.

Natürlich, war es befremdlich zu sehen, dass sich Studiobesitzer plötzlich neue Häuser gekauft haben – und sie das offensichtlich uns zu verdanken hatten. Doch obwohl wir heute viel in Heimstudios arbeiten und darin zumindest die Vorproduktion oder auch das Schreiben an sich erledigen, nehmen wir doch weiter in Institutionen wie dem Sunset Sound auf, wo wir auch gemixt haben.

Einfach, weil wir immer noch daran glauben, dass solche monumentalen Studios einen Unterschied machen. Und es ist verdammt schade, dass sie nach und nach verschwinden. Denn diese Orte, an denen so viele ikonische Alben gemacht wurden, haben einfach etwas.

Wenn ihr mich fragt, leben da Geister in den Wänden, die alles mitbekommen haben, was dort passiert ist. Etwa solche Sternstunden als Eddie Van Halen ‚Eruption’ oder etwas in der Art aufgenommen hat. Solche verdammt coolen Momente.

Demnach ist ein voll ausgestattetes Heimstudio, wie du es besitzt, keine wirkliche Alternative? Selbst wenn du dort nach deinem Terminplan und in deinem Tempo arbeiten kannst?

Na ja, ich nehme hier viele meiner Gitarren-Parts auf – oder Songideen, sofern ich welche habe. Aber die meisten Sachen fallen Billy und mir eben ein, wenn wir zusammen in einem Raum sitzen. Nach dem Motto: Zwei Typen mit einer akustischen Gitarre oder einem zusätzlichen Songwriter, die intensives Brainstorming betreiben. Das ist unser Ansatz und der hat sich auch nie geändert.

Also vermisst du die Exzesse der 80er so gar nicht – und wie wild habt ihr es überhaupt getrieben?

Wovon redest du? (lacht) Aber im Ernst: Egal, was wir gemacht haben oder welche Mythen sich darum ranken – die Musik an sich haben wir nie aus den Augen verloren. Sie war immer das, was am meisten gezählt hat – und worauf es in erster Linie ankam.

Deshalb haben wir unglaublich lange und hart daran gearbeitet – über Monate hinweg, ohne Pause. Und dann, wenn sich am Ende einer Woche mal eine kleine Lücke im Terminplan auftat, haben wir uns halt Leute ins Studio geladen, um etwas mit ihnen zu trinken, zu quatschen und sonst wie Spaß zu haben.

Das war wie eine kleine Belohnung für die viele Arbeit. Nach dem Motto: „Lass uns erst den Job erledigen und dann ein bisschen Spaß haben.” Was das betrifft, hatte Billy immer eine gute Arbeitsethik. Und unser damaliger Produzent, Keith Forsey, hat ebenfalls darauf geachtet, dass der Fokus nie zu sehr abschweift. Da kannte er kein Pardon.

‚Dream Into It’ hat wieder mehr vom klassischen Billy-Idol-Sound der 80er. Ist das gewollt – eine bewusste Sache?

Es ist zumindest eine nette, kleine Anspielung darauf – eine Art musikalisches Zwinkern. (lacht) Aber es passt halt auch wunderbar zu den Texten, die Billy für dieses Album verfasst hat und die zum Teil sehr nostalgisch sind – aber auch sagen: „Ich bin immer noch hier – und kann das auch immer noch.”

Billy Idol & Steve Stevens (Bild: Ismael Quintanilla III)

Was Gitarren betrifft: Was spielst du auf dem Album – deine Ciari?

Nein, die nutze ich in erster Linie zum Reisen – es ist ja eine Gitarre zum Zusammenklappen, die prima in meinen Rucksack passt. Es ist ein unglaubliches Teil. Aber im Studio und auf der Bühne nutze ich vor allem Knaggs-Gitarren – mit denen ich auch drei Signature-Modelle entwickelt habe. Die spiele ich eigentlich immer – und ich habe noch richtige Verstärker.

Ganz im Gegensatz zu all den Leuten, die auf Plug-ins schwören, weil das viel einfacher ist. Das mag sein, aber ich bin old school. Zum Aufnehmen müssen es richtige Amps sein und nichts anderes. Einfach, weil sie sich besser anfühlen und ich genau weiß, was ich von ihnen erwarten kann bzw. wie ich damit umgehen muss.

