Prägende Stimme des Memphis-Soul und legendärer Stax-Gitarrist

Steve Cropper ist tot

Anzeige
(Bild: Foto: Alberto Cabello, CC BY 2.0 / Wikimedia Commons)

Der Gitarrist, Songwriter und Produzent Steve Cropper, der mit Booker T. & the M.G.’s und als Kreativkraft im Hintergrund den Klang von Stax Records entscheidend mitgeprägt hat, ist am 3. Dezember 2025 in Nashville im Alter von 84 Jahren gestorben.

Er war zuletzt nach einem Sturz in einer Reha-Einrichtung behandelt worden; eine genaue Todesursache wurde bislang nicht bekanntgegeben.

Anzeige

Für Gitarren-Fans auf der ganzen Welt war Cropper eine feste Größe: jemand, der mit wenigen Tönen den Puls eines Songs verändern konnte. Seine Gitarre ist in unzähligen Soul-, R&B- und Rockproduktionen zu hören – oft so selbstverständlich in den Bandsound eingebettet, dass man sie erst vermisst, wenn sie fehlt. Unser letztes Interview mit Steve führten wir im Jahr 2021.


Frühe Jahre: Von Missouri nach Memphis

Steven Lee Cropper wurde am 21. Oktober 1941 auf einer Farm nahe Dora, Missouri, geboren und verbrachte seine Kindheit zunächst in der ländlichen Umgebung von Missouri, bevor die Familie nach Memphis zog, als er neun Jahre alt war. Dort traf die Prägung seiner Kindheit auf Gospel aus den Kirchen, Rhythm & Blues aus den Nachbarschaften und die frühen Signale des Rock’n’Roll aus dem Radio – ein Mix, der seine Musikalität dauerhaft formte. Seine erste Gitarre bestellte er sich im Alter von 14 Jahren per Versandhauskatalog und brachte sich das Instrument weitgehend selbst bei.

Gemeinsam mit seinem Schulfreund Charlie Freeman gründete er wenig später die Band Royal Spades, aus der The Mar-Keys hervorgingen. Deren Instrumental „Last Night“ wurde 1961 ein Hit und erschien auf Satellite Records – jenem Label, das sich kurz darauf in Stax Records umbenannte.

Cropper war zu diesem Zeitpunkt längst mehr als nur der „junge Gitarrist im Hintergrund“: Bei Stax arbeitete er auch als A&R-Mann und Toningenieur und war somit an einem großen Teil des Repertoires beteiligt, das in den 1960ern im Studio an der McLemore Avenue entstand.


Booker T. & the M.G.’s und der Stax-Sound

1962 formierte sich aus der Studioarbeit heraus die Band, mit der viele Cropper zuerst kennengelernt haben dürften: Booker T. & the M.G.’s, mit Booker T. Jones an der Orgel, Lewie Steinberg (später Donald „Duck“ Dunn) am Bass, Al Jackson Jr. am Schlagzeug und Steve Cropper an der Gitarre. Aus einer zunächst beiläufigen Jamsituation entwickelte sich „Green Onions“, ein Instrumental, das zum Erkennungsstück der Band wurde und bis heute als Markstein des Instrumental-R&B gilt.

Parallel fungierten Booker T. & the M.G.’s als Hausband von Stax. Cropper spielte – häufig in Doppelfunktion als Gitarrist und Produzent – auf Aufnahmen von Otis Redding, Sam & Dave, Wilson Pickett, Eddie Floyd, Carla und Rufus Thomas, Johnnie Taylor und vielen anderen. Sein Name taucht dabei nicht nur in den Credits auf, sondern immer wieder auch im kreativen Kern der Songs. Als Songwriter war er an einer Reihe von Titeln beteiligt, die heute als Klassiker betrachtet werden, darunter Wilson Picketts „In the Midnight Hour“, Eddie Floyds „Knock On Wood“, das Instrumental „Green Onions“ von Booker T. & the M.G.’s und vor allem „(Sittin’ On) The Dock of the Bay“, das er gemeinsam mit Otis Redding schrieb, produzierte und nach dessen Tod fertigstellte.

 

Für „Dock of the Bay“ erhielt er 1969 gemeinsam mit Redding einen Grammy in der Kategorie Best R&B Song – der erste von insgesamt zwei Grammys in seiner Karriere.


Spielweise: Die Kunst, Platz zu lassen

Wer Croppers Gitarrensound verstehen will, kommt an seiner Arbeitsweise bei Stax nicht vorbei. Auf den klassischen Aufnahmen griff er bevorzugt zu einer Fender Esquire beziehungsweise Telecaster, häufig kombiniert mit kleinen Fender-Combos wie dem Harvard – eine Kombination, die auf vielen Stax-Hits im Hintergrund, aber immer im Dienst des Songs zu hören ist.

Seine Gitarrenparts sind dabei selten als „Licks über Changes“ angelegt, sondern als integraler Bestandteil des Arrangements gedacht: kurze, prägnante Zwei-Noten-Figuren, sorgfältig platzierte Akzente auf 2 und 4, offene Voicings, die Luft für Bläser und Gesang lassen, und meist ein eher trockener, leicht angezerrter Sound, der in der Mischung eher zurückgenommen wirkt, ohne an Präsenz zu verlieren. In Sam & Daves „Soul Man“ wird er mit dem berühmten Ausruf „Play it, Steve!“ direkt aus dem Song heraus angesprochen – ein Moment, der vielen bis heute im Ohr geblieben ist und deutlich macht, wie eng seine Linien mit dem Groove verschränkt sind.

