Im Interview

Laura Cox: Freischwimmerin

Anzeige
(Bild: LeTurk)

‚Head Above Water‘ ist das dritte Album der französisch-englischen Bluesrockerin Laura Cox. Darauf stimmt die 32-Jährige im Vergleich zu den beiden Vorgängern bewusst etwas zurückhaltendere Töne an. Sie möchte einfach keine virtuose Gitarrenheldin (mehr) sein, sondern mit ihrer Musik das ausdrücken, was ihr wirklich wichtig ist – und um das zu erzählen, braucht sie keine spektakuläre Technik.

Den Kopf über Wasser halten, nicht untergehen, sich durchkämpfen. Das sind die Schlagsätze, die Laura Cox während ihrer Zurückgezogenheit im Lockdown durch den Kopf gingen. Nach den Alben ‚Hard Blues Shot‘ (2017) und ‚Burning Bright‘ (2019) wurde von der ursprünglich auf YouTube gestarteten Ausnahmegitarristin das nächste Knaller-Album erwartet. Dann kam die Pandemie und ließ keinen Raum mehr für Motivation und Inspiration.

Anzeige

Also zog Laura Cox sich aus Paris nach Portugal zurück, sammelte neue Kraft und Ideen, die jetzt auf ihrem dritten Studioalbum gemeinsam mit ihren Bandmitgliedern Mathieu Albiac (git), Adrien Kah (bass) und Antonin Guerin (drums) hörenswert festgehalten wurden und bei ihren anstehenden Deutschland-Konzerten Teil der Setlist sein werden. Hier nun ein Zoom-Gespräch über Gitarren, Inspiration und mehr, geführt im Dezember, also bevor ‚Head Above Water‘ am 20. Januar veröffentlicht wurde.


Guitar Summit 2023

Ihr wollt Laura Cox live erleben? Auf dem Guitar Summit 2023 in Mannheim habt ihr die Gelegenheit!

Tickets unter: www.guitarsummit.de/tickets


Laura, ihr habt ‚Head Above Water‘ Anfang 2022 aufgenommen, ein Jahr später erst werden die Aufnahmen veröffentlicht. Gefällt dir nach einer so langen Zeit das Album immer noch so wie vor einem Jahr? Oder gibt es Dinge, die du nachträglich ändern würdest?

Als Künstler ist man niemals vollends zufrieden mit dem Endergebnis, weil es immer Dinge gibt, die man hätte besser spielen oder besser hätte vorbereiten können. An einem gewissen Punkt musst du aber verstehen und akzeptieren, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt. Und die ist okay, auch wenn sie nicht perfekt ist. So ist es eben passiert als wir im Studio waren und die Aufnahmen gemacht haben, und letztendlich klingt es spontan und natürlich. Wenn ich danach suchen würde, würde ich überall Dinge finden, die ich hätte anders machen können. Aber ich bin mit dem Resultat immer noch sehr zufrieden. In meinen Augen ist es ein gutes drittes Album.

Dir ist es nicht ganz leicht gefallen, diese Platte entstehen zu lassen und umzusetzen, richtig?

Ja, zumal der Abstand zwischen meinem zweiten Album, das im November 2019 rauskam, und ‚Head Above Water‘ ziemlich groß war. Durch den von Covid ausgelösten Druck und die ängstliche Grundstimmung war ich einfach nicht sehr inspiriert und musste erst warten, bis sich das änderte. Das hat sich inzwischen komplett gewandelt. Im Moment bin ich, vielleicht auch ausgelöst durch die neuen Songs und die neue LiveSetliste, die wir uns gerade erarbeiten, sehr motiviert. Ich denke also schon wieder viel über neue Songs und Ideen nach. Und diese Dynamik macht mich sehr glücklich.

Zur Entstehung der Platte erzählst du, dass du Abstand von der Musik und sogar der Gitarre gebraucht und dir auch genommen hast. Was hast du in dieser Phase gelernt?

Ich glaube, dass jeder aufgrund der Pandemie mehr Zeit alleine verbracht hat. Dadurch hatte auch ich Zeit zu reflektieren. Vorher war ich permanent unterwegs ohne mir großartig Gedanken darüber zu machen, was da überhaupt passiert. Ich war im Autopilot, und das war in gewisser Weise auch gut, ich konnte das genießen. Nur war halt kein Raum da, um darüber nachzudenken, was ich eigentlich will und wohin mein Weg führen soll. Covid hat mir die Zeit gegeben, zur Ruhe zu kommen und mein Leben zu hinterfragen.