Wie bist du auf Knaggs gekommen?

Ich war früher bei Hamer Guitars und da war mein Ansprechpartner Peter Wolf, der mich jahrelang betreut hat. Als er zu Knaggs gewechselt ist, habe ich mich ihm angeschlossen – einfach, weil ich ihm vertraue. Ich kenne ihn schon genauso lange wie Billy Idol und mag die Tatsache, dass er mein Kumpel ist – auch privat. Wobei ich von den ersten Gitarren, die mir Knaggs geschickt hat, gar nicht so begeistert war.

Ich sagte ihnen: „Das sind zwar nette Teile, aber nicht das, was ich für gewöhnlich spiele.” Also meinten Peter und Joe Knaggs: „Wir können dir alles bauen – sag einfach, was du willst.”

Und genau so war es dann – sie haben das wirklich hinbekommen. Eine kleine Firma mit höchstens zwölf Mitarbeitern. Sie sind in einer alten Fabrik untergebracht und ich mag die Leute, mit denen ich es dort zu tun habe, ich mag wie sie arbeiten und liebe ihre Gitarren. Sie machen mein Leben um vieles leichter.

OK, wenn die Knaggs zuerst nicht das waren, was du normalerweise spielst, was wäre das dann – was macht für dich eine gute Gitarre aus?

Ich bevorzuge einen dickeren Hals – nicht zuletzt, weil ich glaube, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Sounds einer Gitarre durch ihn transportiert wird. Eine Menge Spieler schwören auf dünne Hälse und einen leichten Korpus – genauso klingen sie dann auch. Nämlich einfach dünn. Ich bin ohnehin ein ziemlicher Traditionalist, weil meine erste, richtige E-Gitarre eine Les Paul war. Das ist es, womit ich mich wohlfühle und wovon sich die Knaggs nicht wirklich weit entfernen.

Ich schätze, bei den drei Signature-Modellen, die ich mit ihnen entwickelt habe, haben wir das Design der Gitarren entscheidend verändert und auch verbessert. Und es ist toll, dass mein Name eine Gitarre schmückt. Aber im Grunde ist es auch egal, was darauf steht – ich würde sie allein deshalb spielen, weil sie richtig für mich sind. Und wenn das auch für andere Leute gilt und sie einen Kick dadurch bekommen – umso besser. Die Teile haben Bare-Knuckles-Pickups die wir eigens dafür entwickelt haben.

Und die Ciari ist eine reine Reisegitarre?

Ja, es gibt zwar auch Leute, die sie auf der Bühne einsetzen, aber ich habe sie immer auf Tour dabei. Sie passt direkt unter den Sitz vor mir und ich nutze sie, um in meinem Hotelzimmer zu proben oder neue Song-Ideen zu entwickeln. Dafür ist sie perfekt – und ich bin froh, dass ich so etwas Praktisches in einer derart tollen Qualität habe. Es ist eine echte Gitarre, kein Spielzeug oder Gimmick.

(Bild: Allan Zilkowski)

Würdest du dich als Gitarren-Sammler bezeichnen – und von welchen Dimensionen reden wir? Konkurrierst du mit Steve Vai und seinen über 400 Modellen?

In erster Linie habe ich eine Menge alberner Gitarren aus den 80ern, die ich nie verwende. Sie sind alle eingelagert – was auch besser ist.

„Albern” – in welcher Hinsicht?

Was ihre Farbe betrifft. (lacht) Sie haben eine schrille, bunte Lackierung, die zum Teil richtig wehtut, wenn man sie länger betrachtet. Aber: Ich würde mich selbst nicht als Sammler bezeichnen. Ich besitze zum Beispiel keine Vintage-Les Pauls, Strats oder sonst etwas in der Art. Ich interessiere mich eher für alte Verstärker. Ich habe zum Beispiel sieben Vintage-Marshalls.

Solche Sachen, die mir ein gutes Gefühl geben. Wenn du sie im Studio benutzt und digital aufnimmst – wie das heute jeder tut –, sorgt dieses Oldschool-Gear für ein bisschen Wärme, aber auch für notwendigen Dreck.

