Alte Werte, neue Favoriten

Die Toten Hosen: Kuddel im Interview

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(Bild: Tereza Mundilova / Shotview Artists)

Nach zwei Jahren Coronabedingter Auszeit meldet sich eine der erfolgreichsten deutschen Kapellen pünktlich zum 40. Geburtstag zurück – und das mit dem ausführlichen Karriere-Rückblick ‚Alles aus Liebe‘ und einer großen Tour durch die Stadien der Republik. Wir trafen Gitarrist Kuddel im Proberaum der Band, wo er uns sein aktuelles Setup vorstellte.

interview

Kuddel, hättest du 1982 gedacht, dass die Band so alt wird?

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Nein. Aber ich hätte es auch nicht ausgeschlossen. Wenn ich allerdings richtig darüber nachdenke, sind 40 Jahre schon eine heftige Zahl – damit sind wir zehn Jahre älter als mein Sohn.

Zum Jubiläum kommt neben einer großen Tour mit ‚Alles aus Liebe‘ ein Album heraus, das neben zahlreichen Klassikern auch einige neue Songs enthält. Wann war euch klar, dass es eine Kombination werden wird?

Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir zu diesem Termin kein komplettes Album schaffen. Wir wollten uns da auch nicht unter Druck setzen, nur um schnell etwas zu veröffentlichen. Wenn wir ein Album herausbringen, wollen wir wirklich damit zufrieden sein, deswegen haben wir das etwas auf die lange Bank geschoben. Natürlich hätten wir auch eine normale „Best of“ machen können, aber wir wollten auch etwas Neues dabei haben. Die sieben neuen Stücke finde ich allesamt ziemlich stark.

Von den alten Stücken habt ihr einige neu abgemischt, andere sogar erneut eingespielt. Was steckt dahinter?

Bei diesen Nummern hat uns damals alle etwas gestört. Daher haben wir uns gesagt: Das machen wir noch mal neu, das kriegen wir besser hin. Wobei ich mir anfangs nicht sicher war, ob wir das schaffen würden. Ein Song wie ‚Wort zum Sonntag‘ war damals einfach gut eingespielt – auch wenn er im Original nicht so gut klingt. Es war eine Herausforderung, diesen Charme wieder reinzukriegen. Ich finde, wir haben es trotzdem gut hinbekommen. Auch ‚Liebeslied‘ haben wir neu eingespielt, denn da waren wir mit der Studioversion tatsächlich nicht so zufrieden.

Wer dich kennt, weiß, dass du ein großer Gitarren-Liebhaber bist. Du hast dich im Lauf der Zeit durch das Sortiment der großen Firmen gespielt: von ESP über Fender hin zu PRS, später dann Gibson. Aktuell stehst du auf High-End-Ware Made in Germany, unter anderem aus dem Hause Nik Huber. Wie und wann fing das an?

Meine erste Nik Huber war eine Krautster, die bekam ich 2014. Ich glaube, ich habe da einfach mal angerufen. Ab da ging das alles sehr erfrischend problemlos. Mittlerweile ist das live meine meistgespielte Gitarre.

Bei der einen Krautster ist es nicht geblieben.

Ich habe mittlerweile drei davon, und dazu drei Orcas. Die Qualität bei Huber ist jedes Mal hervorragend. Meine neueste Entdeckung ist eine kleine Firma namens Schwarz Guitars aus der Nähe von Nürnberg. Von denen habe ich aktuell zwei Instrumente: eine St. Helens (Les-Paul-Style) und eine Cellar Doublecut Special – ein Gitarrentyp, den ich zuvor noch nie besessen habe.

Du hast mir mal gesagt: Ich bin kein Typ für P-90.

Ich höre dauernd Leute, die P-90-Gitarren spielen und damit unheimlich gut klingen. Da dachte ich mir: Es kann doch nicht sein, dass ich damit nicht klar komme. Ich weiß noch nicht, ob die live funktioniert, aber im Studio ist sie sensationell. Eine andere Gitarre, die ich aktuell sehr mag, ist die Tausch 665 mit ihrer etwas längeren Mensur. Sie ist wirklich schön gemacht – auf die Kombination Steg-Humbucker und P-90 am Hals stehe ich momentan total. Wahrscheinlich werde ich sie auch live spielen, speziell für ‚Bonnie & Clyde‘ funktioniert sie sehr gut.