Gerade für Gitarristinnen und Gitarristen ist Croppers Ansatz lehrreich, weil seine Linien fast immer melodisch gedacht, rhythmisch klar und sofort singbar sind. Er spielt nicht gegen den Groove an, sondern hinein, findet Lücken zwischen Vocals, Bläsern und Rhythmusgruppe und füllt sie mit minimalen Mitteln. Wer sich die Mühe macht, nur die Gitarrenspur von „In the Midnight Hour“ oder „Knock On Wood“ im Detail zu analysieren, bekommt eine kompakte Lektion in Sachen Ökonomie der Töne, Time-Feel und Arrangementdenken aus der Perspektive einer Rhythmusgitarre.


Mehr als Stax: Studioarbeit, Blues Brothers, späte Alben

Ende 1970 verließ Cropper Stax und gründete gemeinsam mit Kollegen das Studio und Label Trans-Maximus (TMI) in Memphis. Von dort aus arbeitete er als Produzent und Gitarrist mit Künstlern wie Poco, Jeff Beck, John Prine, José Feliciano, Tower of Power und anderen, häufig in einer Doppelrolle aus Studio-Gitarrist und klangformender Instanz im Regieraum.

In den späten 1970ern schloss er sich der Blues Brothers Band von John Belushi und Dan Aykroyd an, spielte auf deren Alben – darunter „Briefcase Full of Blues“ – und war in den Kinofilmen der Reihe präsent. Für eine ganze Generation von Rock- und Soulfans war dies der Moment, in dem der bis dahin vor allem als Studiomusiker bekannte Gitarrist zu einer sichtbaren Bühnenfigur wurde.

Als Solokünstler veröffentlichte Cropper bereits 1969 sein erstes Album „With a Little Help from My Friends“ und blieb auch in den folgenden Jahrzehnten mit eigenen Projekten aktiv. Mit „Fire It Up“ war er 2021 für einen Grammy in der Kategorie Best Contemporary Blues Album nominiert, bevor er in seinen Achtzigern noch einmal eine neue Band formierte: Steve Cropper & The Midnight Hour.

Mit dieser Gruppe veröffentlichte er 2024 das Album „Friendlytown“, auf dem unter anderem Billy F Gibbons (ZZ Top) und Brian May (Queen) als Gäste zu hören sind – ein spätes Lebenszeichen, das deutlich macht, wie selbstverständlich Cropper sich bis zuletzt in der Gegenwart bewegte, ohne seine Wurzeln zu verleugnen.


Auszeichnungen und Einordnung

Seine Arbeit blieb nicht unbemerkt. 1992 wurde Cropper als Mitglied von Booker T. & the M.G.’s in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen, was seine Bedeutung als Gitarrist und Bandmitglied im Kontext der Popgeschichte unterstreicht. Später folgten die Aufnahme in die Songwriters Hall of Fame sowie in die Nashville Songwriters Hall of Fame, dazu ein Grammy Lifetime Achievement Award und mehrere weitere Ehrungen, die seine Rollen als Songwriter, Produzent und Gitarrist gleichermaßen würdigen. Verschiedene Magazine und Institutionen führten ihn in ihren Ranglisten weit oben; das britische Magazin „Mojo“ setzte ihn Mitte der 1990er Jahre auf Platz zwei seiner Gitarristenliste, und auch aktuelle Listen – wie ein jüngeres Ranking der 250 wichtigsten Gitarristinnen und Gitarristen – führen ihn weiterhin im vorderen Feld.

Steve Cropper hinterlässt seine Frau Angel sowie vier Kinder. In Statements der Familie und von Wegbegleitern wird er als warmherziger, humorvoller Mensch beschrieben, der bis zuletzt an neuer Musik gearbeitet hat – und dessen Einfluss weit über einzelne Riffs und Songs hinausreicht.


Was bleibt

Wenn du heute eine Stax-Platte, ein Blues-Brothers-Livealbum oder „Friendlytown“ auflegst, hörst du keinen Gitarristen, der sich in den Vordergrund drängt. Du hörst jemanden, der Songs baut: mit kleinen Voicings, die sich an die Gesangslinie anschmiegen, mit Licks, die eher Kontrapunkt als Solo sind, und mit Riffs, die Türen öffnen statt Räume zuzustellen. Vielleicht liegt genau darin die Lehre, die man als Gitarrist:in aus Croppers Karriere mitnehmen kann: lieber weniger Töne zu spielen, ihnen dafür aber mehr Gewicht zu geben; mehr zuzuhören, was Drums, Bass, Bläser und Vocals tun, statt den eigenen Sound nach vorne zu schieben; und die Gitarre als Teil eines musikalischen Gesprächs zu verstehen – nicht als Monologinstrument.

Schon ein konzentrierter Nachmittag mit „Green Onions“, „Soul Man“, „In the Midnight Hour“, „Knock On Wood“, „(Sittin’ On) The Dock of the Bay“ und ein paar Tracks von „Friendlytown“ reicht aus, um zu spüren, wie konsequent er diese Haltung über Jahrzehnte gelebt hat. Steve Cropper ist gegangen. Die Art, wie er eine Telecaster in einen Bandsound eingebettet hat, bleibt allerdings – als Referenz, als Einladung und als stiller Hinweis darauf, dass ein gut platzierter Zweiton-Lick manchmal mehr erzählt als ein ganzer Chorus voller Noten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.