Während bei vielen modernen Sachen ja genau das reduziert und entfernt wurde. Was schade ist – das macht es steril und langweilig. Wenn ich nicht zum Marshall greife, benutze ich mein Friedman-Signature-Modell – quasi ein Replikat meines 67er Marshall Plexi, der nicht mehr zuverlässig genug ist, um ihn mit auf Tour zu nehmen. Ich verwende ihn und meine anderen Marshalls immer noch im Studio, aber nicht mehr live. Das wäre zu unsicher.

Wie steht es mit Effekten? Hast du davon so viele, wie man angesichts deines oft futuristisch anmutenden Sounds vermuten würde?

Es sind wirklich einige. Genauer gesagt: Eine ganze Garage voll. Einfach, um alle Sounds abdecken zu können, die mir vorschweben. Und wenn ein Stück nach etwas Bestimmten verlangt, kann ich mich da halt bedienen und schauen, was am besten passt. Deshalb kommen bei den neuen Songs etliche Sachen zum Einsatz. Würde ich das später am Computer erledigen, in dem ich den Klang manipuliere, wäre das nicht dasselbe.

Aber ich repliziere natürlich auch Effekte digital. Es gibt Units, mit denen man den Klang einer Effekteinheit aufgreifen kann – also von Pedals, die ich in meiner Garage finde und gerne für etwas verwenden möchte. Ich benutze Fractal Audio Systems und solche Sachen, was ja nichts anderes als eine moderne Version der klassischen Effekte ist. Momentan befinden wir uns eh in einer spannenden Phase, was Gitarren-Effekte betrifft. Es gibt so viele Anbieter, die all diese klassischen Modelle nachbauen.

Ich würde sogar sagen: Es ist eine großartige Zeit für Gitarristen. Und eine Sache, die mir bei diesem Album besonders wichtig war, bestand darin, nicht zu viele Keyboards zu verwenden. Deshalb meinte ich: „Lasst mich versuchen, möglichst viel mit der Gitarre hinzukriegen – so, dass es wie ein Keyboard klingt.” Da habe ich eine Menge Energie investiert.

Übst du eigentlich noch täglich? Und wärmst du dich vor einer Show zumindest ein bisschen auf oder investierst du – wie z.B. Robert Fripp – da gleich mehrere Stunden?

Ganz so leidenschaftlich bin ich nicht. Aber klar: Ich übe. Warum auch nicht? Das ist mein Job. Also ich setze mich schon jeden Tag ins Studio und probiere irgendetwas aus – und natürlich spiele ich ein bisschen bevor ich auf die Bühne gehe. Nur: Wenn man auf Tour ist und jeden Abend zwei Stunden abreißt, sorgt allein das dafür, dass du ganz schnell in Top-Form kommst.

Es gibt aber auch Kollegen wie Adrian Belew, die bewusst nie üben, um möglichst frisch zu klingen, was ihr Spiel betrifft. Was hältst du davon?

Das ist ein weiterer Ansatz – aber halt nicht meiner. Für Billy Idol Gitarre zu spielen, ist eine sehr physische Sache. Das beginnt schon beim allerersten Probentag, wenn wir ein paar von diesen Generation-X-Stücken spielen. Da denken die Leute: „Ach ja, Punk-Rock.” Dabei sollten sie sich mal vor Augen führen, wie diese Sachen gespielt werden müssen – eben mit unglaublich viel Power. Und die aufrecht zu halten, ist gar nicht so leicht.

Also, wenn man zum Beispiel einen Sex-Pistols-Song so rüberzubringen versucht, wie er gemeint ist, ist das richtig harte Arbeit. Und um das hinzukriegen, muss man körperlich fit sein. Einfach, weil das eine echte Trainingseinheit ist. (lacht)

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2025)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Steve Stevens ist ohne Frage ein echter Gitarrenvirtuose der ersten Güte!
    Besitze auch seine Audio-CD mit wundervollen Spanish-Flamenco Songs.

    Billy Idol und Steve Stevens sind für mich das absolut harmonische Duo der Rock Musik! Hier stimmt einfach jeder Ton! Und das seit ihren Anfängen!

    Mit „66 Jahren“ da fängt das Leben an,-so betitelte es bereits Udo Jürgens (R.I.P.).

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