Meilensteine

John Mayall: The First Generation 1965-1974

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(Bild: Madfish, Universal, Decca, Polydor)

Der in London lebende Sänger, Pianist und Gitarrist Alexis Korner (1928-1984) hatte es in den frühen 1960er-Jahren vorgemacht: In seiner Band Blues Corporated versammelte der schon ältere Korner junge Talente, von denen einige später in bekannten Acts wie Rolling Stones oder Cream wieder auftauchen sollten. Ab Mitte des Jahrzehnts erschien mit John Mayall (*1933) die zweite große Integrationsfigur der frühen britischen Blues-Szene.

Der Sänger und Multiinstrumentalist blickt nun mit dem 35-CD-Boxset ,The First Generation 1965-1974‘ zurück auf diese Phase seiner unglaublich langen Karriere. 1965 erschien das Debütalbum ,John Mayall Plays John Mayall‘, das Live-Mitschnitte aus London vom 7. Dezember 1964 bot. Mayall und seine Blues Breakers spielten rauen Blues und Rock’n’Roll mit subtilen Beat-Anteilen. Zur Band gehörten damals Hughie Flint (dr) und der spätere Fleetwood-Mac-Bassist John McVie. Roger Dean spielte für die Zeit wirklich scharfe Gitarren-Licks.

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Dean war bei der nächsten Single schon nicht mehr dabei, ,I‘m Your Witchdoctor‘/,Telephone Blues‘ wurde mit Eric Clapton eingespielt. Es ist eine interessante Randnotiz, dass hier Sessiongitarrist Jimmy Page produziert hat. Auf dem 66er-Album ,Bluesbreakers With Eric Clapton‘ spielte die Band auch einige blaue Klassiker, wie Otis Rushs ,All Your Love‘ oder ,Hideaway‘ von Freddie King und Sonny Thompson.

The Blues Breakers 1966: John Mayall, Eric Clapton, John McVie, Hughie Flint (Bild: Madfish, Universal, Decca, Polydor)

Legendär ist neben Slowhands virtuosem Spiel auch der Gitarren-Sound, der aus der Kombination einer Gibson Les Paul und einem Marshall-JTM45-Verstärker resultierte. Das Band-Karussell drehte sich schnell weiter und für Clapton kam Peter Green, Aynsley Dunbar spielte nun Schlagzeug.

A Hard Road, 1967 (Bild: Madfish, Universal, Decca, Polydor)

,A Hard Road‘ knüpfte direkt an den Vorgänger an und bot wieder viele Songs von Mayall, die Einflüsse aus Chicago- und Texas-Blues zeigten. Green, der auch auf Gibson Les Paul und Marshall-Amp setzte, beeindruckte in ,The Stumble‘ von Freddie King und Sonny Thompson und schlug in seinem Song ,The Supernatural‘ einen ganz anderen Ton an. Der Moll-Blues mit dem Latin-Groove wirkte fast schon wie ein Fremdkörper im Vergleich zum Rest des Albums.

Auch Greens Spiel war 1967 geradezu sensationell. Dank eines stark verzerrten Sounds plus Reverb, ließ Peter Einzelnoten ins Feedback umkippen, die er dann über mehrere Takte aushielt und dabei mit seinem markanten wie geschmeidigen Fingervibrato verzierte. Das nahm schon einiges von dem vorweg, was der mexikanische Gitarrist Carlos Santana 1969 mit seinem Debütalbum präsentierten sollte.

Mit dem gerade mal 18-jährigen Mick Taylor stieß der dritte Les-Paul-Spieler zu den Bluesbreakers, der sich mit schnellen Läufen auf dem nächsten Album ,Crusade‘ als dritter Virtuose profilierte. Seine Soli mit den scharfen Bendings in A.C. Williams ,Pretty Woman‘ sind heute noch inspirierend und wirken wie eine Art Vorlage für die sehr viel spätere Gary-Moore-Version. Der neue Drummer Keef Hartley brachte ordentlich Dampf in den Mayall-Blues. Mick Taylor blieb im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern noch für weitere Alben, bevor er Ende der 60er für den verstorbenen Brian Jones bei den Rolling Stones einstieg.

Es sind wohl vor allem diese frühen Alben mit Clapton/Green/Taylor, die sich im kollektiven Gedächtnis von Blues- und Pop-Fans verankert haben – zu ihrer Zeit knackten sie alle die britische Top 10. John Mayall produzierte in der Folgezeit unglaublich viele Alben, blieb nie stehen, erkundete den Blues in all seinen Facetten und probierte als Musiker permanent Neues aus. So spielte er ,Blues Alone‘ alleine ein, lediglich die Drums steuerte Keef Hartley bei. Und auf dem Live-Album ,Turning Point‘ präsentierte er ein schlagzeugloses Quartett u.a. mit Jon Mark an der Acoustic. Mayall ließ die Orgel zu Hause und spielte stattdessen eine Telecaster.

Später ging er ins Mutterland des Blues und traf auf Musiker wie den innovativen Harvey Mandel (g) und Larry Taylor (b). Beide sind zu hören auf Mayalls ,USA Union‘ (1970). In einer größeren Besetzung mit Bläsern spielte er auch mit afroamerikanischen Jazz- und Blues-Musikern, darunter Freddy Robinson, der etwa auf dem Live-Album ,Jazz Blues Fusion‘ mit dicker Hollowbody tolle Licks abfeuerte.

Der „Father Of British Blues“, von dessen Wissen und Musikalität so viele junge Talente profitiert hatten, lernte hier so ganz andere Blues-Spielarten kennen. Seinen Mitmusikern und speziell den virtuosen Lead-Gitarristen hat der Bandleader immer viel Platz und Freiheiten eingeräumt. John trat in erster Linie als Sänger mit eigener, oft hoher Stimme hervor, die gelegentlich an Bob Hite von Canned Heat erinnerte. Und natürlich war er Haupt-Songwriter, spielte Piano, Orgel und eine klasse Harp.

Zudem spielte er oft Slide-Gitarre oder setzte eine neunsaitige Gitarre ein. Bei letzterer handelt es sich um eine japanische Weldone, die er in den frühen 50ern während seiner Stationierung in Korea erwarb. „Ich wollte aus ihr eine 12-saitige machen“, sagte Mayall einmal, „aber der Hals vertrug nicht mehr als sechs Saiten. Nachdem ich neun Saiten aufgezogen hatte, begann der Hals sich zu verbiegen und genau an diesem Punkt hörte ich auf.“

The Blues Alone, 1967 (Bild: Madfish, Universal, Decca, Polydor)

Außerdem verzierte er diese Gitarre, die man auf dem Cover von ,The Blues Alone‘ sieht, mit speziellem Artwork. Mayall setzte verschiedene Instrumente ein, darunter auch eine Rickenbacker 12-String. Andere Solidboies, so eine britische Burns, unterzog er einer radikalen Verkleinerung des Korpus.

In dieser opulenten Box kann man also viel entdecken über die Brit-Blues-Ikone. Neben den remasterten Original-Alben, gibt es noch drei Single-CDs und acht bislang unveröffentlichte CDs, darunter die ,BBC Recordings‘ mit Eric Clapton, Peter Green und Mick Taylor. Ein großformatiges Hardcover-Buch informiert ausführlich und zeigt tolle Fotos auf über 170 Seiten. Viel Zeitgeist, transportiert mit Replikaten der Newsletter (‘68-‘70) des John Mayall Fan Club.

Außerdem finden sich in der großen blauen Pappbox zahlreiche Memorabilia: Foto mit Autogramm, zwei Poster und eine Kopie des Pressepakets zu ,John Mayall Plays John Mayall‘. Mit ,Nobody Told Me‘ erschien 2019 das bislang letzte Album, u.a. mit den Gastgitarristen Alex Lifeson und Joe Bonamassa. Ein neues Studioalbum soll dieses Jahr erscheinen.

Blickt zurück: John Mayall (Bild: Madfish, Universal, Decca, Polydor)

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Eine Legende – seine Schallplatten haben mich in den 60er Jahren inspiriert, selbst Gitarre spielen zu lernen – als Autodidakt. Ich spiele heute immer noch in Bands und mag seine Musik immer noch, habe ihn auch live erlebt.
    Auf sein neues Album bin ich gespannt …

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  2. Wie Reinhold hat meine Jugendzeit “John Mayall and the Bluesbrakers” enorm geprägt, auch wenn zur gleichen Zeit Jimi Hendrix sowie Cream ebenfalls tiefe Spuren in meiner “Memory” und Gitarrenspiel hinterlassen haben.
    Meine Plattensammlungen (heute Vinyl genannt) sind vollständig und enthalten auch exotische Schwarzpressungen. Fast alles habe ich später auch als CD zusätzlich erworben. Einiges – auch von Mayall – inzwischen Remastered.
    Die hier vorgestellte Box ist zwar limitiert auf 5.000 Stck. weltweit (angeblich), kostet dafür aber auch stattliche 320 €. Im Detail alle CD-Titel und die einzelnen Tracklists einmal angeschaut, glaube ich, dass allenfalls die 7 Live-Recordings wirklich noch nicht veröffentlicht wurden. Da fällt es mir – auch als echter Mayall-Fan (div. Konzerte live erlebt, zuletzt 2014 in Worpswede, 80 Years and still alive!!!) – etwas schwer, mir viele Doubletten für diesen Preis zuzulegen.
    Hat jemand schon konkretere Hörerfahrungen / Vergleiche angestellt?
    Mit musikalischen Grüßen
    MrHKBlues (nebenbei: wenn man mich googelt, findet man u.a. andere Kommentare in G&B zu meinen Hobby-TECH-Arbeiten an Strats und Teles)

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  3. Für mich ist John Mayall’s Album “The Turning Pont” eine der größten Blues Scheiben überhaupt.

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