In den ersten Wochen des Lockdowns dachte ich: Okay, das hat auch etwas Gutes, so habe ich wenigstens Zeit an neuer Musik zu arbeiten und Gitarre zu üben. Aber nach zwei oder drei Wochen schon wurde ich verrückt vor Langeweile und drehte Kreise in meinem Apartment. Ich musste da weg und Raum zum Atmen bekommen, deswegen bin ich für ein paar Monate nach Portugal gezogen. Und ich glaube, dass die Nähe zur Natur und zum Ozean eine beruhigende Wirkung auf mich hatte, sodass auch die Kreativität zurückkommen konnte.

Aber ich wollte mich auch nicht dazu zwingen neue Songs zu schreiben, weil ich davon überzeugt bin, dass Druck beim Komponieren nicht sehr förderlich ist. Ich wollte mir Zeit nehmen, damit auch wirklich etwas Brauchbares dabei herauskommt. Dadurch ist zwar ein wenig Zeit vergangen, aber wir waren auf den Punkt mit allem fertig als die Aufnahmen beginnen sollten. Rückblickend bin ich mit dem Entstehungsprozess sehr glücklich.

Hast du in der Zeit in Portugal dann einfach keine Gitarre mehr gespielt oder dich auf neue Aspekte konzentriert?

Doch natürlich habe ich Gitarre gespielt, aber weniger als gewöhnlich. Mein Ansatz war einfach, die Gitarre dabeizuhaben und nur in die Hand zu nehmen, wenn ich auch wirklich Lust habe zu spielen. Ich hatte auch ein kleines Recording-Setup dabei, falls irgendwelche Ideen kommen, die ich festhalten wollte. Ich habe in der Zeit aber auch angefangen, Schlagzeug zu lernen. Wenn du zuhause sitzen musst, nicht raus darfst und dich langweilst, ist es befreiend, auf etwas rumhauen zu können. (lacht)

Und gleichzeitig macht man Musik, was gibt es sinnvolleres? Ich würde mich aber immer noch als Anfängerin bezeichnen und habe natürlich nicht die Drums auf dem neuen Album eingespielt, nur dass das klar ist. (lacht) Nichtsdestotrotz wollte ich bei den neuen Songs mehr Instrumente einsetzen, wie Banjo und Lapsteel, weil ich mir die Freiheit nehmen wollte, die Musik weniger heavy als auf dem letzten Album zu gestalten. Und ich mochte diese Instrumente aus dem Bluegrass schon immer sehr und fühle mich in diesem Stil sehr wohl, deswegen werde ich diesen Weg auf den nächsten Alben wohl weiter verfolgen.

Hast du also alle Saiteninstrumente auf der Platte selbst eingespielt?

Auf meinem zweiten Album gab es zwei Gitarristen: mich und Mathieu Albiac, meinen zweiten Gitarristen, der hauptsächlich RhythmusParts aber auch ein paar Soli eingespielt hat. Und diesmal haben wir uns wieder die E-Gitarren-Parts aufgeteilt, aber alles andere wie Lapsteel und Banjo habe ich übernommen. Ich weiß, dass ich nicht die beste Lapsteel- und Banjo-Spielerin bin, aber es war mir wichtig, mich dieser Herausforderung zu stellen.

Wie wichtig für die Platte waren die Räumlichkeiten der ICP Studios, in denen ihr aufgenommen habt?

In den ICP Studios in Brüssel gibt es ja verschiedene Räume, und wir hatten das letzte Album ebenfalls schon dort aufgenommen. Als mein Label dann anfragte, ob wir wieder in dieses Studio wollen, habe ich nicht lange gezögert und das Angebot angenommen. Zum einen, weil es beim ersten Mal schon gut gelaufen war dort, zum anderen weil ich diese vertraute Atmosphäre wieder haben wollte. Du weißt einfach vorher schon, wo du spielen wirst, wer dein Album aufnimmt, was für Gear sie haben – und sie haben unfassbar tollen Vintage-Kram da. Außerdem kriegt man in dem Studio einen perfekten Drum-Sound hin. Ich fühle mich dort einfach zuhause und genau dieses Gefühl brauchte ich für die Aufnahmen des Albums.

(Bild: Mathieu Albiac)

Hast du dort dann hauptsächlich deine eigenen Gitarren verwendet oder auch welche vom Studio?