Nik Huber Orca Copper
Tausch Guitars 665
Nik Huber Orca Green
Schwarz Custom Guitars St. Helens
Fender Stratocaster
Schwarz Custom Guitars Cellar Doublecut P-90

 

So vielseitig du in Sachen Gitarren bist, so stetig bleibt dein Grundsound, der sich immer an der Schwelle zwischen clean und verzerrt bewegt.

Genau. Mein Ton verändert sich selten. Ich stelle einen Amp eigentlich nie richtig clean ein, denn das haut bei mir irgendwie nicht hin. Ich mache das immer mit dem Volume-Poti.

Hier steht noch eine Strat. Ist die akut im Einsatz?

Das ist sie. Ich habe den Mittel-Pickup deaktiviert, sie ist wie eine Telecaster verschaltet. Es gibt live ein oder zwei Stücke, bei denen ich eine Tele spiele, etwa ‚Die Schöne und das Biest‘. Bei ‚Energie‘ verwende ich die Strat, weil das Vibrato so gut funktioniert. Auf Tourneen bin ich da manchmal ein bisschen zu vorsichtig, anstatt einfach mal die ganze Range mitzunehmen. Das hat damit zu tun, dass ich auf der Bühne völlig entspannt sein will und nicht darüber nachdenken möchte, zu welcher Gitarre ich als nächstes wechseln muss. Wenn alle vom Prinzip her einen Humbucker am Steg haben, komme ich damit klar.

Singlecoil-Gitarren hingegen waren längere Zeit eher nicht in deinem Live-Setup zu finden.

Durch den Kemper (Kuddels Haupt-Amp auf der Bühne, Anm. d. Aut.) ist der Wechsel einfacher geworden. Im Grunde benutze ich aktuell lediglich ein einzelnes Preset oder Profile, das ich durch EQ und Gain leicht verändert und für Huber, Strat oder Les Paul angepasst habe. In der Strat-Version ist es etwas verzerrter, da kann ich auch eine Tele spielen, ohne dass sich großartig was ändert.

Kemper-Rack (Bild: Chris Hauke)

Das Profile basiert worauf?

Auf einem etwas älteren Marshall JCM 800. Also einem der Amp, den ich früher lange verwendet habe. Ich würde den auch live spielen, aber mit dem Kemper fallen viele Probleme weg: Man muss nichts mehr mit dem Mikrofon abnehmen, und der Sound verändert sich nicht von Halle zu Halle. Das ist einfach praktisch. Allerdings blasen wir bei Konzerten neuerdings parallel dazu einen Marshall-JVM-Röhren-Amp an, der bei Soli sporadisch dazu gemischt wird. Hier im Proberaum fahre ich den Kemper in die Endstufe eines Diezel Herbert, parallel läuft ein gesplittetes Signal direkt in den zweiten Kanal eines Diezel VH4. Im Moment ist es also eine Mischung aus zwei Amps. Im Studio hingegen benutze ich den Kemper nicht so viel. Da klingen die Röhren-Amps einfach noch ein paar Prozent besser.

Abgesehen von deinen Krautster-Modellen, die aktuell nicht im Proberaum lagern, haben wir damit den Großteil deiner Gitarren für die kommende Tour abgehakt, auch der Grundsound via Kemper ist klar. In deinem Rack finden sich allerdings noch einige Feinheiten, die wir nicht unerwähnt lassen dürfen. Beginnen wir mit der obersten Schublade, in der sich zwei Strymon-Delays befinden.

Die Dinger sind einfach der Hammer. Du kannst alles MIDI-mäßig programmieren, das macht richtig Laune. Ich habe wirklich viele Delays ausprobiert. Die Strymons haben für mich die Nase vorn. Im Timeline gibt es ein Preset, in dem ein Tape Echo simuliert wird. Im direkten Vergleich klingt der El Capistan für meine Ohren besser. Ich hätte am liebsten ganz viele davon im Rack. Diesen Tape-Echo-Sound habe ich häufig drauf, gerade bei Solos. Wenn du den mit einem anderen Delay erzeugst, klingt das für mich nicht so gut.

