„Eine Gitarre muss erst mal klingen und sich gut anfühlen, aber wenn sie auch noch schön aussieht? Das macht ganz viel mit einem.“
Donots-Gitarrist Guido Knollmann im Interview: Es muss auch akustisch ballern
von Andreas Schiffmann, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Danny Kötter)
Was passiert, wenn eine der dienstältesten deutschen Punkbands ihre E-Gitarren gegen Akustikgitarren tauscht? Die Donots haben es mit ‚Schwert aus Holz‘ ausprobiert und dabei festgestellt: Manchmal führen abenteuerliche Ideen zu den besten Ergebnissen. Gitarrist Guido Knollmann über Tonart-Experimente, kostbare Vintage-Bässe und die Erkenntnis, dass true ist, worauf man Bock hat.
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INTERVIEW
Guido, wie kam es nach gut drei Jahrzehnten Bandgeschichte zu der Entscheidung, ein Akustikalbum zu machen, und wie seid ihr dabei vorgegangen?
Unser anderer Gitarrist Alex hat beim Proben immer gesagt: „Lass doch mal einfach alles probieren, was man als Band machen kann, was sich gut anfühlt.“ Du spielst verschiedenste Touren, gibst Kinderkonzerte, und jetzt war mal ein Akustikalbum dran. Wir waren anfangs skeptisch und wollten von vornherein, dass es etwas Frisches hat, nicht einfach nur: Wir nehmen jetzt Akustik- statt E-Gitarren und klimpern den Stiefel runter. Es ist quasi eine Best-Of mit umarrangierten Songs. Wir haben gesagt: „Lasst uns ganz andere Akkorde benutzen, Moll statt Dur oder umgekehrt.“ Das war zuerst sehr schwierig bei Liedern, die du seit 25 Jahren spielst. Der Gesang und der Aufbau sind deutlich anders. Es war spannend, aber auch anstrengend.
Was hat euch beim Umarrangieren am meisten überrascht?
Dass man Lieder, die man schon so lange kennt, auf einmal anders wirken lassen kann. Wir saßen da zusammen mit Kurt Ebelhäuser, der uns aufgenommen hat, und unserem Engineer Michel Wern, hörten uns die Sachen an und einigten uns darauf: „Heute machen wir diesen Song.“ Dann wurde herumprobiert, und dass es funktioniert hat, fanden alle ziemlich geil.
Gab es auch Songs, die akustisch nicht funktionierten?
Ja, ‚Superhero‘ zum Beispiel, irgendwas passte da nicht. Man merkt schnell, ob man sich die Zähne ausbeißt oder ob es einfach flutscht. Das ist beim Songwriting auch so: Die Lieder, die dir leicht von der Hand gehen, sind meistens auch die besten.
Gibt es generelle Eigenschaften, die einen Song für eine Akustikumsetzung tauglich machen?
Nicht direkt, wir haben ja wirklich ganz verschiedene Akustikinterpretation gemacht, etwa eine The-Clash-artige Reggae-Version von ‚Calling‘. Einige Songs sind total opulent, andere ganz klein mit nur einer Gitarre. Wenn wir es uns anhörten, wussten wir gleich: Der braucht mehr Größe oder der muss intimer werden. Das hat sich irgendwie ergeben.
Wie gehst du als Gitarrist ran, wenn du weißt, ein Song muss ohne Zerre auskommen?
Ich finde es wichtig, dass man die Akustikgitarre anders bedient als eine E-Gitarre. Man sieht oft, dass Leute einfach eine Akustikgitarre nehmen, und dann werden Power-Chords draufgebügelt, wobei ich denke: „Ah, nee.“ Wenn du flächig Akustikgitarre spielen willst, probier‘ offene Akkorde, damit es möglichst breit klingt. Außerdem finde ich es geil, die Saiten leicht zu verstimmen, dann schwimmt der Ton und hat diesen wabernden Effekt. Es gibt kein Richtig oder Falsch, aber nur Akkorde zu schrubben hat nicht den besten Effekt, den man mit der Akustikgitarre erzielen kann.