Die Gefahr ist natürlich, dass man ganze Studiotage damit verschwendet, Gear anzutesten. Mein Label hatte mich schon gewarnt, dass ich da eine Menge interessanter Instrumente vorfinden würde, mir aber gleichzeitig ans Herz gelegt, damit nicht zuviel Zeit zu vergeuden. Schließlich hatten wir nur zwei Wochen und sollten und wollten diese Zeit möglichst organisiert gestalten und produktiv sein. Aber ehrlich gesagt, wollte ich auch keine anderen Instrumente verwenden, weil ich mich mit meinen eigenen sehr wohl fühle. Außerdem war es mir wichtig, dieselben Instrumente einzusetzen, die ich auch live dabeihabe. Das gilt nicht unbedingt für die Amps, denn ein Verstärker ist nichts, was du direkt in den Händen hast. Das ist etwas anderes. Live spiele ich ja einen Orange Rockerverb 100 mit Orange-Cabinet, und im Studio hatten sie denselben, aber in der Vintage-Version mit anderen Speakern.

Und welche Gitarren kamen zum Einsatz?

Hauptsächlich meine beiden Gibson Les Pauls, eine Les Paul Classic Plus Honeyburst von 1997 und eine Les Paul Junior von 2019. Sie sind ein wenig unterschiedlich, aber funktionieren für mich sowohl live als auch im Studio hervorragend. Ich war außerdem von einer Gitarre sehr überrascht, die ich eigentlich schon verkaufen wollte: ein Telecaster-Modell der japanischen Firma Bacchus. Ich habe sie bei ein paar Rhythm-Parts eingesetzt. Das klang super.

Laura Cox mit ihrer Les Paul Junior

2019 hattest du ja noch zwei Bacchus-Signature-Gitarren.

Ja, inzwischen arbeite ich aber mit Gibson zusammen, was mich sehr glücklich macht. Aber ich liebe die Bacchus-Gitarren und werde sie nie verkaufen.

Wie sieht es bei deinen Pedalen aus. Hat sich dein Pedalboard durch die Langeweile im Lockdown sehr verändert?

Nein, kaum. Ich habe immer noch dasselbe Setup wie 2019. Ich würde mich mehr als Plug-and-Play-Spielerin bezeichnen, deswegen habe ich auf meinem Pedalboard nur meine Overdrives für die Lead-Parts. Das sind ein J.Rockett Archer und ein SoloDallas Storm. Darüber hinaus habe ich ein Ernie Ball Volume, ein WahPedal von Mooer und ein Anasounds Utopia Delay

Habt ihr im Studio live aufgenommen oder eher mit Overdubs gearbeitet?

Das war ein Mix, weil ich die Basis live aufgenommen haben wollte. Bei Rockaufnahmen finde ich es wichtig, die Energie der Musik und die Atmosphäre des Raumes einzufangen. Die Leute sollen sich beim Hören so fühlen, als wären sie gerade bei uns und mit uns im Studio. Und dafür muss man alle Rhythm-Parts, bestehend aus Bass, Drums und zwei Rhythmusgitarren gemeinsam aufnehmen. Alles andere wie die Vocals, Gitarrensoli oder Banjo habe ich dann nachträglich darüber gespielt.

Darüber hinaus habe ich gelesen, dass du deine Herangehensweise beim Singen bewusst geändert hast. Gilt das auch für Aspekte deines Gitarrenspiels?

Ja. Ich glaube, ich habe versucht, sparsamer zu spielen. Also weniger Noten, dafür aber bessere. Mir wurde von vielen Leuten immer wieder geraten: „Spiel wie ein Gitarren-Hero. Die Leute wollen Tapping und schnelle Licks hören.“ Aber zu den meisten Songs des Albums passt dieser Ansatz nicht. Und ich wollte lieber Dinge spielen, die zur Atmosphäre des jeweiligen Song passen.

Hast du deine Soli improvisiert oder vorher auskomponiert?

Eher Letzteres. Ich mag es, gut vorbereitet ins Studio zu kommen. Deswegen hatten wir alle Tracks schon einmal als Demo produziert, da hatte ich auch alle Soli schon mal aufgenommen. Im Studio musste ich dann hier und da ein paar Noten oder Licks ändern, weil wir den Rhythmus-Part geändert hatten und das dann nicht mehr zusammenpasste. Aber ansonsten war alles festgelegt. Ich glaube, ich bin produktiver, wenn ich vorbereitet bin und weiß, wo ich hin will. Ich hatte die zwei Wochen genauestens durchgeplant und exakt eingeteilt, wann wer was aufnimmt. Ich bin also ein sehr organisierter Mensch, und das spiegelt sich wohl auch in meinem Spiel wider. Vielleicht werde ich mich mit den Jahren diesbezüglich ein wenig befreien können.

Du erzähltest ja, dass du angefangen hast mit Gibson zu arbeiten. Was muss eine Gitarre haben, damit sie dir gefällt?