In der zweiten Schublade …

… sind im Grunde genommen meine ganzen Booster & Zerrer. Von den beiden Fuzz-Pedalen (Orion FX Ramlon & Vemuram Shanks 4K) ist einer heftiger als der andere. Die zwei Boss-CS-3-Kompressoren setze ich wie Volume-Regler ein. Wenn sie nicht da wären, würde ich das mit der Gitarre machen. Der eine ist ein bisschen leiser eingestellt als der andere. Ich kann sie auch zusammen verwenden, dann wird es noch mal leiser.

Und der Boss GE-7 daneben macht das Gegenteil.

Exakt. Der boostet ein bisschen. Aber nur einen Hauch.

In der dritten Schublade versammelt sich aktuell eine interessante Mischung: ein Electro-Harmonix Micro POG als Octaver, dazu ein Option 5 Destination Phase, außerdem ein paar weitere Drives wie ein Newman FX Systems Ooh‘La‘Candy, ein Strymon Riverside sowie ein Klon KTR Centaur.

Der Klon macht wirklich Spaß, er ist sehr musikalisch und matscht nicht zu wie ein Tubescreamer. Ich kenne zwar nicht den Original-Klon, aber der KTR ist richtig gut. Ich habe zwei davon. Momentan ist er noch nicht im Signalweg, er würde statt des Ooh‘La‘Candy reinkommen. Den Riverside schmeiße ich wieder raus, der hat mir nicht so gut gefallen – zumindest habe ich ihn noch nicht so ganz verstanden. Diese Doppelfunktionen bei Strymon nerven. Den POG benutze ich etwa auf ‚Auswärtsspiel‘.

Rack-Schublade 1: Die Delays Strymon El Capistan & Timeline
Rack-Schublade 2: Die zwei Boss CS-3 machen leiser, der GE7 boostet. In der hinteren Reihe befinden sich das Orion FX Ramlon & Vemuram Shanks 4K
Rack-Schublade 3: Newman FX Systems Ooh‘La‘Candy, Option 5 Destination Phase, Strymon Riverside, Electro-Harmonix Micro POG & Klon KTR Centaur

 

Auf dem Board steht noch „OCD“.

Da stimmt die Beschriftung nicht. Aber der kann auch wieder reinkommen, ich finde ihn nicht schlecht.

Grundsätzlich sind also zehn Effekte im Angebot, die in die verschiedenen Presets integriert wurden.

Genau. Das Set wird vorher festgelegt, am Rechner eingetippt und abgespeichert. Zwischen den Presets für die einzelnen Songs kommt immer wieder „Kuddel 1“ (der Grundsound, Anm. d. A.), denn ich will nicht ständig zurückgehen, sondern immer nur eins vorwärts. Ich habe etwa 30 Presets. Mit dem Boss FS-5U Fußschalter kann ich das Delay zusätzlich tappen, wenn das nötig ist.

Das Skrydstrup-System ist zwar etwas limitiert was Presets angeht, aber für mich reicht das völlig aus. Ich mag nach wie vor die ganze Schaltung, die er gebaut hat. Ich kann damit noch verschiedene Amps anfahren, wenn ich möchte, und mich dazu zwischen Kabel und Sender entscheiden. Insgesamt bietet das Rack sehr viele Möglichkeiten, da gibt es nichts zu meckern. Das Gute dabei ist, dass ich nur ganz kurze Kabelwege habe. Es geht ein ganz kurzes Kabel zu den beiden Amps, da habe ich nicht diese zehn Meter hin, zehn Meter zurück.

Mit dem Rack-Controller werden alle Effekte gesteuert. (Bild: Chris Hauke)

Kommen wir am Ende noch mal zu einer Gitarre, die du vorhin bereits angesprochen hast: Die Huber Orca mit ihrem Copper Code Finish ist ein echter Hingucker.

Und sie ist dazu auf jedem der neuen Tracks zu hören – einfach weil sie am besten klang. Das Finish ist unglaublich aufwändig, sie sieht wirklich gut aus. Die habe ich übrigens, anders als die anderen Hubers, nicht bestellt. Sie war eigentlich für einen anderen Kunden vorgesehen, wurde dann aber nicht abgeholt. Der Bridge-Pickup sitzt mir eigentlich etwas zu weit vom Steg entfernt, aber dennoch klingt sie wirklich gut. Das ist eine Hammer-Gitarre, die ich sicher mit auf Tour nehmen werde.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)

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