Welche Gitarren hast du auf dem Album verwendet?
Ich habe eine Martin D-28, die spiele ich live und im Studio. Das ist krass, ich habe sie seit zwei Jahren und merke, wie sich der Klang verbessert, wenn man viel spielt – das Holz arbeitet und ist nach einiger Zeit sozusagen besser in Schuss. Jedenfalls habe ich nach den vielen Proben und unserer Tour das Gefühl, dass sie auf einmal ganz anders schwingt. Ich liebe die Gitarre sowieso, sie hat so geile Obertöne.
Guido mit seiner Martin D-28 (Bild: Danny Kötter)
Das ist sogar meinem Bruder Ingo aufgefallen, unserem Sänger, der von Gitarren so viel Ahnung hat wie ich von Mathe. Alex hat eine Lakewood benutzt, die Black Sheep, glaube ich, und wir hatten noch eine 15 Jahre alte Donots-Signature von Lakewood sowie eine Ortega, aber das meiste habe ich mit der Martin gemacht, die klang am rundesten.
Alles mit Mikros abgenommen?
Genau. Wir sind bei uns im Studio sowieso recht old-school im Sinne von: Mit Plugins machen wir so gut wie gar nichts, auch wenn wir regulär aufnehmen. Die Gitarrensounds, die man hört, sind einfach Amps mit Effekten und Boxen. Das Höchste der Gefühle, was wir haben, ist eine Universal Audio OX Amp Top Box, um beim Aufnehmen der E-Gitarre Zeit zu sparen, aber eigentlich wird immer alles mit Mikros abgenommen. Bei der Akustikplatte war das bis auf den Bass auch so: Wir haben einen E-Bass genommen, weil das ein bisschen mehr Fläche gibt. Jan-Dirk hat aber nicht einfach seinen Precision-mäßigen ESP-Bass genommen, sondern einen geliehenen Framus aus den 1960ern oder 70ern, davon gibt es weltweit nur zehn Exemplare. Damit ist mir was ganz Schlimmes passiert: Ich habe ihn in Münster, wo unser Studio ist, bei Rare Guitar auf dem Fahrrad in einem Gigbag mitgenommen. Als ich vom Hof fuhr, wurde es plötzlich ganz leicht auf meinem Rücken – der Reißverschluss war aufgeplatzt, und der Bass schepperte neben meinem Rad mit den Saiten nach unten über die Straße. Ich bin abgestiegen und habe ihn schnell wieder in den Gigbag gesteckt. Letzten Endes hat er nur ein paar Schrammen, Jan-Dirk kaufte ihn daraufhin, und er klingt fantastisch. Leider hört man ihn auf der Platte nur in einem Song, weil wir ihn am Ende der Aufnahmesession geholt haben.
Beherrschst du Fingerpicking?
Teilweise, ich mogel mir immer was zusammen, aber solange es im Takt ist und man die Saiten richtig trifft, ist es okay.
Hast du traditionell zuerst Akustikgitarre spielen gelernt?
Nein, direkt E-Gitarre. Akustik zuerst ergibt aber Sinn, weil du dadurch natürlich wirklich genauer spielen lernst, auch wenn gerade am Anfang die Pfoten wehtun. Ich habe öfter selbst Gitarrenunterricht gegeben, und wenn Kids E-Gitarre lernen wollten, während die Eltern sagten, sie sollten mit der Akustikgitarre anfangen, dachte ich: „Lass sie machen.“ Man entscheidet sich ja für E-Gitarre, weil man den Sound mag und sie bei den Kids einen gewissen Coolness-Faktor hat.
Wie nimmst du eine Akustikshow im Vergleich zu einem herkömmlichen Donots-Konzert wahr?
Der erste Auftritt der Akustiktour fand im Gloria in Köln statt, und wir waren aufgeregt, weil wir nicht wussten, was uns erwartete, die Leute kannten das Album noch nicht. Im Endeffekt waren wir total überrascht: Das Publikum war sehr laut, eigentlich auf der ganzen Tour. Ich glaube, das Ding ist einfach: Wenn du Akustikgitarre spielst, hören sich die Leute selbst lauter singen, obwohl wir gesagt haben, dass es auch akustisch ballern, wild, schief und asi sein muss, damit es Attitüde hat.
Welche Vorbilder hattet ihr für das Akustikalbum?
Ich persönlich liebe die alten Sheryl-Crow-Sachen, da ist nicht alles akustisch, aber vieles. Ihre ersten drei Alben sind für mich komplett Wahnsinn. Ryan Adams hat das auch gut gemacht, finde ich. Oder The Weakerthans und countryeske Sachen wie Lucero. Es gibt Punkbands, die eine Akustikplatte oder auch was Countryeskes machen, wobei ich mir denke: „Jetzt müsst ihr aber auch anders spielen.“ Ich finde es wichtig, dass man sich anguckt: Wie geht diese Art Musik, die ich gerade spiele, überhaupt?
Kannst du schon sagen, ob ‚Schwert aus Holz‘ das Songwriting der Band künftig beeinflussen wird?
Grundlegend wohl nicht, weil es eine eigene Episode ist, aber wir haben was gelernt. Früher steckten wir verbissen unseren Rahmen ab: Das dürfen wir, das dürfen wir nicht, das passt nicht zu uns, ist das noch true? Davon haben wir uns nach und nach gelöst, weil wir sagen: Es ist true, wenn wir Bock drauf haben, und die Akustikplatte hat mega Bock gemacht, also könnte das Motto in Zukunft lauten: Alles zulassen. Je weniger Grenzen man setzt, desto besser.
Du singst ja mitunter auch. Wie gehst du da ran?
„Singen“ in großen Anführungsstrichen: Ich habe es nie gelernt, und meine Stimme klingt auch eher kaputt. Das hat sich irgendwann angeboten, weil wir Einflüsse zulassen, und gerade bei raueren Sachen passt es. Als ich anfing, Gitarre zu spielen, sagte ich nicht: „Ich will auch singen.“ Bei der Gitarre bin ich gelandet, weil unser ältester Bruder mit so was wie ‚Agent Orange‘ von Sodom ankam und ich nicht fassen konnte, wie geil das ballert. Es war das Coolste der Welt – E-Gitarre ist immer noch das Coolste der Welt. Ich war elf oder so, als er mit dem ganzen Thrash und Death Metal ankam, also wollte ich das auch machen. Mir ging es zuerst nur um die Aggression.
Welche Musik hörst du momentan?
Gestern Abend bin ich Fahrrad gefahren, da lief wieder eine Best Of Bad Religion, das geht immer. Ich bin total offen, denn wenn etwas gut ist, ist es halt gut, und ich höre alles von Crust-Geballer, wo es gar keine Melodien mehr gibt, über Zeug wie Nails oder Trap Them bis zu Sheryl Crow. Bei den aktuellen Sachen haben mich Wunderhorse und ihre neue Single umgehauen, ansonsten eine großartige deutsche Band, Warfield: Die klingen einfach eins zu eins wie ‚Agent Orange‘, auch der Gesang. Im Gegensatz dazu kann ich auch was mit Bilderbuch anfangen, weil die sehr geile Ideen haben.
Hast du in den letzten Jahren neue Equipment-Entdeckungen gemacht?
Ich habe einen weiteren Live-Amp, den Two-Rock Classic Reverb Signature, den jemand in Hamm bei Münster verkauft hat. Ich bin hingefahren, habe ihn angespielt und nach dem ersten Akkord gewusst: Okay, der ist es. Den spiele ich jetzt neben meinem Friedman und Tone King. Außerdem habe ich mein ganzes Pedalboard neu gemacht, früher hatte ich das G-System von TC Electronic.
Guidos Pedalboard mit Foxrox Octron 4, DryBell The Engine Preamp, Strymon Deco, EHX Pitch Fork, MXR 10 Band EQ, Red Sun FX Klon Clone, DryBell Unit 67, Eventide H90, Chasebliss Audio Preamp, Red Sun FX Mid Boost & Boss ES-8 Switcher (Bild: Danny Kötter)
Jetzt sind es ein Looper und einzelne Pedale, ich habe also viel Effekt-Kram gekauft – und Gitarren. Jetzt gerade habe ich mir eine Greco geholt, einen Les-Paul-Nachbau von 1979, das Ding macht mich komplett fertig. Und ich war in London in der Denmark Street, wo ich mir eine 1972er Gibson ES-335 geholt habe. Ich konnte meine Frau überreden – in den Läden dort sind 6.000 Gitarren, und diese eine strahlte mich an. Ich sah sie schon von weitem, und als ich sie in die Hand nahm, war alles zu Ende.
Neben der ESP Eclipse kommen live eine 335 und eine Strat zum Einsatz. (Bild: Danny Kötter)
Vor kurzem habe ich mir außerdem von Gamble Guitars eine Gitarre bauen lassen. Es gab ein Klavier, auf dem ich schon als Kind gespielt habe, das stand bei meinen Eltern. Als meine Mutter das Haus verkauft hat, sollte das verschrottet werden und aus dem Holz wurde dann die Decke für die Gamble-Gitarre gebaut.
Was reizt dich nach all den Jahren noch am Anhäufen von Equipment?
Mir macht es einfach Bock, am Sound zu schrauben. Ich liebe das Kombinieren schöner Instrumenten. Die anderen aus der Band verarschen mich deswegen schon lange und nennen mich „Mucker“, was in Punk-Kreisen ein Schimpfwort ist. Mich kickt das; eine Gitarre muss erst mal klingen und sich gut anfühlen, aber wenn sie auch noch schön aussieht? Das macht ganz viel mit einem.
Suchst du konkret einen bestimmten Gitarrentyp?
Ich dachte irgendwann, ich hätte gerne von jedem essenziellen Modell ein gutes Exemplar. Was mir noch fehlen würde, wären Rickenbacker-Gitarren. Ich liebe einfach die 335, das ist so mein Ding. Davon habe ich zwei, die finde ich sowohl live als auch im Studio geil, genauso wie meine ESP Eclipse mit dem Häussel-Pickup. Die wird einfach nie scheiße und geht auch nicht kaputt – ein Arbeitstier.
Drei Gitarren-Amps auf der Bühne: Two-Rock Classic Reverb Signature, Friedman Dirty Shirley und Tone King Falcon Grande Combo (Bild: Danny Kötter)
Wie sieht dein Traum-Setup für Konzerte aus?
Ehrlich gesagt bin ich gerade happy mit dem, was ich habe. Wir haben auch ein ganz eigenes Setup mit nach hinten abstrahlenden 12″-Speakern selbst gebaut. Der Two-Rock bringt sehr viel Bass. Ich hatte erst einen G12H Anniversary von Celestion drin, der aber ein bisschen in die Knie gegangen ist. Jetzt steckt ein Electro Voice mit 300 Watt drin, da kannst du reinknechten, bis der Arzt [sic]. Der Friedman läuft über die andere 12″-Box mit G12H Anniversary, und dann der Tone King als Combo.
Bild: Danny Kötter
Selbstgebautes Setup mit nach hinten abstrahlenden 12"-Speakern
Bild: Danny Kötter
Selbstgebautes Setup mit nach hinten abstrahlenden 12"-Speakern
Ich liebe dieses Setup zusammen mit meiner Eclipse. Die hat durch den Vintage-Pickup sehr wenig Output, da hörst du jeden Scheiß. Es ist nicht schon durch die Gitarre allein Vollgas, sondern geht schön moderat in die Amps rein. Wenn du mehr Zerre haben willst, dann am Amp und nicht durch den Pickup. Ansonsten habe ich nur für jeweils einen Song eine 335 und eine Strat und die Martin-Akustikgitarre. ●