Slash hat mich damals zur Les Paul gebracht und seitdem ist das mein Ding. Deswegen fühlt es sich irgendwie selbstbverständlich an, nun mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ich denke, die Les Paul wird immer meine Lieblingsgitarre bleiben, und im Moment mag ich besonders das simple Konzept der Junior mit nur einem Pickup. Und das obwohl schon immer der Klang des Hals-Pickups mein absoluter LieblingsSound ist. Ich bin also Ende 2019 zur großen Gibson-Familie gestoßen und direkt Anfang 2020 haben sie mich zur NAMM eingeladen. Dort habe ich dann viele Mitarbeiter und Künstler kennengelernt und fühlte mich im gesamten Team direkt sehr willkommen geheißen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Laura Cox' Amps im Studio
Orange Rockerverb & Gibson Firebird

Ein Signature-Modell hast du noch nicht. Wie sieht denn eure Zusammenarbeit genau aus?

Sie haben ein Hauptquartier hier in Paris. Dort kann ich jederzeit hingehen, wenn ich Videos drehen oder Promo-Fotos machen muss. Auch Interviews kann ich in ihrem Showroom führen. Und ich kann mir dort jederzeit Gitarren leihen.

Hättest du daran Interesse und habt ihr schon mal über ein Signature-Modell nachgedacht?

Bis jetzt nicht, aber das wäre natürlich ein Traum. Zumal ich einiges dazu beizutragen hätte, weil ich sehr genaue Vorstellungen und Ideen habe. Mich interessiert einfach jeder Aspekt an meinen Instrumenten. Mir ist es wichtig zu wissen, welches Holz verwendet wurde und welcher Lack. Das gilt natürlich auch für die Hardware und die Pickups. Und abgesehen davon, dass ich mir so etwas niemals leisten könnte, interessiere ich mich nicht für Vintage-Instrumente. Ein Instrument muss gut sein, egal wie alt. Erst recht wenn ich sehe, was für hervorragende Instrumente zum Beispiel Epiphone zu einem erschwinglichen Preis herstellen können. Man kann auch darauf gut klingen, du brauchst einfach gute Finger und gute Verstärker. Und ich spiele lieber auf solchen bezahlbaren Gitarren, vor allem auf Tour. Ich will unterwegs keine Angst haben müssen, dass meine Gitarren geklaut werden könnten oder sie bei einem Unfall kaputtgehen.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Nun,die Thematik mit den Signature Gitarren ist schon so alt,wie es elektrische und akustische Gitarren gibt. Ob Signature Gitarren nun vorrangig der lukrativen Vermarktung durch gezielte Werbekampagnen und dem damit verbundenen „besseren“ Image des jeweiligen Künstlers/in dienen,sei hier mal dahingestellt.

    Ich persönlich besitze u.a. eine Fender „Ritchie Blackmore Signature Stratocaster“ aus mexikanischer Fertigung,die ich aufgrund ihrer sehr bequemen und simplen Handhabung des werkseitig aufgeleimten „Scalloped Fretboard“ überaus schätze. Manch einer kommt damit gar nicht klar,weil er beim Spiel viel zu starken Druck auf die Saiten,bzw.das Griffbrett ausübt,so daß bereits ganz einfache Akkorde völlig schräg klingen. Dieses „Problem“ hatte ich von Anfang nicht,weil es logischerweise wenig Sinn macht.
    Die Sinnhaftigkeit besteht eben darin,daß ein „ausgehöhltes“ Griffbrett die Finger beim Bespielen lediglich sehr leicht auf die Bundstäbchen treffen,was zur Folge hat,daß man sehr leicht und mit hohem Tempo über das Fretboard flitzen kann. Und dies setzte Mr. Blackmore mit seiner Signature Strat einfach um. Insofern sehe ich speziell diese besagte „Blackmore Strat“ als absolut genial an. Sie spielt sich wirklich federleicht und extrem bequem,vorausgesetzt,man hat die Haptik und den Sinn des „scaloped Fretboards“ verstanden. Verständlicherweise,-wen wundert es,-ist diese spezielle Stratocaster meine Lieblingsgitarre geworden.

    Ich gehe mal davon aus,daß auch eine Laura Cox „Signature“ Gitarre gezielt ganz bestimmte „Außergewöhnlichkeiten“ hinsichtlich ihrer Bespielbarkeit und Materialien erfüllen wird,dessen bin ich mir ganz sicher. Und es erfreut mich besonders,daß zukünftig immer mehr Damen zur Gitarre greifen,schließlich wurden Saiteninstrumente nicht nur für die Kerle erschaffen!

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Saitenhexe 🧙🏻‍♀️ Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren